Wenn der Patient sich schrecklich über seine Nachbarin aufregt, kann es sein, dass er sich eigentlich auch über die Psychoanalytikerin aufregt. Doch weil er es sich so nicht zu sagen traut, verkleidet er sozusagen seine Beziehungsgeschichte mit der Analytikerin in eine Geschichte, die außerhalb der Analyse stattfindet. Das ist dem Patienten meistens nicht bewusst. Der Psychoanalytiker Jürgen Körner (DPG/IPA) prägte 1989 den Begriff der „Arbeit in der Übertragung und an der Übertragung“.
Sowohl als auch
Manchmal erzählt der Patient, wie er sich in Bezug auf seine Mutter, seinen Chef, seine Kinder erlebt hat. Der Therapeut kann so die Beziehungsgestaltung des Patienten (das „Übertragungsgeschehen“) bei anderen Menschen beobachten. Wenn er dies deutet, dann arbeitet er „an der Übertragung“: „Kann es sein, dass Sie immer mehr tun, als Ihr Chef verlangt, weil Sie das Gefühl haben, dass es nicht reicht?“ Wenn der Patient aber eine Erfahrung direkt mit dem Analytiker macht und der Analytiker diese Erfahrung erlebt, dann kann er „in der Übertragung“ deuten: „Kann es sein, dass Sie sich hier ärgerlich fühlen, weil Sie meinen Sie müssten mir gefallen und Sie seien nie genug?“ Oft ist es ein „Sowohl … als auch“: „Vielleicht erleben Sie das, was Sie mit Ihrem Chef erleben, ja auch in der Beziehung zu mir.“
Literatur:
Körner, Jürgen (1989):
Arbeit an der Übertragung? Arbeit in der Übertragung!
Forum der Psychoanalyse 5, S 209-223
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Arbeit „in“ der Übertragung: Fünfundzwanzig Jahre später
Autor: Prof. Dr. phil. Jürgen Körner
December 2014, Volume 30, Issue 4, pp 341–356
doi:10.1007/s00451-014-0184-1
https://www.springermedizin.de/arbeit-in-der-uebertragung/8523592
https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00451-014-0184-1: „Zwar interpretiert der Patient seine Welt im Lichte seiner früheren Erfahrungen, aber er gestaltet gemeinsam mit uns hier und jetzt eine neue Beziehungswirklichkeit.“
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