
Der Patient sitzt vor uns und weint bitterlich. Wir jedoch fühlen uns wie versteinert. Wir versuchen, wenigstens mitfühlend dreinzublicken, aber so richtig mag es uns nicht gelingen. Es wird uns unangenehm und wir fragen uns, wie sehr der Patient merkt, dass wir hier nicht so richtig „bei ihm“ sein können. Wieso können wir manchmal mit einem Patienten nicht mitfühlen, obwohl sein Leid so offensichtlich ist? Wichtig ist, zu überlegen: Können wir grundsätzlich nicht mit dem Patienten mitfühlen oder nur an bestimmten Stellen oder in bestimmten Phasen? Wenn wir nicht mitfühlen können, fehlt dem Patienten unsere emotionale Resonanz, die so wichtig ist für den therapeutischen Prozess. Spüren wir genau hin: Wie fühlt sich dieses Nicht-Mitfühlen-Können an?Weiterlesen

„Was haben Sie nur so lange gemacht, dass Sie so alt dabei geworden sind?“, fragt der ältere Herr. Verzweifelt wird gesucht. Warum ein Jahr länger in der Schule? Warum Arbeitslosigkeit und laue Jobs? Warum immer noch nicht verheiratet? Warum keine Kinder? Die anderen sind schon lange weiter. Schamesröte steigt auf und mit ihr kommen diffuse Schuldgefühle. „Ja, was habe ich nur so lange gemacht?“ Die Antwort lautet: „Die anderen Kinder konnten spielen. Sie konnten ruhig schlafen. Während ich die Nächte in Angst und Schlaflosigkeit verbrachte. Das kostet Zeit.“ Traumatisierte brauchen länger. Sie können dieselben Ziele erreichen. Aber sie brauchen mehr Pausen.Weiterlesen

Da habe ich ein gemaltes Herz von meinem Kind. Es „bedeutet“ Liebe, es deutet auf die Liebe zwischen mir und meinem Kind hin. Das gemalte Herz ist ein Symbol. Die Liebe ist echt. Aber sie ist so schwer zu beschreiben. Symbole zeigen, was „eigentlich“ gemeint ist. Die Liebe ist „das Symbolisierte“, das Herz ist das Symbol. Ich als „Subjekt“ kann das Symbolisierte verstehen und mich darüber freuen, dass mein Kind mich liebt. Dazu braucht es eine Denkleistung, ein Verstehen. Das, was so schwer in Worte zu fassen ist, die Liebe, wird durch das Symbol dargestellt. Das Symbol verbindet uns. Ein Bild für die Gefühle von Zweien. Bei Menschen mit einer Psychose oder einer schizoiden Störung ist das Verstehen von Symbolen oft eingeschränkt. Oder umgekehrt: Die Betroffenen geben allem Möglichen eine symbolische Bedeutung und sind dann z.B. vor Scham kaum noch lebensfähig. Weiterlesen

„Immer, wenn ich mich wohlfühle, bekomme ich plötzlich Angst“, sagen wir vielleicht manchmal. Oder: „Ich bin morgens oft gut gelaunt und dann, ganz plötzlich, fühle ich mich wieder unzufrieden.“ Bei genauerem Hinsehen lässt sich oft erkennen, was die Stimmung umschlagen ließ. Doch wenn wir ein psychisches Leiden haben, finden wir eben oft keine Erklärung dafür. Weiterlesen
Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS, Emotional-instabile Persönlichkeitsstörung, Typ Borderline, ICD10: F60.31) wird mitunter definiert als ein Zustand zwischen Neurose und Psychose. Solltest Du diese Diagnose haben, dann leidest Du vielleicht unter mangelnder Impulskontrolle – es fällt Dir vielleicht sehr schwer, Deine Wut und andere starke Gefühle zu kontrollieren. Auch leidest Du möglicherweise unter einem brüchigen Selbstbild – Du hältst Dich selbst manchmal (heimlich) für ganz toll und manchmal für den letzten Menschen dieser Welt. So geht es Dir möglicherweise auch mit dem Bild von anderen. Dieser Abwehrmechanismus wird „Spaltung“ genannt. Weiterlesen

Bei einer Angstattacke fühlst Du Dich möglicherweise ganz schwach. Du zitterst und wenn Dich jemand fragt: „Was hast Du?“, kannst Du eigentlich gar nicht antworten. Es kann sein, dass Dir unglaublich schlecht ist. Du fühlst Dich möglicherweise komisch und alleingelassen. Im Gegensatz zur Furcht, die auf etwas Bestimmtes gerichtet ist und sich konkret anfühlt, ist die Angst vage und schwammig. Es ist Dir vielleicht noch nicht einmal klar, ob es sich um etwas „Inneres“ handelt oder um etwas „Äußeres“. Die Worte „Angst“ und „Enge“ hängen zusammen und während einer Angstattacke möchtest Du vielleicht nur noch weglaufen – raus an die frische Luft. Weiterlesen

Es beginnt am Anfang des Lebens, wenn der Schwangeren gesagt wird: „Schmerzen unter der Geburt müssen heute nicht mehr sein.“ Die Frau erhält eine Periduralanästhesie (PDA). Doch das Leiden ist nicht unbedingt nur gleich „Schmerz“: „Ich habe unter der Blasenlähmung durch die PDA gelitten und hinterher hatte ich höllische Kopfschmerzen“, sagt die junge Mutter nach der Geburt. Wir wollen so gerne Leiden beseitigen – doch schaffen wir dadurch oft auch neues Leiden. Dass der Geburtsschmerz – ebenso wie manch anderer Lebensschmerz – seinen Sinn haben kann, wird von vielen nicht so gesehen. Doch manchmal spüren wir diesen Sinn mitunter selbst – oft erst im Nachhinein. Weiterlesen