Eigentlich macht man ja eine Psychoanalyse, damit man erleuchtet oder auf immer glücklich wird, oder damit noch alle Lebenswünsche in Erfüllung gehen. Hat man begriffen, dass das nicht geht, dann kann man sich dem eigentlichen Ziel zuwenden: dass man in guten Kontakt mit sich selbst und anderen Menschen kommt, dass man sich also auch mit dem Analytiker harmonisch verbunden fühlt. Doch das Gute währt bei psychischen Erkrankungen oft so kurz. Die Psychoanalytikerin Paula Heimann (1899-1982) beschreibt in „Dynamics of Transference Interpretations“ (1956, Int J Psychoanal 37: 303-310), wie der Patient stellenweise wieder in guten Kontakt mit seinen inneren Objekten und auch mit dem Analytiker kommt. Doch kaum sei „die verlorene Liebe wiederhergestellt“, tauchten erneut Feindseligkeit und neue Probleme auf. (Text & Bild: © Dunja Voos)
Erneutes Abtauchen
Man könne dann beobachten, wie der Patient wieder in eine andere Stimmung fällt. „The affect of love and contact in relation to his original objects has become exhausted. Again conflict is operative in the transference relation and has to be discovered and made conscious.“ (Heimann 1956) (Der Affekt von Liebe und Kontakt in Bezug auf die ursprünglichen Objekte des Patienten hat sich erschöpft. Wieder ist der Konflikt in der Übertragungsbeziehung aktiv und muss entdeckt und bewusst gemacht werden.)
Es stört
Aufkommende Wut oder aufkommende Zärtlichkeit können schnell wieder abebben. Häufig bemerkt man seine Affekte kurz und dann „erschöpfen“ sie sich. Doch bei psychischen Krankheiten treten die sorgenvollen, wütenden, misstrauischen, neidischen, feindseligen, ängstlichen, negativen Affekte häufig und relativ lang anhaltend auf, während das Gute nur relativ kurz auftaucht und rasch wieder verschwindet oder plötzlich zerstört zu werden scheint. Der Kranke vermisst schmerzlich, dass der andere bei guten Affekten mitschwingt. Das passiert beispielsweise, wenn der Betroffene bereits als Baby eine depressive Mutter hatte. Darunter leiden die Betroffenen sehr.
Dr. Evelyne Steimer-Krause der Uni Saarland beschreibt den Zusammenhang zwischen Affekten und Zeit:
„Die wesentlichen Veränderungen bei psychisch Kranken etwa finden wir weniger in den einzelnen Affekten, als in der veränderten zeitlich dynamischen Organisation des eigenen und des dyadischen Verhaltens.“ …
„Es wird deutlich, dass das Erlernen bzw. Verlernen von Affekten und das Teilen derselben mit anderen möglicherweise sehr weitreichende Konsequenzen für die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden haben kann. … Manche Autoren nehmen gar an, es gebe so etwas wie einen Affekthunger, der diejenigen Affekte, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht abgerufen und nicht benutzt wurden, in Träumen und literarischen Produktionen … hervorrufe.“
http://www.uni-saarland.de/fak5/krause/klaus/Lernpro5.htm
Haarfein
Die psychoanalytische Arbeit besteht darin, diese Affekte in der Übertragungsbeziehung (also in der Beziehung des Analysanden zu seinem Analytiker) zu analysieren (Übertragungsanalyse). Dabei wird dem Patienten möglicherweise auch deutlich, dass er gar nicht bemerkt, dass der Analytiker mitschwingt. Diese haarfeinen Bewegungen in der Analyse warten darauf, genau verstanden zu werden.
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Ziele der Psychoanalyse
Links:
Dr. Evelyne Steimer-Krause:
Psychische Störungen im Licht der hier beschriebenen Trieb- und Affekttheorie
http://www.uni-saarland.de/fak5/krause/klaus/P.htm
Zeitliche Verlaufsstruktur des Affektausdrucks
http://www.uni-saarland.de/fak5/krause/klaus/Anwen2.htm
Reck, Backenstraß, Möhler, Hunt, Resch, Mundt (2001):
Mutter-Kind-Interaktion und postpartale Depression (S. 171-186)
Frühes Interaktionsverhalten depressiver Mütter und ihrer Kinder.
Interaktion und Affektausdruck
Psychotherapie 6. Jahrg. 2001, Bd. 6, Heft 2 © CIP-Medien, München
cip-medien.com/wp-content/uploads/2001-2-03-Reck.pdf
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