Sigmund Freud scheute sich nicht, immer wieder auch von seinen Zweifeln und von Unvollständigkeiten zu sprechen. Ein sehr eindrückliches Zitat über seine (selbst-)kritische Haltung findet sich in den Vorlesungen zur Einführung der Psychoanalyse (Kapitel 6: Voraussetzungen und Technik der Deutung, Projekt Gutenberg):
„Ja, meine Damen und Herren, ich habe Sie nicht hieher kommen lassen, um Ihnen etwas vorzuspiegeln oder zu verhehlen. Ich habe zwar »Elementare Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse« angekündigt, aber damit habe ich keine Darstellung in usum delphini beabsichtigt, die Ihnen einen glatten Zusammenhang zeigen soll mit sorgfältigem Verstecken aller Schwierigkeiten, Ausfüllung der Lücken, Übermalen der Zweifel, damit Sie ruhigen Gemüts glauben sollen, Sie haben etwas Neues gelernt. Nein, gerade darum, weil Sie Anfänger sind, wollte ich Ihnen unsere Wissenschaft zeigen, wie sie ist, mit ihren Unebenheiten und Härten, Anforderungen und Bedenken. Ich weiß nämlich, daß es in keiner Wissenschaft anders ist und besonders in ihren Anfängen gar nicht anders sein kann. Ich weiß auch, daß der Unterricht sich sonst bemüht, diese Schwierigkeiten und Unvollkommenheiten dem Lernenden zunächst zu verbergen. Aber das geht bei der Psychoanalyse nicht.“ Sigmund Freud, 1916
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