Der britische Psychoanalytiker Wilfred Bion (1897-1979) stellte viele Theorien über das Denken und Fühlen auf. Er beschäftigte sich intensiv mit dem Thema „Psychose“ und mit der Frage, warum psychotische Patienten oft nur schwer denken und fühlen können. Bions ehemaliger Analysand James Grotstein (1925-2015) beschreibt seine Theorien sehr verständlich. In seinem Buch „A Beam of Intense Darkness“ (Karnac, 2007) schreibt Grotstein:
„Bion discovered that – and why – psychotics could not think or feel: because they could not allow themselves to suffer emotional pain. He was later to ponder why they also could not sleep and therefore were unable to distinguish between sleep and wakefulness and between consciouseness and the unconscious“ (Grotstein, S. 103).
„Bion entdeckte, dass – und erklärte warum – Psychotiker weder denken noch fühlen können: weil sie sich selbst nicht erlauben können, emotionalen Schmerz zu erleiden. Später dachte er darüber nach, warum sie auch nicht schlafen können und daher unfähig sind, zwischen Schlafen und Wachen, zwischen Bewusstsein und Unbewusstem zu unterscheiden.“
Wurzeln in der Kindheit
Für die Betroffenen war nie jemand da, der ihnen eine gesunde psychische Entwicklung ermöglichte. Die sogenannten Psychotiker hatten oft Mütter, die ihnen kaum „projektive Identifizierung“ ermöglichten, als sie klein waren. So konnte kein ausreichend großer „Denkraum“ entstehen und die Betroffenen konnten ihre eigenen Gefühle nicht richtig kennenlernen. Die Mutter konnte ihre Gefühle nicht ausreichend halten und verstehen. Daher müssen die Patienten immer alles abwehren, sobald ein unbekanntes oder unangenehmes Gefühl auftaucht.
Es muss einen anderen geben, der mitleidet
Um emotionalen Schmerz wirklich spüren und erleiden zu können, muss am Anfang des Lebens jemand da sein, der mit einem zusammen den Schmerz erleidet. Bion unterscheidet zwischen Schmerz „aushalten“ und „erleiden“. Erst, wenn in der Psychoanalyse der Psychoanalytiker den Schmerz mit erleidet, wird es dem Betroffenen möglich, später den eigenen Schmerz auch alleine zu erleiden.
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