Mit einem Ruck – plötzlich ist die Angst da. Wie ist die Atmung beteiligt?

Ein Gedanke, ein Gefühl, ein Bild, eine Atmosphäre, eine unbewusste Erinnerung. Manchmal auch nichts. Dann ein Ruck. Er geht durch Körper und Psyche. Der innere Boden wird weggezogen. Eine ungeheure Schwäche kommt. Orientierungslosigkeit. Die anderen gucken schon. Die Erschütterung ist da, die Kaskade geht los. Ich weiss schon, was kommt. Im Darm löst sich alles. Die Panik bricht durch, äußere und innere Wände werden porös, die Bedrohung scheint überall zu sein. Eine Frage von Millisekunden: Schweissgeruch, Zittern, Atemnot.
Es kann immer und überall passieren. Es ist wie ein Überfall. Es fehlt plötzlich die schützende Hülle. Man möchte sich einkuscheln, doch keiner ist da. Die Welt ist leergefegt. Und dann ist man auch noch verantwortlich für die Kinder, die Kunden, die Patienten, die Mitreisenden. Man muss durchhalten. Doch der Ruck ist stärker als der Wille. Zusammenreißen geht nicht mehr. Der Ruck, er hat alles erschüttert. Das Herz schmerzt und stolpert, an der Stirn ist der nasse Haaransatz zu spüren. Keine fünf Minuten halte ich das mehr durch – meine ich. Und ich weiß: Die Beben des Rucks können tagelang nachwirken – wochenlang. Bis es endlich wieder ruhig wird. Langsam, ganz langsam …
Tägliches Yoga über Jahre kann helfen, das System zu stabilisieren. Manchmal lässt sich erleben, wie das bröckelige Gefühl erstaunlich rasch wieder nachlassen kann: durch eine gute Erklärung, einen schönen Lichtstrahl, eine Musik oder durch die Worte des Psychoanalytikers. Wenn die richtige Deutung kommt, ist es, als hörte der freie Fall auf und als werde ein neuer Boden in mich hineingeschoben – so auf Zwerchfellhöhe. Wenn man etwas versteht, wenn sich ein Now Moment, eine Begegnung einstellt, ist es wie eine gute Berührung. Die Schleusen gehen wieder zu, die Orientierung ist wieder da, die Haut wird wieder heil.
Wie sehr das Geschehen mit der Atmung zusammenhängen kann, wird vielleicht in einem Text des Atemforschers Friedhart Raschke (1993, link.springer) deutlich. Er schreibt: „Ein Funktionswechsel zwischen diesen beiden Grundfunktionen (Anmerkung Voos: bewusste und unbewusste Atmung) kann sich innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde vollziehen.“
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Links:
Friedhart Raschke (1993):
Schlaf und Atmung
Conference paper, Seiten 59-69
In: Schlaf – Atmung – Kreislauf (JH Peter et al., Herausgeber), Springer Verlag 1993
https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-642-78303-6_5
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Aktualisiert am 13.7.2025