Neurodermitis und andere Ekzeme: „Ich fühle mich so aufgekratzt!“

Es sticht, es juckt, es tut weh – die Kleidung schmerzt auf der Haut, es nässst. Es ist kaum möglich, sich in seiner Haut wohlzufühlen, wenn sie so entzündet ist. Der ganze Körper fühlt sich schlecht an. Neurodermitis wird auch als endogenes oder atopisches Ekzem bezeichnet. Sowohl die Oberhaut als auch die darunterliegende Lederhaut sind von der Entzündung betroffen, die sich durch starken Juckreiz auszeichnet.

Die Haut ist unser größtes Sinnesorgan. Mit ihr grenzen wir uns ab und nehmen gleichzeitig Kontakt zu anderen auf. Der Tastsinn ermöglicht über die Mechanorezeptoren die Empfindung von Druck und Berührung. Der Temperatursinn warnt uns vor zu heißer oder zu kalter Umgebung, der Schmerzsinn bewahrt uns durch seine Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren) vor Verletzungen. Die meisten Rezeptoren in der Haut sind Schmerzrezeptoren. Die Haut setzt sich zusammen aus der Oberhaut mit der Hornschicht, der Lederhaut, die sämtliche Rezeptoren enthält und der Unterhaut, die mit ihren Fettzellen das Wasser speichert. Permanent geben Schweiß-, Duft- und Talgdrüsen aus der Lederhaut Sekrete ab, die die Haut befeuchten, schützen und Signale senden. Sind wir angespannt oder können wir jemanden „nicht riechen“, kann der Schweiß innerhalb weniger Sekunden scheußliche Geruchsnoten annehmen.

Bei Neurodermitis sind sogenannte T-Suppressorzellen fehlgesteuert. Sie sorgen normalerweise dafür, dass überschießende Entzündungsreaktionen gestoppt werden. Sind diese Zellen nicht aktiv, so können Entzündungen ihren freien Lauf nehmen. Sobald sich Antigene und Ig-E-Antikörper als Komplex mit den Mastzellen verbinden, schütten die Mastzellen den Stoff Histamin aus. Er führt zu Juckreiz. Manchmal besteht auch ein Mastzellaktivierungssyndrom (MAS, Wikipedia).

Cremes sind hauptsächlich wasserhaltig, Salben größtenteils fetthaltig. In der akuten, nässenden Phase der Neurodermitis sollten keine fettreichen Salben angewendet werden.

Ganzheitliches Yoga, also einschliesslich Ernährungsmedizin und Atemübungen (Pranayama) ist oft sehr hilreich – hier braucht man jedoch viel Geduld. Auch unter dem Stichwort „Psychodermatologie“ kann man Interessantes entdecken. Manchmal bessert sich die Neurodermitis auch durch Psychotherapie, insbesondere, weil chronische Wut langsam abnehmen kann. Auch das Älterwerden bringt häufig Erlösung. Nicht selten wandert das Ekzem von den Ellbeugen im Kindesalter zu den Händen im Erwachsenenalter. Warum sich die Neurodermitis-Stellen genau dort befinden, wo sie sich befinden, ist noch nicht genau erforscht.

Tacrolimus: Eine Alternative zum Cortison ist der Wirkstoff Tacrolimus, ein Stoff, der aus dem Pilz Streptomyces tsukubaensis gewonnen wird. Diese Salbe verdünnt die Haut nicht, kann jedoch zu Hautreizungen führen und sollte nur wenige Wochen angewendet werden. Eine weitere entzündungshemmende Alternative ist der Wirkstoff Bufexamab.

Für die Grundpflege eignen sich wirkstofffreie Cremes oder Cremes auf naturheilkundlicher Basis mit Wirkstoffen wie Aloe Vera, Nachtkerzensamenöl (Gamma-Linolensäure), Kieselsäure (Kieselerde, Algen) oder Harnstoff (Urea). Harnstoffpräparate sollten jedoch nicht bei nässenden Ekzemen angewendet werden.

Viele Neurodermitiker vertragen Orangen, Zitronen oder Mandarinen nicht so gut. Auch Fruchtsäfte können zu Hautreizungen führen. Am geeignetsten ist eine natürliche, konservenfreie Ernährung mit herkömmlichen Lebensmitteln. Dazu gehört auch, die Margarine stehen zu lassen und zur guten alten Butter zurückzugreifen – sie ist für Allergiker oft verträglicher. Wer einer Milcheiweiß-Unverträglichkeit mit Sojaprodukten begegnen will, fällt oft vom Regen in die Traufe. Denn viele, die Milcheiweiß schlecht vertragen, reagieren noch stärker auf Soja-Eiweiß.

Sogenannten Nahrungsmittelallergien liegt häufig nicht wirklich ein allergischer Mechanismus zugrunde. Meist handelt es sich um „Unverträglichkeiten“. Häufig kann man selbst den Zusammenhang zwischen bestimmten Lebensmitteln und einer Hautverschlechterung zurückverfolgen. Eine ständige Nahrungsmittelkontrolle kann die seelische Anspannung jedoch verstärken, was sich wiederum negativ auf die Haut auswirkt.

Nahrungsmittelprovokationstestung

Das einzig wissenschaftlich fundierte Verfahren, eine Nahrungsmittelallergie nachzuweisen, ist die Nahrungsmittelprovokationstestung nach einer Auslassdiät. Nach einigen Tagen Kartoffel-Reis- oder Reis-Broccoli-Diät werden im Abstand von zwei Tagen Nahrungsmittel in Kapselform zugeführt. Kommt es zu einer Hautreaktion, wird ein Plazebo, also eine nahrungsmittelfreie Kapsel, gegeben. Verschwindet die Hautreaktion unter Plazebogabe, wirkt das Nahrungsmittel tatsächlich hautverschlechternd und sollte gemieden werden. Diese Suchdiät wird am besten in einer darauf spezialisierten Klinik durchgeführt. Adressen gibt es beim Deutschen Allergie- und Asthmabund.

Probiotika

Probiotika sind Bakterien (z.B. Lactobacillus) und Pilze, die als Nahrungsmittelzusätze die Darmflora positiv beeinflussen. Eine finnische Untersuchung konnte nachweisen, dass Kinder, die im ersten Lebenshalbjahr Lactobacillus erhalten, mit zwei Jahren seltener an einer Atopie erkranken als die Kinder, die kein Lactobacillus-Präparat erhalten. Bevor jedoch die Lactobacillus-Gabe allgemein empfohlen werden kann, sollten weitere Studien den Nutzen bekräftigen.

Psychische Ursachen

Hautprobleme ziehen oft psychische Probleme nach sich. Neben Jucken, Schmerzen und Schlaflosigkeit, ist die ständige Auseinandersetzung mit dem unschönen Hautbild schwierig. Beziehungsschwierigkeiten, chronische Wut und Trennungsängste können eine Neurodermitis verschlimmern und manchmal auch auslösen. Es kann hilfreich sein, einmal zu schauen, was passiert ist, als der neue Schub kam: Stand ein Umzug an, war die Arbeitsstelle in Gefahr, wurde ein Geschwisterchen geboren, gab es Partnerschaftsprobleme?

Viele Bemühungen sind „umsonst“

Wenn es juckt, versuchen wir es vielleicht mit Meditation. Aber der Juckreiz macht uns so rasend, dass Meditation genau so wenig möglich ist wie das Einschlafen. Wir wälzen uns im Bett und werden schier verrückt. Trockene, nässende Haut, schmerzende , rote, raue Haut. Manchmal, wenn wir uns dann endlich doch kratzen, dann hat es für einen Moment lang etwas Befreiendes. Manche sagen, es hat etwas Erregendes. Doch statt eines „Orgasmus“ kommt nach einer kurzen Ruhepause der Schmerz.

„Nie wieder will ich kratzen“, denken wir – so weh tut das. „Wenn die Urtikaria beginnt, ist es, als kämen von innen 1000 Nadelstiche überall“, sagt eine Freundin.

Oft greifen wir dann doch zur Cortisoncreme, den Hormonpräparaten in den Wechseljahren, den Antihistaminikum-Tabletten, Antidepressiva und Immunsuppressoren. Was wir nicht wollten, probieren wir dann doch. Doch wir spüren, dass es uns „herunterfährt“, dass es zeitweise erleichtert, uns auf Dauer aber vielleicht auch nicht gut tut. Wir überlegen: Was geht denn noch? Der Juckreiz, der verwandt ist mit dem Schmerz, macht, was er will. Und meistens will er erstmal bleiben. Warten und Beobachten hilft irgendwann meistens doch.

Verwandte Artikel in diesem Blog:

Links:

Yoga Shakti
One Mudra for all Skin problems
Varun Mudra – Gesture of Water
www.youtube.com/watch?v=IO8nImScCzU

Karen Fisher
The Eczema Diet
www.eczemalife.com/

Erika von Mutius (2002)
Risk Factors for Atopic Dermatitis
In: Atopic Dermatitis
Edited By Thomas Bieber and Donald Y. M. Leung
doi.org/10.3109/9780203908877
www.taylorfrancis.com/…

Standl M et al. (2015):
Multi-ethnic genome-wide association study of 21,000 cases and 95,000 controls identifies 10 novel risk loci for atopicdermatitis.
Nature Genetics 2015, DOI:10.1038/ng.3424.
dash.harvard.edu/entities/publication…

Acarophilie: Sexuelle Lust durch Kratzen
www.freakypedia.com/term/acarophilia/

Debby Herbenick et al. (2018):
Orgasm Range and Variability in Humans: A Content Analysis
International Journal of Sexual Health, Volume 30, 2018 – Issue 2
https://doi.org/10.1080/19317611.2018.1491920
www.tandfonline.com/doi/…..920

Psychosexual Stimulation: Sex Differences
Volkmar Sigusch, Gunter Schmidt, Antje Reinfeld, Ingeborg Wiedemann-Sutor
The Journal of Sex Research 1970: 6 (1): 10-24
www.tandfonline.com/…

„Ohne Perversion wäre die Liebe Ödnis“
Von Klaus Podak
Süddeutsche Zeitung, 19.5.2010
www.sueddeutsche.de/kultur….

Alfred Charles Kinsley (1894-1956)
Amerikanischer Sexualforscher
de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Charles_Kinsey

Jorge Ulnik:
Skin in Psychoanalysis
Karnac Books 2007

Dieser Beitrag erschien erstmals am 13.1.2006
Aktualisiert am 23.3.2025

4 thoughts on “Neurodermitis und andere Ekzeme: „Ich fühle mich so aufgekratzt!“

  1. modean sagt:

    Hallo Frau Voos,

    aus eigener Erfahrung weiss ich, dass das atopische Ekzem und dessen Behandlung ein sehr komplexes Feld ist und man. sich mit diesem entsprechend differenziert auseinander setzen muss.

    Die Tacrolimus Präparate (z.B.) liegen beispielsweise in aller Regel als fettige Salben vor. Das führt dazu, dass man nach der Anwendung glänzt wie eine Speckschwarte. Ergo ist die Anwendung nur am Abend sinnvoll. Vor allem wenn man das Ekzem am ganzen Körper, respektive im Gesicht hat.

    Sprich der Wirkstoff kommt nicht alleine als solcher daher, sondern die Darreichungsform hat mitunter massive kosmetische Nachteile.

    Gleichzeitig ist laut meinem letzten Kenntnisstand die Langzeitwirkung einer topische Anwendung eines Imnunsupresivas immer noch nicht ausreichend beforscht. Bei Menschen die ein Organtransplantat erhalten haben, ist die innerliche Langzeiteinahme des gleichen Wirkstoffes meines Wissens aus gutem Grund zeitlich beschränkt oder muss zumindest engmaschig kontrolliert werden.

    Ich habe damals letztlich entnervt die diversen Tacrolimus abgesetzt und bin nach ärztlicher Rücksprache wieder auf Kortisonpräperate gewechselt. Auch da Tacrolimus Präparate ebenso Nebenwirkungen haben.

    Das Ekzem kam bei mir schliesslich nahezu, bis auf sehr wenige zeitlich & lokal begrenzte Erscheinungen im Jahr, zum Erliegen. Dies lange nachdem ich sämtliche Punkte, die oben abgehandelt werden (z.B. Nahrungsmittelallergie), erfolglos abgearbeitet habe.

    Der Zeitpunkt als ich ekzemfrei wurde korreliert mit einer Veränderung in meinem persönlichen Umfeld. Meine Eltern haben mit mir nämlich ob eines Umzuges nicht mehr im selben Haus gewohnt und siehe da zwei Jahre später konnte ich jegliche Salben absetzen.

    Man kann nun lange darüber diskutieren was kausal-ursaechlich ist und was nur korreliert aber offensichtlich sind manche Dinge im Leben eben zum aus der Haut fahren und da man dies nicht sprichwörtlich kann, es sei den man zieht sich die Haut ab, wird die Haut eben durch ein Ekzem etc. pp in Mitleidenschaft gezogen.

    Gleichzeitig stellt natürlich meine persönlich Erfahrung nicht die anderen Ursachen, wie oben beschrieben in Frage. Meine Erfahrung zeigt denke ich lediglich, dass das atopische Ekzem ein sehr komplexes, oft nicht verstandenes Feld ist.

    Viele Grüsse
    modean

  2. Fips sagt:

    Regelmäßige Luftveränderung hilft auch sehr. Reizklima. Nordsee/Ostsee. Wer an der Küste lebt, nimmt den Gegensatz Berge, je höher der Ort liegt, umso besser.

  3. Claudia Soll sagt:

    Ich war schon immer eine besorgte Mutter, sobald es meinen Kindern etwas schlechter ging, war ich sofort da. Dementsprechend schockiert war ich als bei meinem jüngsten Sohn eine Hausstauballergie festgestellt wurde. Sofort habe ich im Internet nach Tipps und Ratschlägen gesucht und bin dabei auf dem Blog http://hausstaub-milben-allergie.de/ gestoßen. Die Geschichte von der Mutter ging mir sichtlich an die Nieren. Die Mutter hat da das Mittel Milbiol empfohlen. In der Apotheke habe ich dieses Mittel zwar nicht gefunden, aber den Nachfolger Milbopax. Ich habe dies natürlich sofort gekauft und zuhause das Bett eingesprüht. Unser Sohn konnte seit langem mal wieder ordentlich durchschlafen – genauso wie ich.

  4. Geli sagt:

    Hallo zusammen,

    danke für den tollen Beitrag! Vor allem gefällt mir, dass ihr auch auf die Psyche eingegangen seid – die spielt nämlich eine wichtige wichtige Rolle! Wer mehr Infos braucht zu ND-betroffenen Babys, hab hier welche gefunden: Neurodermitis beim Baby. Drück euch allen die Daumen!! Probiert verschiedene Sachen aus bei jedem hilft was anderes!

    Lass euch liebe Grüße da,

    Geli

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