Einschlafphänomene: Hypnagoge Zustände und Halluzinationen führen vom Wachen in den Schlaf, Klarträume finden sich oft vor dem Aufwachen

Wenn wir einschlafen, haben wir eine Phase, in der schwebende Bilder entstehen. Nach einem schlechten Tag verfolgen uns die Szenen. Wenn es uns gut geht, bemerken wir die Bilder kaum bewusst. Während wir zunächst noch in Worten denken, gehen die Wortgedanken beim Einschlafen in Bildgedanken über. Diese Phase zwischen Wachen und Träumen ist ein „Hypnagoger Zustand“ (hypnos = griechisch: Schlaf, ago = treiben, führen).

Zuerst ist dieser Zustand instabil: Die Bilder (hypnagoge optische Halluzinationen) zerfallen leicht. Je näher wir an das Einschlafen kommen, desto stabiler werden die Bilder oder Hör-Eindrücke (hypnagoge akustische Halluzinationen). Wir meinen vielleicht zu hören, wie jemand unseren Namen ruft. Im Wachen können wir uns Geräusche und Bilder vorstellen. Beim Einschlafen ist es ähnlich wie in der Vorstellung, nur sehr viel klarer. Im Klartraum (= luziden Traum) erlebt der Träumende den Traum als etwas, das er steuern kann. Es besteht eine Art Abstand zwischen Träumer und Traum. Oft kommt der Klartraum eher in den Morgenstunden vor, wenn sich schon wieder mehr Bewusstsein in den Schlaf mischt. Wenn wir abends nach dem Einschlafen in unsere erste Tiefschlafphase kommen, sind wir hingegen „ganz Traum“.

Abends übermannt uns der Schlaf

Beim Einschlafen sehen wir vielleicht Blitze, Dreiecke, Kreise, Objekte, Gesichter oder Fratzen. Über die Netzhaut der Augen nehmen wir beim Einschlafen die optischen Eindrücke wahr, die durch das geschlossene Augenlid entstehen. Wenn von draußen noch Lichter auf unsere Lider fallen, dann „sehen“ wir diese Lichter. Im Laufe des Einschlafens formen sich daraus Bilder. Manchmal sind diese Bilder so verwirrend, dass wir die Augen wieder öffnen, um den Gesichtern, Augen und Fratzen zu entfliehen.

Wenn wir jedoch sehr müde sind, dann konzentrieren wir uns nicht länger darauf und schlafen ein. Aus den Halluzinationen beim Einschlafen entsteht häufig ein Traum. Wenn man morgens schon wach ist und wieder „eindöst“, kann daraus ein Klartraum werden, den wir steuern können.

Der Psychoanalytiker Herbert Silberer (1882-1923, Wikipedia) hat beobachtet, was passiert, wenn man beim Einschlafen versucht, so lange wie möglich bewusst weiter zu denken. Er schloss aus seinen Beobachtungen, dass die aufkommenden Halluzinationen automatisch zu adäquaten Symbolen dessen führen, was man gerade denkt oder fühlt. (Aus dem Englischen von Aaron Mishara, 2010 (S. 7): „Encouraged by this observation, he conducts introspective experiments observing what happens while attempting to maintain cognitive effort as best he can while falling asleep. He [Silberer] concludes that the hallucination ‚… puts forth ‚automatically“ … an adequate symbol of what is thought (or felt) at a given instant.“)

Luzide Träume = Klarträume: Hier können wir unseren Traum steuern

„Klarträumen“ ist das bewusste Bemerken und Steuern eines Traumes während des Traumes. Klarträumen findet auf der Schwelle zwischen Schlafen und Wachen statt, häufig in den frühen Morgenstunden. Beim Träumen und Klarträumen ist unser angestrengtes Denken weitgehend ausgeschaltet, der präfrontale Kortex (Vorderhirn-Rinde = vereinfacht: Sitz von Persönlichkeit, Verstand und bewusster Steuerung) hält sich zurück. Die Dinge passieren auf der Ebene der Emotionen, der Leichtigkeit (die Muskeln sind entspannt), der geträumten Bewegungen, Bilder und Sinneswahrnehmungen.

Manche benutzen das Klarträumen zur Steigerung ihrer Leistung: Musiker und Sportler rufen sich die Bilder von schwierigen Passagen hervor und bewältigen sie im Klartraum mit Leichtigkeit, was auch die tatsächlichen Fähigkeiten im Wachen steigert. Auch in der Psychotherapie und Medizin wird das Klarträumen zur Problembewältigung und Heilung genutzt. Das kann wortwörtlich sehr heilsam sein. Doch wir sollten schauen, dass unser wertvoller, zweckloser Schlaf, nicht auch noch zur Selbstoptimierung „verplant“ wird. Spielende Kinder lieben das wissenlose und gedankenlose Spiel – pädagogische Spiele, die einen Zweck erfüllen, können diese Freude dämpfen.

Wenn mehr Bewusstsein in den Traum kommt

Im tiefen Traum nehmen wir alles kritiklos hin. Für das kritische Denken ist das Frontalhirn zuständig – seine Aktivität ist sowohl beim Träumen als auch in der Psychose reduziert. Insbesondere in der REM-Phase (Rapid-Eye-Movement-Phase) des Schlafs ist die Aktivität des Frontalhirns herabgesetzt. In der REM-Phase sind die Träume häufig besonders aktiv, aber wir merken nicht bewusst, dass wir träumen. Wenn Forscher das präfrontale Gehirn während der REM-Phase elektrisch stimulieren, dann kann der Träumer seinen Traum als Traum wahrnehmen. So wird künstlich „Luzides Träumen“ hergestellt.

Schon in der „Traumdeutung“ von Sigmund Freud wird der luzide Traum beschrieben, aber nicht so genannt: „Der Marquis d’Hervey (Vaschide, S. 139) behauptete, eine solche Macht über seine Träume gewonnen zu haben, dass er ihren Ablauf nach Belieben beschleunigen und ihnen eine ihm beliebige Richtung geben konnte. Es scheint, dass bei ihm der Wunsch zu schlafen einem anderen vorbewussten Wunsch Raum gegönnt hatte, dem, seine Träume zu beobachten und sich an ihnen zu ergötzen.
Mit einem solchen Wunschvorsatz ist der Schlaf ebensowohl verträglich wie mit einem Vorbehalt als Bedingung des Erwachens (Ammenschlaf). Es ist auch bekannt, dass das Interesse am Traum bei allen Menschen die Anzahl der nach dem Erwachen erinnerten Träume erheblich steigert.“
Sigmund Freud, Die Traumdeutung, Psychologie Fischer, 11. Auflage 2003: S. 561

Wenn wir wach sind, dann gewollt wieder einschlafen und dadurch einen Klartraum einleiten, spricht man von einem „Wake-Initiated Lucid Dream“, WILD. Diese Technik wird auch „Klarheit-bewahrende Technik“ (KLB-Technik) genannt.

Verwandte Artikel in diesem Blog:

Links:

Wolfgang Leuschner (2011):
Einschlafen und Traumbildung
Psychoanalytische Studie zur Struktur
und Funktion des Ichs und des Körperbildes im Schlaf
Brandes & Apsel, 2011, Sigmund-Freud-Buchhandlung

Silberer, Herbert (1919):
Der Traum. Einführung in die Traumpsychologie.
Stuttgart (Enke)
Bonset, Amsterdam, 1966
Sigmund-Freud-Buchhandlung

Silberer, Herbert (1919):
Zur Entstehung der Symbole. 
Vortrag, 20. Nov. 1919 in der Großloge Wien

Schredl, Michael (2018):
Traumerleben und Wacherleben.
Schlaf 2018; 07(01): 13-17. DOI: 10.1055/s-0038-1641698
www.thieme-connect.com/…1698

KT-(Klarträumen)-Forum

Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 25.11.2017
Aktualisiert am 7.11.2024

2 thoughts on “Einschlafphänomene: Hypnagoge Zustände und Halluzinationen führen vom Wachen in den Schlaf, Klarträume finden sich oft vor dem Aufwachen

  1. BraveDave sagt:

    @Runas meint

    Hypnagoge Halluzinationen sind harmlos, musst dir dabei keine Sorgen machen! Anders als bei Halluzinationen bei Psychosen oder Schizophrenie die bei Wahnvorstellungen auftreten, wo der Patient den Bezug zur Realität verliert;

    Ist es bei der Hypnagogie nicht der Fall, der Betroffene weiß das es Irreal ist und es tritt nur beim Schalf auf. Häufig kommt es vor wenn man nicht ausreichend Schlaf hat, sodass die Person zu schnell in die REM-Phase kommt, obwohl sie noch halbwach ist.

    Mach dir keine Sorgen, einfach mal durschlafen, dann vergeht es von alleine. Wird auch jeder Artzt bestätigen das die Hypnagogie ungefährlich und harmlos ist.

  2. Runas sagt:

    Was ist, wenn diese Bilder in der Kindheit auftraten, seit dem Jugend- und Erwachsenenalter jedoch nicht mehr.

    Trotz Meditation, Schlafhygiene, ausreichend Schlaf und Aufenthalt im Sonnenlicht/Freien?

    Kann es an Impfungen liegen, Amalgam, EMF?

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