„Minus K“ (-K) nach Bion: Nichtwissen als Abwehr
Manchmal will man nicht wissen, was die andere Person denkt und fühlt. Zu schrecklich könnte das Ergebnis sein. Ein kleines Kind, das mit einer gewalttätigen Mutter aufwächst, kann das oft nur aushalten, indem es die bösen Teile der Mutter ausblendet. Es beobachtet zwar die Mutter genau, es weiß immer besser, wann es mit ihrer Wut zu rechnen hat, aber es ist nicht wirklich frei, empathisch zu sein. Dieses Kind geht dem Wissen um den wirklichen emotionalen Zustand der Mutter aus dem Weg. Es will vieles gar nicht erspüren können und zieht das Nichtwissen vor, denn die Wahrheit erscheint zu bedrohlich, solange das Kind noch abhängig von der Mutter ist.
Der britische Psychoanalytiker Wilfred Ruprecht Bion (1897-1979) liebte es, psychische Zustände und Vorgänge in Buchstaben und Formeln auszudrücken. Das fehlende Wissen – hier durch „absichtliches Nicht-Wissen-Wollen“ – bezeichnete er mit dem Buchstaben „-K“ (Bion, 1962; K = Knowledge, minus K = fehlendes Wissen, negatives Wissen).
Der Psychoanalytiker André Green (2002) nennt denselben Vorgang die „Phobische Position“. In diesem Zustand will man das Denken und Fühlen vermeiden, z.B. wenn man sich zu alleine fühlt, um die Realität auszuhalten.
Verwandte Artikel in diesem Blog:
- Abwehr
- Krohn’s Paradox bei der Borderline-Störung
- Bion: Um zu denken brauchen wir Gedanken und einen Denkraum
- Missbrauchte Kinder können teilweise nur schlecht mentalisieren
- „Berühr‘ mich nicht!“ Wie das Trauma der Mutter zur „Dummheit“ des Kindes führen kann
- Severely Deficient Autobiographical Memory (SDAM): „Ich kann mich nicht an meine Kindheit erinnern.“
Links:
Christa Rohde-Dachser:
Schwermut als Objekt.
Über Struktur und Inhalt der Borderline-Depression
PDF
Rätsel des Unbewussten (Cécile Lötz und Jakob Müller):
Wissenwollen – Nichtwissenwollen: Über die Macht der Neugier
Folge 79
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 27.7.2015
Aktualisiert am 28.4.2025