Er musste seine Wut immer unterdrücken. Schon als Kind hätte er mit seiner Wut alles zerstört. Doch die Familie war gebrechlich. Also vergrub er sie, die Wut. Und konnte sie von nun an nicht mehr fühlen. Doch als er erwachsen wurde, merkte er, dass er in einer Zauberwelt lebte. Er spürte, dass die anderen gegen ihn waren, ihm Böses wollten, ihn verfolgten. Er fühlte sich verflucht und bekam Panikattacken. Er sprach in sanften Tönen, doch die Umgebung reagierte, als sei er ein Verbrecher. Tief gekränkt zog er sich zurück. Er fühlte sich unverstanden. Und wurde depressiv. (Text & Bild: © Dunja Voos)
Verteilte Wut
Die Wut ist wie ein feiner Stoff. Unschuldig und unwissentlich verteilte er sie überall. Er machte, dass die anderen wütend wurden – und dabei Schuld empfanden, denn er war doch immer so gut. Ein Unfall jagte den nächsten. Er zerstörte, wo er nur konnte. Doch seine Stimme blieb immer sanft. Er fühlte sich vom Unglück verfolgt.
Erkannt
Er ging zu einer Wahrsagerin, um zu erfahren, warum er Gefangener des Unglücks war, warum die Menschen ihn nie verstanden und sich immer gegen ihn richteten. Die Wahrsagerin sagte: „Es tut mir leid, ich kann Ihnen nicht helfen. Der freie Blick ist mir versperrt. Sie haben da was. Ich sehe eine große Wut in Ihnen. Aber Sie können diese Wut nicht empfinden. Sie leiden unter einer furchtbaren Behinderung: einer dauerhaften Wutempfindungsschwäche. Gehen Sie zu einem Psychotherapeuten und lassen Sie sich behandeln.“ Wütend stand er auf und verließ den Raum.
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