Ärzte und Psychologen bezeichnen Verhaltensauffälligkeiten (meistens bei Kindern und Jugendlichen) als „externalisierende Störungen“. Eine „externalisierende Störung“ ist also etwas, was man von außen beobachten kann. Dazu gehören zum Beispiel Unruhe und Zappeligkeit („hyperkinetische Störung“) oder aggressives Verhalten („Störungen des Sozialverhaltens“). „Internalisierende Störungen“ hingegen kann man von außen nicht sehen. Das sind Probleme, die innerlich bearbeitet werden, wie zum Beispiel Selbstzweifel, Depressionen oder Ängste. Eine „externalisierende Störung“ wird häufiger den Jungen zugeordnet, wohingegen Mädchen häufiger an „internalisierenden Störungen“ leiden.
Ergotherapie statt Abenteuer
Der Begriff „externalisierende Störung“ wird von einigen Wissenschaftlern als sehr problematisch bewertet, denn Jungen finden heute oft nicht mehr das vor, was sie eigentlich brauchen: Bewegungsfreiheit, Bäume zum Klettern, Möglichkeiten, ihre Kräfte zu messen, die Freiheit, Abenteuer zu erleben, einmal etwas zu riskieren oder laut und wild zu sein. Viele Jungs dürfen heute noch nicht einmal mehr mit Stöcken spielen, weil man sich ja verletzen könnte. So aber lernen sie auch den behutsamen Umgang mit „gefährlichem Werkzeug“ nicht. Jungs erhalten Ergotherapie, weil sie keine Bäche mehr vorfinden, über die sie auf einem Baumstamm herüberbalancieren könnten – oder weil sie in einer Ganztagsschule eingesperrt sind, wo sie viel stillsitzen und wo sie sich ständig an irgendwelche Regeln halten müssen.
Die „externalisierende Störung“ ist oft nur gesundes Verhalten
Das, was bei den Jungen gelegentlich als „externalisierende Störung“ bezeichnet wird, ist nicht immer eine Störung – oft zeigt ihr Verhalten eigentlich etwas sehr Gesundes. Sie verhalten sich eben wie Kinder, denen es zu eng geworden ist, denen es an männlichen Vorbildern, gesunden Bindungen und Freiheit mangelt. Es sind die Erwachsenen, die sich daran „stören“ und die sich oft nicht die Mühe machen, eine „jungengerechtere Welt“ zu schaffen.
Links:
Marion Sonnenmoser:
Externalisierende Störungen bei Kindern und Jugendlichen: Kontrollverhalten,
Ungeduld und Ablehnung der Eltern können psychische Probleme verstärken
Deutsches Ärzteblatt, PP 1, Ausgabe April 2002, Seite 167
Trautmann-Villalba P, Gerhold M, Polowczyk M, Dinter-Jörg M, Laucht M, Esser G, Schmidt MH:
Mutter-Kind-Interaktion und externalisierende Störungen bei Kindern im Grundschulalter.
Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie 2001; 29: 263–273
Hudson JL, Rapee RM:
Parent-child interactions and anxiety disorders: an observational study.
Behaviour Research and Therapy 2001; 39: 1411–1427
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