„Diese gesunde Ernährung macht mich ganz krank!“ Wie kann ich mich gesund ernähren?

Wenn wir depressiv sind und psychische Schmerzen leiden, haben wir oft Hunger auf Fettiges und Süsses. Wir können nicht anders, als uns „ungesund“ zu ernähren, obwohl wir uns in besseren Zeiten anders verhalten. Was gesunde Ernährung ist, das sagen uns unsere Sinne. Auch unsere innere Uhr, das Sättigungsgefühl und unser Energiegefühl sprechen mit. Wir haben ein Gefühl dafür, ob wir uns nach einer Speise müde und energiearm oder kreativ, bewegungsfreudig und energiereich fühlen. Wir spüren, ob wir einen Energieschub brauchen, ob wir uns beruhigen, wärmen oder abkühlen wollen.

Am Jahresende plagte mich die Erschöpfung. Ich sprach mit einer blendend aussehenden Ernährungsexpertin, die seit 25 Jahren nur Rohkost isst und mich munter anstrahlte: „Essen Sie Rohkost! Fangen Sie langsam damit an, lassen Sie morgens den Kaffee weg, nehmen Sie weniger Milchprodukte zu sich und ersetzen Sie mehr und mehr Mahlzeiten durch Rohkost.“ Es folgte eine lange Liste von Heilungsgeschichten, die mich beeindruckten. Brot sei im Übrigen ganz was Schlechtes. Sollte ich mein geliebtes Kochen und Backen also aufgeben, um mich dauerhaft besser zu fühlen?

„Bei Ihrer Konstitution: Nur Gekochtes!“

Ich erinnerte mich, wie ich Jahre zuvor einer traditionell chinesischen Medizinerin meinen Besuch abstattete, als ich ähnlich erschöpft war. „Sie sollten so viel wie möglich schlafen“, war ihr erster Rat. Und dann sollte ich doch möglichst nur Gegartes und Gekochtes zu mir nehmen, damit das Verdauungssystem weniger Energie aufwenden muss. Während sich der Rohkost-Vorschlag kalt und nur nach „Vernunft“ anhörte, so fühlte ich mich wieder wohlig, als ich mich an den Ratschlag der Chinesin erinnerte. Da haben wir zwei komplette Gegensätze. Was ist denn nun richtig?

„Wie soll ich mich denn auf mein Gefühl und meinen Instinkt verlassen, wenn ich immer nur Schokolade und Kakao mag?“, fragte ich mich. Ich war in einer Lebenssituation, die gerade nur Schokolade zuliess – ich war immer gestresst, lebte zwischen Tür und Angel und kam nicht zum Einkaufen. Ich musste Geld verdienen und mein Kind ernähren.

„Wenn ich an Salat denke, friere ich.“

Letzten Endes hörte ich erst auf die Chinesin und dann wieder auf mich selbst. Mich friert einfach, wenn ich an Salat denke. Und dieses Frieren ist ein wichtiger Hinweis: Wir können auf uns selbst hören und wir wissen, was uns gut tut. Wenn wir schon als Kinder mit Brötchen und Marmelade zum Frühstück glücklich waren, dann ist unser Körper daran gewöhnt. Wir kommen gut damit zurecht. Viele Omas sind damit alt geworden. Und auch Franzosen und Italiener lieben Kaffee mit Milch und Croissants zum Frühstück. Un der Tag besteht nicht nur aus Frühstück – wir können uns noch bis zum Abend abwechslungsreich ernähren.

Wir haben Jahreszeiten

Wir spüren genau, welche Lebensmittel uns müde und munter machen, wenn wir darauf achten. Wir spüren auch, welche Lebensmittel uns wärmen oder abkühlen. Manchmal gibt es vielerlei Erklärungen, z.B. dass kaltes Wasser für den Körper anstrengend sei, weil der Magen es erst wieder aufwärmen müsse. Wer aber morgens nach dem Aufwachen Durst auf kaltes Wasser hat, der liegt damit nicht „falsch“. Wenn der Körper danach fragt, wird es seinen Sinn haben. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir wechselhaftem Wetter ausgesetzt sind. Wir ernähren uns im Winter instinktiv anders als im Sommer. Im Sommer ist die Vorstellung von einem Obstsalat erfrischend. Im Winter essen wir vielleicht lieber heiße, angedickte Kirschen.

Hektik und Schlafmangel, zu wenig Platz, Zeit, Geld und Geselligkeit führen zu einer ungünstigen Ernährung.

Die Regeln kennen wir

Die meisten Menschen kennen die Regeln von gesundem Essen: Viel frisches Obst und Gemüse, wenig Süßigkeiten und ansonsten ausgewogene Kost in Maßen, die einem selbst bekommt. Morgens und mittags ist der Stoffwechsel bereit für eine größere Nahrungsmenge, wohingegen abends weniger gegessen werden sollte, damit man besser schläft. Das trifft zumindest hierzulande vielleicht auf die meisten Menschen zu. In Italien oder Spanien, wo der heiße Mittag durch eine ausgedehnte Mittagsruhe erträglich wird, ist eine Pizza zu später Stunde nichts Außergewöhnliches. Wenn wir dort Urlaub machen, passen wirr uns ganz schnell und wie von selbst den Gegebenheiten an.

„Diese gesunde Ernährung macht mich ganz krank!“

Immer wieder wollen wir unsere Ernährung umstellen – was immer das heißen mag. Es werden Smoothie-Mixer und Spiral-Schneider gekauft, Avocados, Feigen, Datteln und Sojapäckchen liegen bereit. Und nach ein paar Tagen radikaler Ernährungsumwandlung merken wir: Wir fühlen uns kränker denn je.

Kürzlich stieß ich auf das Buch von Karen Fischer: The Eczema Diet, www.eczemalife.com. Hier werden für die Salicylatintoleranz Symptome aufgelistet, die viele Neurodermitis-Betroffene verzweifeln lassen: Unruhe (besonders nachts), Benebeltsein im Kopf (Brain Fog), Fatigue, Reizdarmsyndrom, aber auch das Gefühl eines geschwollenen Gesichts, laute Ohrgeräusche, Kribbeln in Armen und Beinen und andere nicht zuordenbare Symptome sollen hier vereint sein. Endlich dieses Buch! Die Lösung für alles.

Bei weiterer Recherche fand ich dann ähnliche Symptome bei Vitamin-B- oder Vitamin-D-Mangel, bei Histaminunverträglichkeit, Hormonungleichgewicht, Mastzellaktivierungssyndrom (MAS), Eisenmangel usw. – bis einem schwindelig wird. In Nahrungsmitteln, in denen wenig Salicylate enthalten sind, ist aber vielleicht viel Histamin enthalten oder umgekehrt. Die Alles-wird-gut-Diät lässt sich einfach nicht finden.

Bei scholar.google.com suchte ich nach Studien, die die Effekte von veganer Ernährung auf Asthma, Rheumatoide Arthritis und Neurodermitis untersuchten. In einer Studie von Lithell 1983 zeigte sich, dass sich Arthritis und Ekzeme beim Fasten verbesserten, aber bei anschließender veganer Ernährung zurückkehrten.

Sich selbst kennenlernen. Langsam.

Der einzig und alleinige Weg zu einer Ernährung, die dir selbst entspricht, ist das sorgfältige und achtsame Ausprobieren. Oft vertragen wir das gut, was wir schon als Kinder gut vertrugen. Wenn ein Bratenduft durch den Körper geht und direkt ein Wohlgefühl im Magen auslöst, dann ist es etwas, das der Körper kennt und mag. Selbst die traditionell chinesische Medizin (TCM) findet keine allumfassenden Antworten. Die chinesische Ärztin verordnete mir damals Papaya – auf meine Zweifel sagte sie, dass sie sicher ist, dass ich darauf nicht allergisch reagieren würde. Ich kann mich heute noch an meinen Papaya-Versuch erinnern …

Während im Westen der Kaffee bei Magenproblemen verpönt ist, empfehlen Akupunktur-Ärzte in Sri Lanka „puren starken Kaffee“. Manche ayurvedische oder Yoga-Experten im Internet empfehlen eine Kost, die zwar gut für das Leben im heißen Indien ist, doch für das Leben im kaltnassen Herbst. Wenn du nach einem eisigen Wintertag durchgefroren nach Hause kommst, zieht es dich vielleicht hin zu heißem Kakao, weil es gefühlt das Einzige ist, das dem Körper die Wärme gibt, die er jetzt braucht.

Ein gutes soziales Leben mit Freunden kann zu einem guten Wohlbefinden und hohen Lebensalter beitragen. Sind wir viel mit Freunden zusammen, ernähren wir uns auch gesünder (siehe harvard.edu 2019).

Ob eine gesunde Ernährung etwas bringt oder nicht, zeigt sich manchmal bereits nach Tagen, manchmal erst nach Monaten oder gar Jahren. Wichtig ist es, sich niemals gewaltsam umzustellen, sondern sich viel Zeit zu lassen. Das Riechen, Fühlen und das Beobachten der Haut- und Darmreaktionen kann viele Hinweise liefern auf Nahrungsmittel, die einem gut tun. Doch bei allem Umstellen: Wenn das Kind nach Hause kommt und uns die wichtigste aller Fragen zuruft: „Was gibt’s zu essen?“, dann ziehen wir die duftende Lasagne aus dem Ofen und freuen uns.

Wie fühle ich mich nach welcher Speise?

Wenn ich Kaffee trinke, bekomme ich auch Hunger auf Schokolade. Wenn ich also weniger Schokolade essen möchte, versuche ich, weniger Kaffee zu trinken. Aber Kaffee wärmt so schön und macht mich wach! Ich brauche diesen schönen Duft und dieses Gefühl, von Kaffee geweckt zu werden. Milch und Schokolade hingegen dämpfen und beruhigen mich. Andererseits habe ich dann das Gefühl, dass es mir an Klarheit fehlt. Es kann sehr sinnvoll sein, sich zu fragen: „Wie werde ich mich nachher fühlen, wenn ich dieses oder jenes gegessen oder getrunken habe?“

Wenn du Gewicht verlieren und deinen Gesundheitszustand verbessern willst, kannst du mit Achtsamkeit langsam deine Ernährung umstellen. „Wenn ich Schokolade esse, fühle ich mich wohl“, sagen viele. Schokolade beruhigt und macht ein wohliges Gefühl. Man kommt ein wenig runter und fühlt sich besser. Manchmal wirkt Schokolade korrigierend auf die Gefühlsschwankungen im Tagesverlauf. Auf Dauer können Süssigkeiten zum Trost jedoch das Erschöpfungsgefühl verstärken. Wenn wir uns öfter vorstellen, wie wir uns hinterher fühlen werden, dann können wir uns leichter steuern.

Milch und Jogurt kühlen

„Zum Frühstück brauche ich unbedingt einen kalten Kakao oder einen kühlen Fruchtjogurt. Nur diese Nahrungsmittel können mir dieses trockene Gefühl im Mund und diese Hitze nehmen“, sagst du vielleicht. Das Interessante dabei: Am Wochenende ist es oft nicht so. Wenn du ausschlafen konntest, hast du dieses heiße Durstgefühl vielleicht gar nicht. Vielleicht stellen wir das auch manchmal fest: Wenn wir abends sehr müde und erschöpft sind, fühlt sich der Kopf eher heiß an und wir brauchen dringend etwas Kühles, z.B. ein kühles Bier. Wenn wir aber ausgeruht sind, brauchen wir das nicht. Es ist also wichtig, sich zu fragen: Wie fühlt sich Müdigkeit an?

„Das Gemüse kommt mir zu den Ohren raus“

Ernähren wir uns zu gesund, kommt uns das Gemüse irgendwann wieder zu den Ohren raus. Bevor wir unsere Ernährung mit aller Macht umstellen, sollten wir kleinschrittig vorgehen und uns beständig fragen, wie wir uns damit fühlen. Manche Menschen schaffen es, rasch auf Vollwertkost umzustellen und schwören darauf. Aber jeder ist anders. Wenn du an Reizdarm leidest, hast du ganz individuelle Bedürfnisse. Vielleicht switcht du zwischen neuer Vollwerternährung und alten Gewohnheiten hin und her. Und fühlst dich schlecht dabei. Du kannst Dir die Frage stellen, ob du dich dauerhaft mit einer als gesund geltenden Ernährung wirklich wohlfühlst oder ob deine Ernährung, so wie sie jetzt ist, einfach gut zu dir und deiner jetzigen Lebensphase passt.

Verwandte Artikel in diesem Blog:

Links:

Anne Murcott (2000)
Understanding life-style and food use: contributions from the social sciences
British Medical Bulletin, Volume 56, Issue 1, 2000, Pages 121–132
doi.org/10.1258/0007142001902833
academic.oup.com/bmb/article-abstract/56/1/121/387966

An active social life may help you live longer
Staff Writer, May 14 2019
hsph.harvard.edu/news/active-social-life-longevity/
„She (Lisa Berkman) also noted that people with strong social connections tend to have better health behaviors, like eating healthy foods and being physically active.

Lisa Berkman (1995)
The Role of Social Relations in Health Promotion
Psychosomatic Medicine 57(3):p 245-254, May/June 1995.
journals.lww.com/bsam/abstract/1995/…


The National Social Life, Health, and Aging Project: An Introduction
The Journals of Gerontology: Series B, Volume 64B, Issue suppl_1, November 2009, Pages i5–i11
doi.org/10.1093/geronb/gbp078
academic.oup.com/psychsocgerontology/…

Dieser Beitrag wurde erstmals verfasst am 28.12.2016
Aktualisiert am 2.11.2025


Schreibe einen Kommentar