Dieses Buch kann ich jedem „Gläubigen“ und „Ungläubigen“ empfehlen: Glaube, Phantasie und psychische Realität. Autor des Buches ist Ronald Britton, ein britischer Psychoanalytiker. Sein Schwerpunkt liegt auf der Psychoanalyse nach Melanie Klein. Brittons Sprache fließt und ist wunderschön zu lesen.
Wo Gedanken ihren Platz haben
Ronald Britton beschreibt, wie Gedanken und Glauben entstehen und was „Psychische Realität“ bedeutet. Anhand von Fallgeschichten beschreibt er eindrücklich, was in Menschen vorgeht, die fanatisch glauben und in solchen, die „zu realistisch“ sind. Dabei erklärt er die Theorien verschiedener Psychoanalytiker und zeigt immer wieder auf, dass die Struktur der eigenen Psyche immer abhängig ist von Beziehungen.
Oft ist Vorwissen gefragt
Der Nachteil des Buches: Vieles lässt sich nur verstehen, wenn man bereits mit einigen psychoanalytischen Begriffen vertraut ist. Insbesondere die Begriffe projektive Identifizierung, schizoid-paranoide und depressive Position sind wichtig.
Dichter und Denker
Im zweiten Teil des Buches vergleicht Britton die psychische Entwicklung des britischen Dichters William Wordsworth (1770-1850) mit derjenigen des Lyrikers Rainer Maria Rilke (1875-1926). Die Zusammenhänge sind mir nicht immer ganz klar geworden, aber es war schön zu lesen. Der Leser wird ein wenig in die Kapitel hineingeworfen. So ging es in den letzten Buchkapiteln – für mich plötzlich – um den britischen Schriftsteller William Blake (1757-1827) und den englischen Dichter John Milton (1608-1674). Im Kapitel „Miltons destruktiver Narzissmus oder Blakes wahres Selbst?“ beschreibt Britton die Glaubensansätze dieser beiden Dichter. Beispiel:
„Das Primat der Liebe – also die Überzeugung, dass Gott die Liebe verkörpere – verbindet Blake und Milton; was sie trennt, ist die Frage, wo das Göttliche zu finden sei.“ (S. 214)
Ein sorgfältig übersetztes und lektoriertes Buch
Beeindruckend: Das englische Original („Belief and Imagination. Explorations in Psychoanalysis“) wurde mit großer Sorgfalt ins Deutsche übersetzt und das Lektorat des Verlags Klett-Cotta hat bewundernswerte Arbeit geleistet. In diesem Buch mit seinen vielen komplexen Sätzen und komplizierten Zusammenhängen ist mir kein Fehler aufgefallen. Man merkt: An diesem Buch haben alle Beteiligten hart gearbeitet.
Verwandte Artikel in diesem Blog:
Buch:
Ronald Britton
Glaube, Phantasie und psychische Realität
Klett-Cotta, Stuttgart 2001
(Routledge London/New York 1998)
Links:
Weitere Literatur von Ronald Britton:
PEP-Web (Psychoanalytic Electronic Publishing)
Jacob A. van Belzen:
Musik und Religion: Psychologische Zugänge
Springer, 2013
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