„Der Psychotherapeut, der Patienten mit schizophrenen Psychosen behandelt, sollte sich darüber im Klaren sein, dass es bei diesen Patienten hauptsächlich um’s Überleben geht“, schreibt Bertram Karon (1930-2019) in seinem wunderbaren Buch „Psychotherapy of Schizophrenia“ (Bertram Karon und Gary Vandenbos, Rowman&Littlefield Publishers 2004: S. 204, 1981, 1994 by Jason Aronson Inc.). Bei der schizophrenen Psychose leiden Patienten unter Stimmenhören, Wahnvorstellungen (z.B. „der andere will mich umbringen“, „ich werde verfolgt“) und – seltener – unter optischen Halluzinationen. Bertram Karon verstarb 2019 – er gilt als einer der versiertesten Psychoanalytiker auf dem Gebiet der Psychosen. Weiterlesen
Es rumort. Tief drinnen im Bauch. Auch aus dem Herzen heraus. Außen nur ein löchriges Gefühl. Überall bröckelt es. Nichts kann mich ruhig machen. Ich zittere. Ein Kampf tobt in mir. Ein Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Leben und Tod. Das Böse ist vollkommen zerstörerisch. Aber nicht grob zerstörerisch. Es schwebt – innen und außen. Und ich frage mich, woher es kommt. Ich habe Angst, dass ein anderer mir Böses schickt. Dass ein anderer mich in seinen Händen hat. Mich steuert. Beängstigend. Die anderen sagen: „Das kann nicht sein. Ein anderer kann nicht Macht über dich übernehmen.“ Aber woher wollen sie das wissen? Meine Gefühle sind wie eine absolute Gewissheit. Eine innere Überzeugung, dass da ein anderer etwas mit mir macht. Ich spüre es genau. Werde ich so lebensfähig sein? Sterbefähig? Ein Zustand des unaufhörlichen Aufruhrs. Und auf dem Diagnose-Zettel steht einfach nur „Angststörung“.Weiterlesen
„Borderliner werden nie satt! Sie saugen Dich aus, bis Du keine Kraft mehr hast. Sie sind unersättlich!“ Sätze wie diese hört man manchmal von erschöpften Therapeuten. Dasselbe sagt man manchmal über Kinder. Aber: Sind die Betroffenen wirklich unersättlich? Wenn man schon von Unersättlichkeit spricht, könnte man auch fragen: Wann erscheint jemand unersättlich und wie ließe sich das verstehen? Unerstättlichkeit entsteht doch nur dann, wenn die richtige Befriedigung bisher nicht gefunden wurde. Das Ziel eines unzufriedenen Kindes oder Erwachsenen ist es doch meistens, zurück zur Zufriedenheit, zur eigenen Mitte zu gelangen. Das Bestreben, auf ungesunde Weise immer mehr zu wollen, kommt, wenn man immer knapp am befriedigenden Ziel vorbeischießt. Weiterlesen
Der Sitz der Seele liege im Zwerchfell (Diaphragma), so glaubte man im alten Griechenland. Das Zwerchfell ist ein Muskel, der den Bauchraum vom Brustraum trennt. Wie alle Muskeln verspannt es sich besonders bei Ärger, Angst und nicht zuordenbaren, unheimlichen Gefühlen. Das Zwerchfell fühlt sich manchmal an wie ein „Boden“ in unserem Körper. Wenn wir den Boden unter den Füßen verlieren, fühlen wir, wie ein Ruck durch unsere Körpermitte geht. Eine Einsicht hingegen, ein Aha-Effekt, führt zur Erleichterung, zum Aufatmen und zu einem Gefühl von neuer Durchlässigkeit, aber auch neuem Halt. Weiterlesen
Sigmund Freud (1856-1939) träumte den Traum von „Irmas Injektion“ vom 23. auf den 24. Juli 1895 (Projekt Gutenberg: Die Methode der Traumdeutung, Freud 1900). Freud steht im Traum in einer großen Halle mit vielen Gästen, worunter auch seine Patientin Irma war. Er zog sie im Traum zur Seite und tadelte sie, dass sie seine „Lösung“ noch nicht akzeptiert hätte. Freud behandelte Irma im realen Leben wegen ihrer hysterischen Ängste und Schmerzen, konnte ihr aber nicht ausreichend helfen. Im Traum sagt Irma, dass sie große Schmerzen im Rachen, im Magen und im Bauch hätte. Freud fragt sich im Traum, ob er eine körperliche Ursache übersehen hätte. Er zieht Irma im Traum zum Fenster und will ihr tief in den Hals schauen, aber sie sträubt sich – ähnlich wie es Frauen mit einem künstlichen Gebiss tun, so schreibt er. Weiterlesen
Jeden Tag dasselbe. Jede Nacht dasselbe. Dieses unaushaltbare, unaufhörliche Das. Nicht nur, wer im Gefängnis sitzt, ist gefangen. Das Alltagsrad lässt keinen Ausgang zu. „Wie lange noch?“, fragt man sich, obwohl das Ende der Fahnenstange schon längst erreicht ist. Wie ruhig soll ich denn noch werden? Kein Schlaf, keine Ruhe, keine tröstenden Worte. Keine Achtsamkeitsübung, die hilft. Wie fühlt sich das Unaushaltbare an? Über Jahre, Jahrzehnte? Die Vorteile des Alleinseins versiegen irgendwann, die Kreativität schwindet. Da ist nur noch die Qual der Abwesenheit. Zu unruhig zur Meditation. Sie verstärkt das Unaushaltbare , falls das überhaupt möglich ist – glaubt man.Weiterlesen
„Sagen Sie mir bitte, wie ich es los werden kann!“, sagen manche. Man will ES – oder auch „Das“ genannt – nicht haben. Es scheint hartnäckig in der Psyche zu sitzen wie ein maligner Tumor. Mit gutem Willen kommt man nicht dagegen an. In manchen Lebensphasen erscheint es überstark, in anderen könnte man meinen, es sei weg: das sogenannte „maligne Introjekt“. Manche Psychoanalytiker meinen damit so etwas wie einen Fußabdruck z.B. der Mutter, den sie mit Gewalt in die Seele des Kindes gesetzt hat. Vielleicht kennt sie jeder Mensch: die kritische Stimme, die sich meldet, wenn man etwas Schönes vorhat, wenn man einen Partner kennenlernt oder eine Prüfung bestehen will. Da ist ein innerer Angreifer, der sagt: „Du wirst schon sehen, was Du davon hast!“Weiterlesen