
Mit schwer traumatisierten Patienten solle man in der Psychotherapie nicht lange schweigen, weil dann der Phantasieraum angeregt würde und die Patienten in der Haltlosigkeit abstürtzen, heisst es oft. Doch es kommt auf die Art des Schweigens an: Wenn ich mich als Psychoanalytikerin emotional „einklinke“ und wirklich präsent bin, dann suchen auch schwer traumatisierte Menschen immer wieder das lange Schweigen. So werden sie der Schwierigkeit, überhaupt Worte zu finden, gerecht. Weiterlesen
„Mama, kannst du meine Gedanken lesen?“, fragt mich mein Kind. „Nein, das kann ich nicht.“ Aufatmen. „Aber ein bisschen?“ – „Naja“, antworte ich, „wenn ich ein Schokoladeneis auf den Tisch stelle und du schaust es an, dann glaube ich, dass du denkst, dass du es gerne essen würdest. Aber auch das ist nur geraten. Lesen kann ich deine Gedanken nicht.“ Wohl die meisten Menschen fürchten sich dann und wann davor, dass man ihre Gedanken lesen könnte. Menschen in schwerer psychischer Anspannung sind streckenweise davon überzeugt, dass man ihre Gedanken lesen kann. Sätze aus der Kindheit wie „Du bist für mich wie aus Glas“ oder „Der liebe Gott sieht alles“ können solche Ängste verstärken. Weiterlesen

Wenn sich ein Psychotherapie-Patient das Leben nimmt, kann der Psychotherapeut trauern wie nach dem Tod eines Angehörigen. So ging es mir selbst – und so wird es auch im Deutschen Ärzteblatt beschrieben: „Selbstfürsorge: Wenn Patienten sterben“ (PP 10, Ausgabe November 2011, Seite 506). Viel wird darüber nicht gesprochen, denn Schuld und Scham spielen eine große Rolle. Wenn der Patient, dem man helfen wollte, aus dem Leben scheidet, hinterlässt dies auch das Gefühl des Scheiterns. Mitunter tauchen dramatische Ängste auf: „Ob jetzt wohl die Polizei zu mir kommt?“, fragt man sich als Therapeut – und manchmal ist es so. Oft wird der Tod des Patienten sehr still verarbeitet: „Ich habe tagelang nur geweint“, erzählt ein junger Psychoanalytiker. Weiterlesen

Menschen in einer Psychose entwickeln häufig eine ganz eigene Sprache. Ihr inneres Erleben ist so schwierig zu beschreiben, dass sie z.B. Worte für spezielle Erfahrungen erfinden. Ähnlich tun es kleine Kinder in ihrer Entwicklung. Pippi Langstrumpf erfindet das Wort „Spunk“. Durch die Nähe zum Traum finden sich im nicht ganz klaren psychischen Zustand manchmal auch interessante Sprach-Ergebnisse: So phantasierte eine psychotische Patientin einen Drachen (englisch „Dragon“), nachdem Christopher Bollas das Verb to „drag on“ (= sich hinziehen) verwendete (Bollas: Wenn die Sonne zerbricht, Klett-Cotta, 1. Auflage 2019). Weiterlesen