Gewalterfahrungen in der Kindheit haben das Leben ausgebremst. Es gab einen Unfall und schwere Verletzungen sind die Folge. Der eigene Sohn hat sich vor Jahrzehnten abgewendet. Die große Liebe hat nach 30 Jahren „Schluss“ gemacht. Der Junkie greift bei der Blutentnahme die Ärztin an – seither hat sie, Mutter einer 12-Jährigen, Hepatatis C. Der Kinderwunsch wurde nie erfüllt. Wie lässt sich mit solchen Dauerschmerzen leben? (Text & Bild: © Dunja Voos)
Wie ein Donnergrollen
Da ist der unendliche Groll auf das Geschehene, die Wut auf die Täter, auf sich selbst, auf das Verpasste, auf das Schicksal. Da ist der Neid auf all jene, denen es anders geht. Da ist die unendliche Einsamkeit, weil das eigene Schicksal so individuell ist, dass man es mit niemandem teilen kann. Depressionen und Trauer sind fester Bestandteil des Lebens – manche leben mit einem erträglichen, andere mit einem zeitweise unerträglichen Ausmaß. Das, was einem passiert ist, lässt das geistige Leben oft anstrengend werden. Die Kunst ist, sich zu erleichtern, wehrloser zu sein, den Verlust von Kontrolle anzunehmen. Man ist herausgefordert, aus dem Leben eine Lebenskunst zu machen.
„Der, welcher wandelt diese Straße voll Beschwerden,
wird rein durch Feuer, Wasser, Luft und Erden.
Wenn er die Schrecken des Todes überwinden kann,
schwingt er sich aus der Erde Himmel an.
Erleuchtet wird er dann imstande sein,
sich den Mysterien der Isis ganz zu weihn.“
Betrachten
Im Grunde kann man immer wieder nur Eines tun: Wahrnehmen, neugierig anschauen und erkunden. Verdauen. Veratmen. Neugierig schauen, welche Formen und Farben der Schmerz annimmt und ihn kennenlernen. Manchmal kann man feststellen, wie das pure Anschauen zur Veränderung führt: Festes kann dadurch weicher werden. Wichtig ist es auch, die Einsamkeit anzuerkennen und sich dadurch mit den anderen verbunden zu fühlen, dass man weiß, dass jeder mit dieser Einsamkeit zu kämpfen hat, egal, wie glücklich er erscheint.
Mitgefühl hilft
Wenn man einen Menschen findet – egal, ob einen Freund, einen Berater, einen Pfarrer, eine „Schwester“, einen „Guru“, einen Therapeuten oder einen Psychoanalytiker, der mit einem zusammen den Schmerz fühlt, kann das sehr heilsam sein. Einmal die Erfahrung gemacht zu haben, dass ein anderer wirklich mitfühlen konnte, kann die Innenwelt so verändern, dass man den Schmerz besser tragen kann. Umgekehrt kann es genauso gut tun, mit einem anderen mitzufühlen, der von seinem Leid berichtet.
Dr. Kausthub Desikachar, in der Reihe „Patanjali’s Yogasutra“, Youtube
Singen hilft
Vielen hilft es auch, zu singen, z.B. im Chor. Persönlicher Gesangsunterricht oder das Erlernen alter Gesänge wie z.B. Mantrasingen bei Reina Berger kann sehr erfüllend sein. Auf Twitter gibt das „Abendgebet“ unter dem Stichwort #Twomplet (abgeleitet von „Komplet“ = Abendgebet, lateinisch completorium ‚Schlussandacht‘) ein Gemeinschaftsgefühl. Die Suche nach dem, was einem persönlich hilft, ist wie eine Reise. Jeder ist auf so einer Reise, doch Menschen mit dauerhaften Schmerzen reisen vielleicht intensiver und weiter und sehen mehr grau-diesige, aber auch bunt-leuchtende Länder.
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