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52 Wie werde ich Psychoanalytiker*in? „No memory, no desire, no understanding“ – geht das in der Ausbildung?

„No memory, no desire, no understanding“ (nichts erinnern, nichts wünschen, nichts verstehen) – wenn es dem Psychoanalytiker gelingt, diese Haltung einzunehmen, kann er sich ganz auf das Hier und Jetzt der Analyse-Sitzung einlassen. Geprägt wurde der Begriff von Wilfred Ruprecht Bion (1897-1979). Doch in der Ausbildung zum Psychoanalytiker ist man häufig so angespannt, dass diese Haltung ein Ding der Unmöglichkeit zu sein scheint. Anstatt sich der Stunde abwartend und wunschlos hinzugeben, denkt der Ausbildungskandidat: „Ich muss dem Patienten doch jetzt eine kluge Deutung geben, damit er bei mir bleibt. Schweige ich schon zu lange? Was wohl der Supervisor dazu sagen wird? Wann der Patient wohl endlich dazu bereit sein wird, sich auf die Couch zu legen? Und wann war nochmal das nächste Gespräch mit der Bank?“

Fest steht: Diese Gedanken und Ängste lassen sich nicht ausschalten. So manche Analyse-Stunde ähnelt einer Meditation, in der man versucht, die negativen Gedanken irgendwie handzuhaben. Aufziehen und wieder gehen lassen? No way. Also bleibt einem manchmal nichts anderes übrig, als sich von diesem hohen Ideal zu verabschieden und sich mit seinen Ängsten und Sorgen näher zu befassen. „If you don’t have a stomach for anxiety, you’re in the wrong profession“, sagt die Psychoanalytikerin Edna O’Shaugnessy in dem Film „Encounters through Generations“.

Die Ängste, Sorgen und Abhängigkeiten sind da, die Regeln und Erwartungen ebenfalls. Es macht unzufrieden, wenn man mit dem Patienten immer nur unter Druck zusammen ist.

Es hilft vielleicht die grundsätzliche Einstellung, dass die Psychoanalyse-Ausbildung lange dauern kann – sehr lange. Die Geldsorgen mögen drücken, aber es lassen sich immer wieder neue Wege finden. „Schau nicht auf die Früchte“, höre ich meinen Yogalehrer sagen. In jeder Stunde gilt es, gute Arbeit zu leisten – so gut, wie es einem möglich ist. Irgendwann hält man auf einmal eine reife Frucht in der Hand und man ist völlig überrascht.

Wenn man das Ziel, Analytiker zu werden, nicht ständig anstarrt, dann kann man schon in der Ausbildung ein guter Analytiker sein.

Jede Psychoanalysestunde bringt einen weiter – sowohl die eigene Lehranalyse als auch die Patientenbehandlung und die Supervision. Das, was man dadurch gewinnt, geht nicht mehr verloren. Als Autorin denke ich manchmal: „Egal, was passiert: Ich kann ja darüber schreiben.“ Ähnlich ist es in der Psychoanalyse-Ausbildung: Hier geschieht nichts, was einen nicht persönlich weiterbringen würde.

Wünschen

„Wünsche dir alles, erwarte nichts und werde reich beschenkt“ – so heißt das Buch des Yogalehrers Sriram. Bücher wie diese können in der Ausbildung sehr inspirieren. Aus diesem Buch habe ich ein wenig diese Einstellung gewonnen: „Wenn ich sorgfältig arbeite und das mir Mögliche tue, dann werde ich sehen, wohin es geht.“ In der Ausbildung lernt man die persönlichen Schwächen kennen. So kann auch der Zweifel daran wachsen, ob man diesem Beruf überhaupt gewachsen ist.

Es gibt ein schönes Video der gehörlosen Schlagzeugerin Evelyn Glennie. Sie wurde zunächst nicht an der Musikhochschule angenommen. Sie sagt: „Ich konnte das nicht akzeptieren. An der Musikhochschule abgelehnt zu werden, nur, weil ich nicht hören kann, sah ich nicht ein.“ (TED-Talk 2007: Wie man hinhört)

Man kann das Zusammenspiel von Ausbildungssituation und der Haltung „no memory …“ als eine sportlich-geistige Herausforderung sehen. Es hilft dabei tatsächlich, das Meditieren zu üben. Es lässt sich immer wieder zurück zum eigenen Atem finden, auch, wenn der innere und äußere Aufruhr groß ist. Es entstehen immer wieder zutiefst befriedigende Stunden, die das Gefühl aufkommen lassen: Jetzt ist es gut so wie es ist.

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Dieser Beitrag wurde erstmals verfasst am 17.5.2017
Aktualisiert am 21.8.2022

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