Wenn wir in guten Beziehungen oder Liebesbeziehungen sind, dann fürchten wir uns oft vor Aggressionen, weil wir glauben, die Aggression könnte die Beziehung zerstören. Doch zerstörerische Wut ist nur das Ende einer langen Kette. Zerstörerische Wut kommt dann, wenn wir lange unsere eigenen Bedürfnisse begraben haben und wenn wir uns lange unsere Aggressionen verboten haben. Aggressionen zu haben und sie zu äußern ist oft mit Schuldgefühlen und „schlechtem Gewissen“ verbunden. Wenn aber die Aggression so sehr gewachsen ist, dass es nur noch um die Frage des Überlebens geht, dann zeigen wir unsere Wut ohne Schuldgefühl. (Text & Bild: © Dunja Voos)
Alles ist erlaubt, wenn nichts mehr geht
Wenn wir uns so sehr bedrängt fühlen, dass wir meinen, zu ersticken, geht es uns nur noch um das pure Überleben. Wir stoßen den anderen weg, denn jetzt haben wir das Recht dazu. Bei der Frage um das Überleben geht es nicht mehr um das schlechte Gewissen. Mit Wucht hauen wir den anderen aus unserem Leben raus. Zuerst fühlen wir uns vielleicht stark, befreit und beflügelt. Wir spüren die belebenden Seiten der Aggression. Doch einige Tage später stehen wir vor den Scherben, wollen den anderen zurück haben, können uns selbst nicht mehr verstehen.
Tröpfchenweise Wut entlassen
Damit es nicht so weit kommt, ist es wichtig, von Anfang an achtsam gegenüber seinen eigenen Aggressionen zu sein. Nicht nur Angst ist ein wertvoller Kompass, den die Psyche uns liefert, sondern auch Ärger, Wut und Zorn. Ärger fängt oft mit einem Gefühl des Unbehagens an. Wir übergehen das Gefühl und sagen uns: „Ach, komm schon, stell dich nicht so an, sei nicht so kleinlich, das wird dir schon nicht schaden, das wirst du schon überleben.“ Aber im Grunde übergehen wir mit solchen Sätzen wichtige Regungen in uns.
Wut ist immer berechtigt, denn auch die innere Realität ist echt
Egal, ob die Wut uns „unberechtigt“ oder „berechtigt“ erscheint – sie ist immer berechtigt. Es macht keinen Unterschied, ob wir tatsächlich und objektiv gesehen Unrecht in einer Beziehung erfahren, oder ob wir uns aufgrund unbewusster Phantasien im Unrecht fühlen. Unbewusste Phantasien sind sehr wirkmächtig. Wenn wir die unbewusste Phantasie haben: „Der andere will immer etwas von uns, er kann uns einfach nicht in Ruhe lassen“, dann sehen wir den anderen so (Übertragung) und reagieren darauf.
Wir handeln entsprechend unserer unbewussten Phantasie
Wir beginnen, so zu handeln, dass der andere uns endlich in Ruhe lässt, wir versuchen, dem anderen zu gefallen und ihn zu beruhigen. Aber in Wirklichkeit sitzt der andere einfach nur da und hat überhaupt nicht im Sinn, uns zu stören. Er will ja selbst in Ruhe gelassen werden. Die Ursache der Wut liegt in diesem Fall in unserer Phantasie und diese wiederum ist durch Vorerfahrungen entstanden, z.B. durch schmerzhafte Erfahrungen mit unseren Eltern, die uns vielleicht wirklich nicht in Ruhe lassen konnten.
Die Wut will uns etwas sagen
Die Wut entsteht und sie ist da und sie will in unserem Beispiel sagen: „Ich möchte meine Ruhe haben.“ Wenn man das bemerkt, kann man beginnen, sich mit sich selbst und dem Partner auseinanderzusetzen. Dadurch kann die Wut – ob „berechtigt“ oder „unberechtigt“ – verdaut werden.
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