Im Kinderkanal „Kika“ lief kürzlich die Sendung „Let’s talk – Geschwister nerven … oder doch nicht?“. Aus meiner Sicht haben es die Einzelkinder hier ganz furchtbar „abbekommen“. Die Einzelkinder, die ich kenne, haben sich ihr Leben lang Geschwister gewünscht. Über die spezielle Einsamkeit von Einzelkindern wird selten gesprochen. Auch Studien hierzu sind rar gesät, selbst in China. (Text & Bild: © Dunja Voos)
Ist die Einsamkeit bei Einzelkindern größer?
Wenn man im Working Paper der Uni Wien „Sind Einzelkinder anders?“ (PDF) das Wort „einsam“ ins Suchfeld eingibt, findet man nur das Wort „gemeinsam“ („gemeinsamer Haushalt“). Die Frage, ob sich Einzelkinder einsamer fühlen als Geschwisterkinder, lässt sich nicht leicht beantworten. Meiner Erfahrung nach mit Einzelkindern in Therapien würde ich sagen: Ja. Auf Einzelkindern lastet der Blick der Eltern viel schwerer. Sie haben gegenüber den Eltern keine Verbündeten. Die „Verwöhnung“, die die Einzelkinder angeblich oft erfahren, lässt sie sich nur noch einsamer fühlen. Ich denke an das Bild der einsamen Prinzessin, die im vollgestopften Kinderzimmer sitzt. Jedes Spielzeug mehr ist ein Symbol dafür, dass das Einzelkind keinen direkten „Spielkameraden“ hat.
Keine Konkurrenz?
Geschwisterkinder haben oft das Bild, dass Einzelkinder verschont bleiben vom Thema „Konkurrenz“. Doch auch sie haben sehr damit zu kämpfen, wenn Vater oder Mutter ihnen immer „die tolle Susanne“ von nebenan vorhalten. Sicher, „Susanne“ ist wenigstens nachts nicht physisch anwesend und läuft einem nicht im eigenen Hausflur über den Weg. Aber der Schmerz über die Konkurrenz kann ebenso groß sein wie bei Geschwisterkindern.
Auch das Geschwister-Dasein bringt Leid
Es gibt natürlich viele Geschwisterkinder, die unendlich unter ihrem Dasein mit ihren Geschwistern leiden oder litten. Es gibt unter Geschwistern furchtbare Traumatisierungen. Das dürfen Einzelkinder nicht vergessen, wenn sie auf Geschwisterkinder neidisch sind. Einzelkinder und Geschwisterkinder „bekämpfen“ sich oft in Diskussionen, weil sie sehen, dass der andere genau das hat, was man sich selbst immer so sehnlich gewünscht hat. Wichtig wäre es, sich übereinander Gedanken zu machen, die eigenen schmerzlichen Erlebnisse zu erkennen und sich ernsthaft zu fragen, wie es dem Einzelkind oder dem Geschwisterkind damit geht. Ob Geschwister- oder Einzelkind: Jeder möchte seinen Frieden mit seiner Situation schließen.
Etwas Essenzielles fehlt
Manchmal geht es Einzelkindern ähnlich wie Paaren, die keine Kinder bekommen konnten: Bis zu ihrem Tod fehlt ihnen etwas Essenzielles, das sie vielleicht als „von der Natur vorgesehen“ dachten. Diesen Schmerz gilt es zu verstehen und in guter Weise zu halten.
Jean-Paul Sartre (21.6.1905-15.4.1980)
Erwin Schrödinger
Katharina Wagner
Erich Kästner
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Literatur:
www.joannacannon.com
„As an only child of an only child, a great number of her friends lived within the pages of a book, and she soon discovered what would become a life-long fascination with words, stories and character.“
Ewa Rossberg:
Einzelkinder
Rowohlt, amazon
Martin Pinquart, Rainer K. Silbereisen (2006):
Einzelkinder und Geschwisterbeziehungen
In: Zukunft der Famlie: Prognosen und Szenarien
Sonderheft 6, herausgegeben von Günter Burkart
Zeitschrift für Familienforschung
Christine Geserick, Sonja Dörfler, Markus Kaindl:
Sind Einzelkinder anders?
GGS-Daten für Österreich, Frankreich, Norwegen und Russland
Universität Wien, Working Paper Nr. 79, 2013
http://www.oif.ac.at/fileadmin/OEIF/Working_Paper/wp_79_einzelkinder.pdf
Valentina Wieser (2016):
Mythos Einzelkind?
Gängige Vorurteile und ihre Herkunft.
Warum sich Paare trotz vermeintlicher Nachteile für ein Einzelkind entscheiden
Bachelorarbeit Pädagogik, 2016
amazon
Anna-Maria Wallner (2013):
Einzelkinder: Geboren für Reihe eins
16.02.2013, diepresse.com/home/kultur/film/1345631/
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 11.4.2017
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