Schlaf gut! So sieht normaler Schlaf aus

Wir haben vielleicht von klein auf die Vorstellung, wir müssten nachts acht Stunden durchschlafen, um einen normalen Schlaf zu haben. Doch stimmt das? Babys und kleine Kinder sind nachts oft wach – und im Älterwerden merkst du vielleicht auch, wie dein Schlaf wieder schlechter wird. Es gibt so viele Menschen, die nachts wach sind, dass man eigentlich gemeinsam Tee trinken könnte – und das tat man früher auch.
In ihrem Beitrag „Der Mythos des Acht-Stunden-Schlafs“ (The myth of the eight-hour sleep, BBC, 2012) schreibt die Autorin Stephanie Hegarty, dass Einiges darauf hinweist, dass die Menschen früher in Vier-Stunden-Häppchen schliefen. Bevor unsere Nächte hell ausgeleuchtet waren, war es natürlich, abends früh schlafen zu gehen und nach Mitternacht noch einmal eine Weile wach zu sein.
Der Schlaf einer Nacht besteht aus etwa vier bis fünf Schlafzyklen. Ein Schlafzyklus enthält fünf Schlafphasen (so wie ein Jahreszyklus aus den Phasen Frühjahr, Sommer, Herbst, Winter und Karneval besteht). Jede Phase lässt sich im Elektroenzephalogramm (EEG) erkennen. In den Phasen I-IV eines Zyklus sind die Augen ruhig (= „Non-REM-Phasen“). In den Phasen I und II findet man in den Schlaf hinein. Die Phasen III und IV sind Tiefschlaf-Phasen. Im Tiefschlaf findet man im EEG sogenannte „Delta-Wellen“ (Frequenz: 3-0,5 Hertz). Wenn sie erscheinen, werden die Selbstheilungskräfte des Körpers wirksam.
Danach folgt die fünfte Phase, in der sich die Augen schnell im Schlaf bewegen, während die übrigen Muskeln erschlafft sind. Diese fünfte Phase heißt REM-Phase (REM = rapid eye movement, schnelle Augenbewegung).
Viele Träume in der REM-Phase
In der REM-Phase träumen wir intensiv, oder besser gesagt: Wir können uns nach dem Wecken besonders gut an unsere Träume erinnern. Doch auch in den Nicht-REM-Phasen können wir träumen. Die Träume der Nicht-REM-Phasen sind jedoch unseren bewussten Gedanken relativ ähnlich und nicht so intensiv bildhaft wie im REM-Schlaf. Wissenschaftler gehen davon aus, dass während der schnellen Augenbewegungen Erinnerungen abgespeichert werden. Die Theorie der Psychotherapie-Methode „EMDR“ (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) hängt mit dieser Theorie zusammen.
Eine REM-Phase dauert etwa 10 Minuten. In der REM-Schlafphase gegen Morgen können wir Klarträume haben, das heißt, wir werden uns bewusst, dass wir träumen und können dann den Traum steuern. Wir sind gegen Morgen schon ausgeschlafener und dem Bewusstsein wieder näher.
Alle eineinhalb bis zwei Stunden kommt es zu einem neuen Zyklus
Ein Zyklus von vier „Non-REM-Phasen“ und einer REM-Phase dauert etwa 80-110 Minuten, also grob 1,5 bis 2 Stunden. Die REM-Phasen werden im Laufe der Nacht immer länger und die Tiefschlafphasen nehmen ab. An Träume, die wir gegen Morgen träumen, können wir uns oft besser erinnern als an Träume in der ersten Nachthälfte. Die ersten Träume der Nacht sind jedoch oft besonders tief und „ganz Traum“ – wir kommen oft nicht auf die Idee, dass wir träumen.
Auch am Tag wechseln sich eher wache mit eher müden Phasen ab. Bei Babys kann man die „Schlaffenster“ gut beobachten, die etwa alle 1,5 bis 2 Stunden auftreten – in diesen Momenten schlafen Babys oft ein. Wir selbst kennen das auch: Wenn wir abends denken, uns fallen die Augen zu, aber wir noch wach bleiben müssen, dann können wir den „toten Punkt“ überwinden und dann in der wacheren Zeit nicht wieder einschlafen.
Ebenfalls ein Wechsel bei der Nasenatmung
Interessant bei diesem 1,5- bis 2-Stunden-Rhythmus ist die Beobachtung, dass unsere Nasenatmung ebenfalls einem Rhythmus von etwa zwei (bis sieben) Stunden unterliegt. Im Laufe des Tages atmen wir zu bestimmten Zeiten eher durch das linke, dann wieder eher durch das rechte Nasenloch. Während das rechte Nasenloch für das „Aktivierende“ (oder den „Sympathikus“) steht, hängt die Atmung durch das linke Nasenloch eher mit Ruhe und Passivität (also dem Parasympathikus) zusammen. In Yoga-Texten werden diese Wechsel beschrieben, die auch wissenschaftlich untersucht wurden (z.B. „The Nasal Cycle“ von Funk E. und Clarke J., 2009).
Viele begeben sich in ein Schlaflabor, um ihre Schlaflosigkeit zu erforschen. Da werden dann z.B. die Hirnströme, der Blutdruck und die Atmung während des Schlafes überprüft. Übergewichtige mit einem sogenannten „Schlaf-Apnoe-Syndrom“ erhalten auf Rezept ein Atemgerät für die Nacht, das sie zunächst tatsächlich besser schlafen lässt. Oft landet das schöne Atemgerät aber nach einer Weile im Schrank.
Nach dem Besuch im Schlaflabor wissen viele ganz genau, aus welchen körperlichen Gründen sie nicht schlafen können, doch viele Ursachen bleiben weiterhin bestehen: Traumata, Geldsorgen, Schmerzen, Atemnot, Beziehungskonflikte, Einsamkeit, Erfolgsdruck, Kummer mit den Kindern oder mit der Kinderlosigkeit, Sorgen am Arbeitsplatz oder Ängste um die Gesundheit.
Cortisol ist um Mitternacht am Tiefpunkt
Auch der körpereigene Cortisolspiegel spielt bei der Schlaflosigkeit oft eine Rolle. Wenn du an Allergien, Asthma oder Gelenkschmerzen leidest, wirst du vielleicht oft in der zweiten Nachthälfte wach. Der Cortisolspiegel ist zwischen 20 und 24 Uhr an seinem Tiefpunkt. Entzündungsprozesse können nachts dadurch wieder aufflackern. Morgens gegen sechs Uhr ist der Cortisolspiegel am höchsten – in dieser Zeit ist es oft besonders schön, nochmal einzuschlafen.
Interessant sind hier auch die Ansätze der chinesischen Medizin, welche die „Chronobiologie“ der einzelnen Organe berücksichtigt (Chronos = griechisch: Zeit). Hiernach hat jedes Organ seine eigene aktive Zeit. Auch diese chinesische Organuhr kann helfen, die eigene Schlaflosigkeit besser zu verstehen.
Schlaf lässt sich nachholen – ein Vormittags- oder Mittagsschlaf kann bei Schlaflosigkeit in der Nacht noch zu guter Erholung führen. Je älter wir werden, desto lieber stehen wir vielleicht frühmorgens auf, um alle wichtigen Dinge zu erledigen. Ab 10 Uhr morgens ist die Energie bei vielen schon wieder rückläufig. Auf Tiktok beschreibt ein 98-jährige Mann seinen Tagesrhythmus: Arbeit von 7-11 Uhr und von 16-18 Uhr – mittags würde er sich ausruhen.
(Dieser Beitrag wurde um 3.58 Uhr geschrieben.)
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Links:
Edwin H. Funk and J. Clarke (1994):
The Nasal Cycle: Observations over Prolonged Periods of Time
Int J Yoga Therap (1994) 5 (1): 9–12.
doi.org/10.17761/ijyt.5.1.9664268073k16240
meridian.allenpress.com/ijyt…
Markus H. Schmidt and Helmut S. Schmidt (2004):
Sleep-related erections: Neural mechanisms and clinical significance
Current Neurology and Neuroscience Reports, March 2004, Volume 4, pages 170–178
link.springer.com/article/10.1007/s11910-004-0033-5
„Penile erections during rapid eye movement (REM) sleep are a robust physiologic phenomenon in all normal healthy males, irrespective of age.“
Charles Fisher, Joseph Gross, Joseph Zuch (1965):
Cycle of Penile Erection Synchronous With Dreaming (REM) Sleep
Arch Gen Psychiatry. 1965;12(1):29-45. doi:10.1001/archpsyc.1965.01720310031005
jamanetwork.com/journals/jamapsychiatry/article-abstract/488693
Hegarty, Stephanie (2012):
The myth of the eight-hour sleep
BBC World Service 22.2.12
www.bbc.com/news/magazine-16964783
Ekirch, Roger (2006):
At Day’s Close: Night in Times Past
W. W. Norton & Company, New York
wwnorton.com/books/9780393329018
International Dark Sky Association,
darksky.org
Gesunder Schlaf = le sommeil sain
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 8.3.2015
Aktualisiert am 15.9.2025
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