Postpartale Depression: Auswirkungen auf die Kinder

Wenn du in der Schwangerschaft und nach der Geburt unter Depressionen leidest, befürchtest du vielleicht, dass dein Kind Schaden nehmen könnte. Doch allein schon deine Furcht hat einen schützenden Effekt: Du setzt Dich bewusst mit Deiner Psyche auseinander und denkst über Dein Kind nach. Daher lass Dich nicht zu sehr verunsichern von dem, was so manche Studie herausgefunden hat. Jedes Mutter-Kind-Paar, jede Situation ist sehr individuell und durch deine Auseinandersetzung mit dem Thema kannst Du schon viel bewirken. Vielleicht hilft Dir Dein Wissen auch bei der Selbstbeobachtung.

Studien haben herausgefunden:
. Das Risiko für eine Frühgeburt kann bei Depressionen in der Schwangerschaft erhöht sein. Das Geburtsgewicht ist vielleicht verringert (Grote NK et al., 2010)
. Der Fötus einer depressiven schwangeren Frau ist motorisch besonders aktiv (Kinsella MT und Monk C, 2009)
. Viele depressive Mütter kommunizieren mit ihren bis zu sechs Monate alten Babys relativ wenig: sie sprechen weniger mit ihren Babys als Frauen ohne Depression und nehmen auch weniger Blickkontakt auf. Das Kind wiederum schreit vermehrt, wendet sich öfter ab und gedeiht unter Umständen schlechter (Field, Tiffany 2009).
. Die Kinder depressiver Mütter sind später eher unsicher gebunden und entwickeln sich kognitiv, emotional, verbal und sozial möglicherweise schlechter als Kinder von nicht-depressiven Müttern (Brand, Sarah und Brennan, Patricia 2009). (Hier musst du auf jeden Fall auch deine soziale Schicht berücksichtigen: Mütter aus unteren sozialen Schichten mit mehr Gewalt in der Familie sind wahrscheinlich häufiger betroffen.)
. Bis zum Alter von 16 Jahren ist das Risiko von Kindern depressiver Mütter, an einer „affektiven Erkrankung“ (also z.B. eine Depression) zu leiden viermal höher als bei Kindern von Müttern ohne Depression (Pawlby S et al. 2009)

Schuldgefühle

Die meisten Mütter bemerken ihre Probleme und fühlen sich dadurch schuldig. Doch die Situation hat man sich nicht ausgesucht. Jedes Mutter-Kind-Paar ist individuell, sodass eine Depression der Mutter nicht automatisch nur tragische Folgen für sie und das Kind hat. Peripartale Depressionen können besonders dann leicht entstehen, wenn die Mutter selbst eine schwere Kindheit hatte, wenn es Partnerkonflikte gibt, es an Geld fehlt oder wenn der Vater abwesend ist – kurzum immer dann, wenn die Mutter nicht ausreichend bemuttert wird.

Zwar gibt es inzwischen relativ viele Hilfsangebote, doch sie sind nicht immer nah. Zur ersten Orientierung empfehlenswert sind die Websites www.schatten-und-licht.de und www.familienhebamme.de. Auch kann eine psychoanalytische Therapie sehr hilfreich sein. Hierdurch können häufig Schwierigkeiten bearbeitet werden, die schon seit längerem bearbeitet werden wollen. Adressen von Tiefenpsychologen gibts hier: www.dgpt.de.

Einige Studien (z.B. Lynne Murray et al. 2010) weisen darauf hin, dass schon das frühe Zusammenspiel zwischen Mutter und Kind Einfluss darauf haben kann, ob Kinder später depressiv werden oder nicht. Dr. Lynne Murray hat mit ihrem Team Mütter und Kinder im ersten sowie im fünften Lebensjahr zusammen beobachtet. Zu den Studienteilnehmerinnen gehörten 29 Mütter mit postpartaler Depression und 20 Mütter, denen es gut ging. Die Wissenschaftler untersuchten, in welchem Maß die Mütter auf ihre Kinder eingehen konnten bzw. wie sehr sie sich ihnen entzogen. Jahre später untersuchten die Forscher die Cortisolwerte im Speichel der inzwischen 13-jährigen Kinder.

Das Ergebnis: Wenn sich die Mutter ihrem Baby vermehrt entzog, fanden sich später erhöhte Cortisolwerte im Speichel der 13-jährigen Kinder. War das Kind schon fünf Jahre alt, während sich ihm die Mutter vermehrt entzog, fanden sich keine erhöhten Cortisolwerte bei dem 13-jährigen Kind. Dieses Studienergebnis weist darauf hin, dass besonders das frühe Zusammenspiel zwischen Mutter und Kind Auswirkungen auf die emotionale Entwicklung des Kindes haben kann.

Wenn du vielleicht als Betroffene all das liest, bist du wahrscheinlich noch besorgter als du es sowieso schon bist. Studien wie diese sind einerseits sehr ernst zu nehmen – machen sie doch einmal mehr darauf aufmerksam, wie wichtig der Kontakt zwischen Mutter und Baby ist. Sie machen aber auch deutlich, wie unerlässlich ein gutes Unterstützungsangebot für Mütter ist. Andererseits solltest du immer bedenken, dass Studien wie diese nur einen kleinen Ausschnitt aus einem großen Gesamtbild zeigen. Wie wichtig die frühe Mutter-Kind-Beziehung ist, ist überall zu lesen. Doch das Leben besteht nicht nur aus diesem frühen Abschnitt. Das Leben verläuft nie ideal und fast alle Mütter geben ihr Bestes. Entwicklungen sind immer möglich und Zeiten des Nachreifens gibt es auch.

Verwandte Artikel in diesem Blog:

Studien:

Murray L et al. 2010:
Disturbances in early parenting of depressed mothers and cortisol secretion in offspring: a preliminary study.
Journal of Affective Disorders 2010 May;122(3):218-23
doi: 10.1016/j.jad.2009.06.034
J Affect Disord. 2010 May;122(3):218-23. Epub 2009 Jul 25.

Halligan SL et al. 2007:
Disturbances in morning cortisol secretion in association with maternal postnatal depression predict subsequent depressive symptomatology in adolescents.
Biol Psychiatry 2007 Jul 1;62(1):40-6
doi: 10.1016/j.biopsych.2006.09.011
Biol Psychiatry. 2007 Jul 1;62(1):40-6. Epub 2006 Dec 22

Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 19.6.2012
Aktualisiert am 29.3.2025

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