Damit die Psyche mit Leid klar kommen kann, ist sie sehr erfinderisch. Der Körper kann bei Qualen Endorphine ausschütten. Aber auch die Seele kann es schaffen, dass eigentlich qualvolle Situationen in lustvolle Situationen umkippen können. Das kann auf allen sichtbaren und unsichtbaren Ebenen passieren. Wer als Kind unter Ohnmachtsgefühlen litt, der kompensiert diese Ohnmachtsgefühle durch Allmachtsgefühle. So mancher Narzisst kennt emotionale Höhenflüge, während derer er sich als allmächtig, „ganz oben“ und unverletzlich erlebt.
Auch körperliche Beschwerden können lustvoll werden
Bei manchen psychosomatischen Erkrankungen kann man Ähnliches beobachten: So schrecklich Reizdarmsymptome sein können, so kann sich unbewusst auch eine Lust daran entwickeln, nicht mehr von der Toilette zu kommen und den anderen unbewusst oder halbbewusst zu „bescheißen“. Auch wer starke Angst erlebt, kann mitunter in höhere Gefühlsebenen davon schweben. Sobald der direkte Leidensdruck weg ist, kann das schlecht sein für die persönliche Entwicklung in der Therapie, denn während man emotional diese Höhenflüge erlebt, kann man Dinge tun, die einem schaden. Teilweise sieht man sich dabei sogar zu.
Das Weh danach
Erst nach dem Höhenflug fällt man auf die Nase; man landet und leidet wieder. Das sieht man zwar schon in dem Moment des Höhenfluges kommen, aber es ist einem alles egal. Es ist, als sei man vorher auf Glatteis ausgerutscht. Das Gleitmittel war jedoch die Lust.
Wichtig ist es, ganz ehrlich zu sich zu sein und sich zu fragen, ob man sich gerade ungewöhnlich wohl fühlt, obwohl es eigentlich nicht zur Situation passt. Doch warum sollte man von Lust- und Wohlgefühlen zurückkehren zu Angst, Unlust, Schmerz und Bedrängnis? Weil man mit diesen unguten Gefühlen sein Leben kreativer und ehrlicher gestalten kann, sodass das Endergebnis erfüllend und befriedigend ist.
Verwandte Artikel in diesem Blog:
Masochismus ist der Aktivismus des Ohnmächtigen
Masochistischer Triumph
Schreibe einen Kommentar