Wortvorstellung und Sachvorstellung: „Loch ist Loch“. Das „Teekesselchen“ ist so alt wie die Sprache
„Loch ist Loch“, sagte ein Patient des Psychiaters Victor Tausk (1879-1919). Sigmund Freud berichtet davon (Sigmund Freud: Das Unbewusste, 1915, Projekt Gutenberg). Dieser Patient erzählte, dass er sich im Gesicht zwanghaft Mitesser ausdrückte, sodass tiefe Löcher entstanden. Das Wort „Loch“ war in diesem Fall jedoch gleichzeitig eine Anspielung auf die Vagina. Damit uns beim Wort „Loch“ bewusst wird, welches „Loch“ wir meinen, müssen wir das Wort mit der Sache verbinden – wenn wir sagen: „Nasenloch“, wissen wir eindeutig, was gemeint ist. Wir haben dann ein eindeutiges Bild davon. Das Wort „Loch“ ist mit der Sache (der „Nase“) verbunden.
Freud sagte: „… die bewusste Vorstellung umfasst die Sachvorstellung plus der zugehörigen Wortvorstellung, die unbewusste ist die Sachvorstellung allein.“ (Freud: Das Unbewusste, 1915, Kleine Schriften, Kapitel 28, Projekt Gutenberg). Ich fand das irgendwie immer verwirrend. Wenn man davon ausgeht, dass das Unbewusste hauptsächlich mit Bildern arbeitet, dann ist es logisch, dass die „Sachvorstellung“ (das Bild, „die Nase“) hier Priorität hat. Doch auch die Sprache spielt im Unbewussten eine Rolle. Ich denke nicht, dass Freuds relativ einfache Gleichung so aufgeht.
„Fragen wir uns, was der schizophrenen Ersatzbildung und dem Symptom den befremdlichen Charakter verleiht, so erfassen wir endlich, daß es das Überwiegen der Wortbeziehung über die Sachbeziehung ist. Sigmund Freud: „Zwischen dem Ausdrücken eines Mitessers und einer Ejakulation aus dem Penis besteht eine recht geringe Sachähnlichkeit, eine noch geringere zwischen den unzähligen seichten Hautporen und der Vagina; aber im ersten Falle spritzt beide Male etwas heraus, und für den zweiten gilt wörtlich der zynische Satz: »Loch ist Loch.« Die Gleichheit des sprachlichen Ausdruckes, nicht die Ähnlichkeit der bezeichneten Dinge, hat den Ersatz vorgeschrieben. Wo die beiden – Wort und Ding – sich nicht decken, weicht die schizophrene Ersatzbildung von der bei den Übertragungsneurosen ab.“ https://www.projekt-gutenberg.org/freud/kleine2/Kapitel28.html
Beim Teekesselchen-Spiel denkt man sich ein Wort mit zwei Bedeutungen aus, z.B. „Schimmel“ = „das weisse Pferd“ und „die Schimmelpilze/das Verdorbene“.
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Links:
Sigmund Freud (1915)
Das Unbewusste. Kleine Schriften, Kapitel 28
Projekt Gutenberg
Chapman LJ (1960)
Confusion of figurative and literal usages of words by schizophrenics and brain damaged patients
J. Abnorm. Soc. Psychol., 1960: (60) 412-416
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/13809245/ (no abstract available, 31.7.25)
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 26.1.2015
Aktualisiert am 31.7.2025