Verdrängung: Was wir verdrängen, bleibt da
„Nein, das kann nicht sein!“ Wir wollen und können die schreckliche Nachricht nicht begreifen! Wer verleugnet, der will äussere Realitäten nicht wahrhaben, obwohl er sie mit seinen Sinnen wahrnimmt (Verleugnung = englisch: denial). Er sieht, hört und fühlt die Realität, aber er ignoriert sie. Verdrängung (englisch: repression, französisch: le refoulement) hingegen heißt, dass man innere Vorstellungen ins Unbewusste drängt.
Verdrängung ist nur mit Kraftaufwand möglich. Das Verdrängte lebt im Unbewussten weiter und kommt zum Vorschein, wenn wir träumen oder uns versprechen. Verdrängung und Verleugnung sind Formen der Abwehr. Manchmal wollen wir nicht nur Eigenes verdrängen, sondern wir wollen auch, dass der andere Negatives von uns vergisst. Dafür versuchen wir, den anderen zu verwirren.
Freud führte den Begriff „Verdrängung“ als „substantivierten Begriff“ im Jahr 1896 ein. (Jean-Michel Quinodoz: Freud lesen. Psychosozial-Verlag 2011, S. 67) „20 Jahre später wird Freud in dem Aufsatz ‚Die Verdrängung‘ (1915d) präzisieren, dass der Begriff der ‚Verdrängung‚ insbesondere für die Vorstellung gilt, während sich der Begriff der ‚Unterdrückung‚ auf den Affekt bezieht.“ (Freud lesen. S. 68) Interessant dabei ist vielleicht die Richtung: Wir drängen etwas beiseite, aber wir drücken etwas nach unten.
Zweiphasige Verdrängung nach Mitscherlich
Manchmal leiden wir psychisch ganz furchtbar, doch fühlen uns körperlich erstaunlich gesund. Andere plagen sich mit körperlichen Erkrankungen, fühlen sich aber psychisch weitgehend auf der Höhe. Manchmal ist es anscheinend so, dass psychische Konflikte noch einmal „eine Etage weiter“, sozusagen von der Psyche in den Körper hinein verdrängt werden. Der Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich (1908-1982, Badische Zeitung: Korrektur einer Biografie) stellte die Theorie der zweiphasigen Verdrängung auf: Wer über lange Zeit einem unausweichlichen Konflikt ausgesetzt ist, der kann psychische Symptome wie Niedergeschlagenheit, Depressionen oder Ängste entwickeln. In einer weiteren Stufe können körperliche Beschwerden auftreten, wobei gleichzeitig die psychischen Symptome oft zurückgehen.
In einer Psychoanalyse wir den umgekehrten Weg: Beispielsweise gehen manchmal Gelenkschmerzen zurück, doch stattdessen machen sich Gefühle wie Schuld, Ärger oder Trauer breit, die dann bearbeitet werden können.
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Französisch:
Verdrängung = le refoulement
Dieser Beitrag erschien erstmals am 11.7.2006
Aktualisiert am 6.6.2017