„Die Situation an sich ist so wie sie ist. Was sie so unerträglich macht, sind die Gedanken dazu. Unsere Bewertung entscheidet darüber, ob etwas gut ist oder schlecht“, hört man. Ich denke, dass es anders ist für Menschen, die frühe, schwere traumatische Erfahrungen gemacht haben – insbesondere, wenn der Körper mit einbezogen war. Da spürten sie genau: Zuerst ist da das Unerträgliche. Die Gedanken sind nur die Folge, um es zu begreifen. Sie hatten keinen anderen Menschen, der das Unerträgliche mit ihnen ertrug. Weiterlesen
Mal nüchtern ausgedrückt: Mit „Ich“ ist in der Psychoanalyse nach Freud eine „Struktur des seelischen Apparates“ gemeint. Wenn wir „Ich“ sagen, zeigen wir auf unsere Brust – dorthin, wo Herzschlag und Atem liegen. „Das Ich ist vor allem ein körperliches“ (Freud: Das Ich und das Es, 1923, Projekt Gutenberg). „Ich“ erlebe etwas, mir widerfährt etwas, ich denke, handele, entscheide. Dass mein Ich zwischen dem „Es“ und dem „Über-Ich“ (= dem Gewissen) steht, spüre ich im Alltag nur allzu häufig: Ich muss abwägen zwischen meinem Trieb (z.B. dem Drang, zur Toilette zu gehen oder den anderen zu schlagen) und dem Über-Ich, das mir sagt: „Du kannst jetzt nicht aus dieser Sitzung raus.“ Weiterlesen
In Psychoanalysen braucht man sehr viel Geduld – und den Glauben daran, dass das Wesentliche, um das es geht, schon auftauchen wird. Der britische Psychoanalytiker Wilfred Bion (1897-1979) gilt als der Psychoanalytiker, der für „Intuition“ steht. Gleichzeitig lässt er das Objektive, das Logische nicht aus dem Blick. Bions ehemaliger Analysand James S. Grotstein (1925-2015, Melanie-Klein-Trust) hat in seinem Buch „A Beam of Intense Darkness“ die wichtigsten Erkenntnisse Bions zusammengefasst (Wilfred Bions Legacy to Psychoanalysis, Karnac Books, 2007 und Kommentar von James Grotstein, Karnac). Weiterlesen
Wenn wir einen Tinnitus haben, befürchten wir vielleicht, verrückt zu werden, weil da was ist, was wir so absolut nicht wollen oder kontrollieren können. Der eigene Körper quält uns mit Tönen, Summen, Piepsen, Pochen und Geräuschen. Ohren kann man nicht verschließen, das ist ja schon im täglichen Leben so. Aber bei äußerem Lärm kann man sie sich zuhalten oder weglaufen. Da nutzen auch die zahlreichen Erklärungen nichts, etwa, dass jeder Ohrgeräusche habe, aber nicht jeder darauf höre. Das denke ich nicht. Ich denke, dass der Tinnitus tatsächlich ein „neuer Ton“ für den Betroffenen ist. Weiterlesen
Im zweiten und dritten Lebensjahr ist ein Kind in der „analen Phase“. In westlichen Ländern lernt es in dieser Zeit Stuhl und Urin bewusst zu halten oder abzugeben. Töpfchentraining ist dabei unnötig. Es reicht, ein Töpfchen bereitzustellen und dem Kind zu zeigen, wie man selbst auf die Toilette geht. Wenn es soweit ist, wird es ganz von selbst trocken. Stolz setzt es sich wie ein kleiner König auf sein „Thrönchen“. Der Schweizer Kinderarzt Remo Largo hat in der Zürcher Längsschnittstudie erforscht, wie lange ein Kind braucht, um trocken zu werden und warum die Angaben so unterschiedlich sind. Weiterlesen
Wer als Kind schwere Bindungstraumata erlitten hat, der findet häufig nicht so leicht einen Partner – auch, wenn er/sie nicht daran denkt, bleibt der Partner fern. Nach Zärtlichkeit, Nähe und Berührung sehnt sich wohl jeder Mensch. Doch ist die intime Zweierbeziehung nach Erfahrungen von Gewalt und Vernachlässigung in der frühen Kindheit oft schwer erträglich. Vielleicht bemerken wir: Sobald sich eine Partnerschaft anbahnen könnte, werden ungute Gefühle in mir wach, die so diffus, unangenehm und schwer zu beschreiben sind, dass ich mir auf einmal wünsche, wieder allein zu sein und meine Ruhe zu haben. Es folgen die Wut und der Gedanke: „Mist! Irgendwie klappt es schon wieder nicht mit der Anbahnung, mit dem Flirten, mit der Begegnung.“ Doch die Gründe dafür, warum es nicht klappt, bleiben lange im Verborgenen. Weiterlesen