„Ich habe einen großen Fehler gemacht“, erzählte ich einer Freundin bekümmert. „Es gibt keine Fehler“, antwortete sie mir aufmunternd. (Es ist übrigens dieselbe Freundin, die auch immer sagt: „Geld ist immer da.“) Wie ist das mit unserer Fehlerkultur? Auch Schülern wird gesagt: „Keine Angst vor Fehlern“, doch der Alltag sieht anders aus. Mit rotem Stift wird jeder Fehler markiert und das „Mangelhaft“ auf dem Zeugnis gefährdet die Versetzung. In der Ausbildung zum Arzt, zum Psychotherapeuten, zum Psychoanalytiker sind Fehler oft besonders fatal. Sie können unter Umständen ein Menschenleben kosten. Wie soll man da keine Angst vor Fehlern haben? (Text & Bild: © Dunja Voos)
Immer wieder neu
Aus jedem „Fehler“ können wir lernen. Es ist wichtig, sorgfältig zu arbeiten und mit der Arbeit möglichst zu pausieren oder aufzuhören, wenn die Müdigkeit zu groß wird. Es ist wichtig, sich für Fehler nicht so hart anzugreifen, sondern zu versuchen, den Fehler sozusagen in die Hand zu nehmen und genau zu untersuchen, wie es so kommen konnte – auch, wenn es sehr schmerzhaft sein. Wird der Fehler verstanden, ist Erleichterung, Wohlgefühl und mehr Sicherheit der Lohn.
Große Fehler
„Durch meinen Fehler starb XY.“ „Durch meinen Fehler verlor ich das Liebste, was ich hatte auf der Welt.“ „Meinen Fehler werde ich mit ins Grab nehmen.“ „Mein Fehler macht keinen Sinn. Er tut nur weh.“ Große „Fehler“ sind um Vieles schmerzhafter als kleine Fehler. Manche Menschen treibt ihr Fehler fast in den Suizid. Die bleibenden Schäden scheinen unverzeihlich. Ein schwerer Fehler kann sich anfühlen wie eine schwere Krankheit, die einen fast umbringt. Manche Menschen zerbrechen fast unter ihrer Last. Und doch gelingt es ihnen oft, in mühevoller Arbeit aus dem Fehler etwas zu machen. Und den Fehler und sich selbst zutiefst zu verstehen.
„Da isser wieder!“
Es gibt unzählige Facetten am „Fehler“ zu entdecken. Manchmal war ein Fehler nichts anderes als unsere eigene Grenze, als ein Schicksal, als ein psychisches Überwältigtsein. Fehler sind immer auch eine Quelle der Kreativität. Die „Sprachfehler“ von Kindern – sei es in der Muttersprache oder in Fremdsprachen – zeigen, wie Grammatik funktioniert, wie sich Sprachen entwickeln, wo Verwandtschaften zu anderen Sprachen bestehen, was Konventionen sind usw. Fehler sollte man nicht wegwischen, sondern von einem Fehler kann man wunderbar Zusammenhänge zu Nachbarfeldern herstellen. Der Fehler ist der beste Lehrmeister.
Fehler sind zum Benutzen da!
Ein Kind mit „Dyskalkulie“ (Rechenschwäche) behauptete lange, dass 19-4 = 50 sei. Zu schwierig war es, den Klang von „Fünfzehn“ und „Fünfzig“ auseinanderzuhalten. Ein anderes hatte ein Problem mit der „Eins“- es konnte sich kaum als „Einheit“ erleben. Die Trennung der Familie vom Vater machte das „Eins, Zwei, Drei“ zu einem schmerzhaften Thema. Aus solchen Überlegungen erwachsen wunderbare Denkspiele und auch Therapiemöglichkeiten. Wer keine übermäßige – sondern nur „normale“ – Angst vor Fehlern hat, der spricht, rechnet, spielt und arbeitet freier. Werfen wir einen kreativen Blick auf die Fehler, so können sich ganz wertvolle Erkenntnisse daraus entwickeln.
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