Autismus-Spektrum-Störung, Asperger und die Kühlschrank-Mutter: Wie können wir besser differenzieren?

Wenn Du die Diagnose „Autismus-Spektrum-Störung“ oder „Asperger-Syndrom“ hast, fühlst Du Dich möglicherweise sehr gestresst, wenn Du körperlich nah mit anderen Menschen zusammen bist. Laute Geräusche, Menschenmengen und starke Gerüche belästigen Dich vielleicht stärker als andere Menschen. Vielleicht hattest Du schon früh einen großen Wortschatz und bist sehr belesen. Viele Betroffene haben auch einen hohen Intelligenzquotienten, viele haben ein außergewöhnliches Hobby. Auch auf hypersensible, frühtraumatisierte oder schizoide Menschen können einige der Beschreibungen zutreffen.
Die Diagnose „Asperger Syndrom“ ist medizingeschichtlich relativ jung – erst 1989 wurden die ersten Diagnosekriterien dazu veröffentlicht. Doch bereits 1911 führte der Psychiater Eugen Bleuler den Begriff „Autismus“ in die Wissenschaft ein. Das Asperger-Syndrom wurde lange als „High-Functioning-Autism“ bezeichnet. Der Name „Asperger“ geht auf Johann Friedrich Karl Asperger (1943, 1906-1980, Wikipedia) zurück. Es galt als eine Form des Autismus, die sich vom frühkindlichen Autismus unter anderem dadurch unterschied, dass sie nicht so schwer ausgeprägt war. Daneben gab es noch den „atypischen Autismus“. Heute spricht man von „Autismus-Spektrum-Störungen“. Die Internationale Klassifikation der Erkrankungen (ICD) ist in ihrer 11. Version 2022 erschienen und enthält die Autismus-Spektrum-Störung als Diagnose (www.autism.org.uk/…).
Wir alle haben auch autistische Züge. Den Wunsch nach Rückzug und die Abneigung gegen Kontakte kennt wohl jeder – besonders dann, wenn uns beispielsweise übel ist. Menschen, die stärkere autistische Züge haben als andere, wirken manchmal sehr auf sich bezogen und gefühlskalt. Gerade Jungs und sind häufig betroffen (Loomes et al. 2017, oder Duchan and Patel, 2012). Manche tragen z.B. gerne eine Kappe, um einen Schutzraum zu bilden. Wenn Du stärkere autistische Züge hast, beharrst Du vielleicht gerne auf Deiner Sichtweise. Du verlangst vielleicht wiederholt „schlüssige Erklärungen“ und „Beweise“, die Du jedoch letzten Endes meistens nicht anerkennen kannst. Du hast vielleicht eine Neigung zu konkretistischem Denken und zur Ernsthaftigkeit.
Menschen mit Asperger-Syndrom beschreiben sich selbst oft als Einzelgänger. Viele fühlen sich am wohlsten, wenn sie ihren Beschäftigungen alleine nachkommen können. Obwohl Du das vielleicht kennst, passiert es Dir vielleicht auch manchmal, dass Du anderen zu nah kommst, ohne es zu merken. Erst, wenn andere zurückweichen, bemerkst Du, dass Du ihm körperlich zu nah kamst. Man sagt, es gibt Probleme bei der „Nähe-Distanz-Regulation“. Vielleicht fühlst Du Dich auch unsicher und ungeschickt in Deinen Bewegungen und vermeidest es, Sport zu treiben. Wie du dich bewegst, hängt von vielen Faktoren ab. Neurologische angeborene Faktoren bestimmen deine Bewegungen ebenso wie deine frühen Bewegungserfahrungen. Schon die Art, wie deine Eltern dich gehalten und getragen haben, bestimmt mit, wie deine Beziehung zu deinem eigenen Körper ist.
Asperger und Schizoidie sind sich sehr ähnlich
Das Asperger-Syndrom ist der schizoiden Persönlichkeitsstörung sehr ähnlich (Wolff und Sucharewa, 1996). Manche Menschen mit Asperger-Syndrom haben eine besondere Teilbegabung und interessieren sich speziell für ein Thema. Bei einer extrem hohen Teilbegabung spricht man vom „Savant-Syndrom“. Hans Asperger (1906-1980) stellte in den 1940er Jahren fest, dass sich viele Kinder ähneln: Sie haben schon früh einen reichen Wortschatz, bewegen sich ungeschickt, haben Schwierigkeiten, mit anderen Kindern zu spielen und reagieren auf Außenreize sehr empfindlich. Sie halten nicht gerne Blickkontakt. Hans Asperger selbst wählte den Begriff „Autistische Psychopathie im Kindesalter“. Erst die britische Kinderärztin Lorna Wing (1928-2014, Wikipedia) verwendete im Jahr 1980 den Begriff „Asperger-Syndrom“.
Mehrere Diagnosen sind möglich
Vielleicht hast Du selbst eine oder mehrere dieser Diagnosen erhalten: Asperger-Syndrom, ADHS, Zwangsstörung, narzisstische oder schizoide Persönlichkeitsstörung. Alle diese Diagnosen können zutreffend sein, doch sie sind nur ein Hilfsmittel. Jeder Mensch hat seine ganz eigenen Probleme. Die Diagnose hängt unter anderem auch von der Theorie des Psychotherapeuten ab: Während Psychiater vielleicht öfter die Diagnose „Asperger“ stellten, nannten Psychoanalytiker es vielleicht häufiger „Schizoide Persönlichkeitsstörung“. Ein besonders bekannter Asperger-Experte ist der der australische Psychologe Tony Attwood. Sein Buch „Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom“ finde ich sehr gut gemacht und hilfreich zum Verstehen (Trias, 2008, amazon). Ins Deutsche übersetzt wurde es von Rainer Döhle, der selbst betroffen ist und sich für Selbsthilfegruppen engagiert.
Als „Autismus-Spektrum-Störung“ (ASS, englisch ASD, D = Disorder) werden Störungen bezeichnet, die sich irgendwo auf der Skala zwischen ausgeprägtem frühkindlichen Autismus und dem Asperger-Syndrom (High Functioning Autismus) befinden. Frühkindlicher Autismus ist dadurch gekennzeichnet, dass das Kind kaum einen emotionalen Kontakt mit Mutter oder Vater aufnimmt – es erwidert kaum ein Lächeln und vermeidet den Blickkontakt. Es ist extrem zwanghaft. Später nimmt das Kind nur wenig oder keinen Kontakt zu anderen Kindern auf. Die betroffenen Kinder geraten in Panik, wenn etwas nicht gemäß der üblichen Routine abläuft. Sie können kaum oder gar keine „Als-ob-Spiele“ spielen.
Beim frühkindlichen Autismus lernt das Kind erst spät zu sprechen und wiederholt dann immer wieder seine Worte oder Sätze. Schon kleine Veränderungen versetzen das Kind in Panik. Häufig führt es immer wiederkehrende Bewegungen aus, vor allem mit den Händen (Manierismen). Je nach Ausprägung besteht massiver Leidensdruck für Kind und Eltern.
Auf der anderen Seite der Skala steht das „Asperger-Syndrom“, bei dem die Kinder zwar auch den Kontakt zu anderen scheuen, aber doch weitgehend normal ihren Alltag leben. Häufig haben sie eine besondere Teilbegabung. Heute wird diskutiert, ob dies überhaupt als „krankhaft“ zu werten ist. Es werden die Begriffe „neurotypisch“ und „neurodivers“ verwendet, wobei unter „neurotypisch“ das am häufigsten vorzufindende Nervensystem-Muster (inklusive Erleben, Sprache und Verhalten) gemeint ist, während „neurodivers“ Abweichungen meint, die einfach beschrieben werden können, ohne als „gesund“ oder „krank“ bewertet zu werden. „Neurotypisch“ ist die neurologische Entwicklung, die von den meisten als „normal“ angesehen wird, während das „Neurodiverse“ durch Variationen auffällt.
Mentalisieren und Symbolisieren fällt schwer
Oftmals fällt es Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung schwer, zu mentalisieren, was auch bei Früh-Traumatisierten oft der Fall ist. Auch das Symbolisieren ist oft nicht leicht. Es fehlt mitunter die Vorstellung des „Dritten“ – oft besteht ein Verbissensein in eine Zweierbeziehung, ohne dass das Gefühl besteht, dass es noch etwas Drittes geben könnte, also z.B. einen regulierenden Vater, einen guten Raum oder ein „Blick von oben“.
Spiritualität scheint oft weit entfernt – nicht wenige Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung bezeichnen sich erfahrungsgemäss als Atheisten. Beispielsweise ist Richard Dawkins ein Autor, der mit grossem Eifer den Atheismus vertritt (siehe https://autismsd.com/is-richard-dawkins-autistic/).
Gruppenphänomene
Während Gruppen von depressiven Menschen oder Menschen mit einer Angststörung auf den ersten Blick eher offen und selbstreflexiv erscheinen mit erkennbarem Leidensdruck, erscheinen Gruppen von Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen oft sehr unangenehm und abwehrend, ja fast militant. Es ist, als seien sie auf einer „Abwehr-Burg“. Fachleute müssen genau die Theorie beschreiben, die sie für richtig halten, ansonsten kommt es zu Abwertung und schweren Beleidigungen dessen, der nicht die Mainstream-Erklärungen vertritt. Die Haupt-Abwehrform bei Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung ist meiner Erfahrung nach die Abwertung, was wiederum sehr an narzisstische Menschen erinnert. „Am I autistic or just rude?“, hörte ich die Physikerin Sabine Hossenfelder (Youtube) einmal fragen. Doch meiner Erfahrung nach sind viele „Narzissten“ bzw. „Autisten“ schon sehr früh traumatisiert worden – noch im vorsprachlichen Bereich erfuhren sie Gewalt, Operationen, Physiotherapien, Trennungen.
Perspektivwechsel: Psychoanalyse des Unsympathischen
In der Therapie kommt vielleicht die Frage auf: Wie kann ich „unsympathischen Menschen“ helfen? Wie kann ich die Verletzung der Betroffenen zu spüren bekommen? Die Betroffenen zeigen es mir selbst – durch „Treten, Beissen, Abwertung“. Geht man davon aus, dass die Gegenübertragungsgefühle viel über das Gegenüber sagen können, so könnte man auch davon ausgehen, dass viele Menschen mit Autismusspektrum-Störung selbst unglaubliche Abwertung und ständiges Missverstehen erlebt haben. Sie sind auf der Suche nach „Passung“ und fürchten sich gleichzeitig davor.
Leicht kommt der Gedanke an die „Kühlschrank-Mutter“ auf. Was damit gemeint sein könnte, wird vielleicht in einem Video der Säuglingsforscherin Beatrice Beebe deutlich: Hier zeigt sie ab Minute 30 (Youtube), wie eine traumatisierte, depressive Mutter in Mimik, Gestik und Stimme nicht adäquat auf ihr Baby reagieren kann. Es entstehen beängstigende Szenen – Mutter und Kind können nicht zusammenkommen. Auch im Still-Face-Experiment zeigt sich rasch, wie entsetzlich es sich für ein Kind anfühlen muss, wenn die Mutter nicht mehr auf seine Kommunikationsversuche reagieren kann – manche Kinder werden unruhig und beissen sich selbst in die Hand. Nicht selten kann man hierbei auch an AD(H)S denken (Youtube, Edward Tronick).
Mir sind schon einige Patienten mit den Diagnosen ASS oder ADS begegnet, die jedoch manifeste sehr schwere präverbale Traumata hatten. Wir können vielleicht sehr oft nicht mit Sicherheit sagen, ob Symptome auf angeborene neurologische Muster zurückgehen oder nicht.
Als Therapeutin geht es mir in der Gegenübertragung vielleicht ähnlich wie dem Baby im Still-Face-Experiment: Ich finde keinen Zugang zum Patienten. Die Frage lautet: Wie kann ich zu einer resonanten Kommunikation kommen? Menschen mit Autismusspektrum-Störungen scheinen nicht zu leiden – wer leidet, ist die Umgebung. Die Erklärung der Betroffenen ist, dass sie nur ins Leiden kommen, wenn sich die Umwelt nicht an sie anpassen kann. Das Leiden der anderen ist auch typisch für Narzissmus und Persönlichkeitsstörungen. Auch werden Patienten aus der ehemaligen DDR manchmal ähnlich beschrieben: Sie halten am Konkreten fest und scheinen wenig resonant zu sein. Doch auch hier haben wir oft eine Geschichte von frühen Trennungen („Ich wurde schon mit drei Monaten in der Säuglingstasche zum Busfahrer gestellt, der mich dann in die Krippe fuhr“, erzählt eine Frau aus Ostdeutschland).
Es geht also um die Passung. Die emotional korrigierende Erfahrung bestünde also darin, dass die Umgebung und die Mutter sich auf das Kind einstellen – es geht sozusagen um die Kunst, die Brust an die richtige Stelle zu setzen. Und das ist nicht leicht, denn es können Ängste und grosse Scham auftreten.
Doch nicht selten lassen sich die Betroffenen auf eine sehr lange Therapie ein – was wiederum doch auf einen Leidensdruck rückschliessen lässt. Im Podcast „Rätsel des Unbewussten“ geht es in Folge 37 um die „Tragödie des Narzissmus“. Hier wird sehr schön deutlich mit wieviel Geduld letzten Endes doch eine zärtliche Annäherung zwischen einem narzisstischen Patienten und dem Psychoanalytiker möglich werden kann. Wie sehr das auch auf Patienten mit ASS zutreffen kann, bleibt fraglich. Wie bedrohlich Veränderung oft erscheint, zeigt sich in dem Argument, dass die Autismusspektrumstörung ein Leben lang bestehen bleibe. Es bleibt die Frage, was genau damit gemeint ist.
ICD 10 (International Classification of Diseases): Frühkindlicher Autismus, atypischer Autismus und Asperger-Syndrom zählten nach dem Klassifikationssystem „ICD-10“ (International Classification of Diseases) zu den Tiefgreifenden Entwicklungsstörungen (F84). DSM V (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders): Autism Spectrum Disorder (ASD): 299.00, Centers for Disease Control and Prevention (CDC, USA)
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Links:
Suchareva, Ewa; Wolff, Sula (1996):
The first account of the syndrome Asperger described?
Die schizoiden Psychopathien im Kindesalter.
In: European Journal of Child and Adolescent Psychiatry 5, S. 119-132
https://link.springer.com/article/10.1007/BF00571671
Laura Viviana Strauß (2009):
Zur Metapsychologie des Autismus.
„Minus Projektive Identifizierung“ als autistische Kommunikationsform.
Aus einer psychoanalytischen Behandlung.
Dissertation August 2009
Kasseler Online-Bibliothek KOBRA
Bernd Nissen: Zur psychoanalytischen Konzeptualisierung und Behandlung von Störungen aus dem autistischen und autistoiden Spektrum. Psychoanalyse-aktuell.de (Datum leider unbekannt)
„Es ist bekannt, dass sich autistische Kinder harte, häufig metallische Gegenstände ganz fest gegen ihren Körper pressen. Sie spielen nicht mit solchen Gegenständen (z. B. Metallautos), sie werden auch nie Übergangsobjekt. Die Kinder nehmen sie aber mit ins Bett. Wir haben es mit einem autistischen Objekt zu tun, das nach Tustin folgende Funktion erfüllt: „Hardness helps the soft and vulnerable child to feel safe in a world which seems fraught with unspeakable dangers, and about which he feels unutterable terror. These objects help to prevent the realization of bodily separateness, and to promote the delusion that impingements from the outside world are obstructed.”
Tony Attwood:
Asperger-Syndrom
Trias-Verlag, Stuttgart 2016
Laura Viviana Strauß (2009):
Zur Metapsychologie des Autismus.
„Minus Projektive Identifizierung“ (-PI) als autistische Kommunikationsform
Dissertation 2009
Evans, Bonnie (2017):
The Metamorphosis of Autism:
A History of Child Development in Britain.
The first autism controversaries.
Manchester University Press 2017,
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK436848/
Dana Schneider:
Diagnostische Kriterien und Standards bei Autismus-Spektrum-Störungen
Präsentation 9.5.2015
http://www.autismus.uni-jena.de/wp-content/uploads/2015/05/DSM5DiagnoseKriterien_Schleiz2015_DanaSchneider.pdf
Malika Delobel-Ayoub et al. (2015)
Socioeconomic Disparities and Prevalence of Autism Spectrum Disorders and Intellectual Disability
Plos One, November 5, 2015
https://doi.org/10.1371/journal.pone.0141964
https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0141964
The prevalence of ASD with associated ID and of severe isolated ID is more likely to be higher in areas with the highest level of deprivation.
Michael Schmid, Peter Widmer (Herausgeber)
Psychosen: eine Herausforderung für die Psychoanalyse; Strukturen – Klinik – Produktionen
„Für Saettele handelt es sich beim Autismus um die verfehlte Begegnung mit dem Realen, für die er den von Didier-Weill entlehnten Begriff sidération verwendet – eine besondere Form der „Entgeisterung“.“
transkript-Verlag 2007: S. 16
https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/68338
Nicoletta Vegni et al.
Empathy, Mentalization, and Theory of Mind in Borderline Personality Disorder: Possible Overlap With Autism Spectrum Disorders
Front. Psychol., 11 February 2021, Volume 1 – 2021 | https://doi.org/10.3389/fpsyg.2021.626353
https://www.frontiersin.org/journals/psychology/articles/10.3389/fpsyg.2021.626353/full
Over time the hypothesis has been confirmed that at the basis of the social compromises characterizing autism there are impairments in theory of mind (ToM), i.e., the ability to attribute mental states to people in order to explain and predict their behavior (Baron-Cohen et al., 1985; Baron-Cohen, 1995).
Raphael Bonelli
Psychiater analysiert die Hysterie um die Rede von J.D. Vance
https://www.youtube.com/watch?v=_UK2WxQW2mY&t=1s
„Abwehrmechanismen haben sehr häufig mit Abwertung zu tun.“
Sabine Hossenfelder:
Why is everyone suddenly neurodivergent?
https://www.youtube.com/watch?v=KPDlo5jrhmI
- www.autismus-frueherkennung.de, eine Website des Arztes Jochen Busse
- Aspies e. V.
- Website von Tony Attwood
Dieser Beitrag erschien erstmals am 27.5.2012
Aktualisiert am 14.6.2025
9 thoughts on “Autismus-Spektrum-Störung, Asperger und die Kühlschrank-Mutter: Wie können wir besser differenzieren?”
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Hallo Frau Voos,
ich moechte Sie auf nachfolgenden Text eines Kollegen aufmerksam machen. Er deckt sich am ehesten mit meiner eigenen Erfahrung und stellt zudem eine Beschreibung der Innensicht von Autismus Patienten und Patientinnen dar.
Im Grunde handelt es sich, entsprechend Text, um eine Kommunikationsstoerung.
http://kj-psychotherapie-saloga.de/Veroeffentlichungen/E-KJP_182_Saloga.pdf
Viele Grüsse
modean
Hallo Frau Voos,
ich habe mir noch überlegt, warum ich die Dinge so differenziert auseinander nehme, um sie zu verstehen.
Ich denke das was mit mir passiert, wenn einer sagt Asperger sagt man nicht, da veraltet bzw. sogar noch historisch belastet, dann merke ich mir das oft so genau als sei es ein Gesetz.
Nun habe ich bei meiner Recherche gelernt, manche Betroffene haben mir das auch zurück gemeldet, dass sie sich mit Ihrer Asperger Diagnose sehr wohl identifizieren. Sprich hier das Wort bzw. die Bezeichnung verbieten zu wollen, würde dazu führen, dass ich mich gerade gegenüber diesen Menschen wieder falsch verhielte, indem ich die Bezeichnung gerade nicht verwende bzw. dafür etwas anderes nutze. In manchen, vergleichbaren Situation werde ich dann gerade wieder korrigiert.
Also habe ich doch gelernt, dass die Dinge oft nicht dichotom sind und deshalb will ich sie genau verstanden haben.
Am Ende wird es auch so sein, dass es hinter einer Sache keine Gesetzmäßigkeit gibt, sondern jemand will einfach etwas nicht, warum auch immer und das bekommt man nur gemeinsam und individuell im Gespräch miteinander heraus.
Vielleicht hilft das auch denen, die hier schreiben, dass sie bestimmte Begrifflichkeiten nicht haben wollen. Viele dieser Begrifflichkeiten entspringen einem bestimmten Kontext. Im ICD System werden nun einmal „Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“ kodiert. Da ist das Klassifikationssystem sprachlich einfach sehr technisch und somit menschlich wenig wertschätzend.
Viele Grüsse
modean
Hallo Frau Voos,
speziell in den sozialen Medien wird mit Bezug auf ICD-11 vermehrt über den Begriff Asperger und Asperger-Syndrom „gestritten“.
Oft wird darauf bestanden, dass beide Begrifflichkeit veraltet seien und zudem historisch konnotiert, da Hans Asperger im Nationalsozialismus angeblich an entsprechenden Aktionen beteiligt war.
Ich empfand diese Argumentation mit Bezug auf ICD-11 und den historischen Kontext zum einen befremdend und zum anderen nicht schlüssig. Deshalb finde ich es gut, das Sie den Autismus-Kultur Artikel zu Hans Asperger verlinkt haben. Diesen hatte ich auch recherchiert und ich empfinde ihn als sehr ausgewogen und differenziert in seiner Darstellung der Person Hans Asperger.
Am Ende des Artikels wird ja auch auf Asper-Syndrom als Begriff und Diagnose eingegangen und gesagt, dass letztlich die Betroffenen selbst für sich entscheiden müssen, ob sie diesen Begriff für sich gebrauchen wollen oder eben nicht. Das empfinde ich ebenso als schlüssig und stimmig, verglichen mit dem Ansatz, anderen vorschreiben zu wollen, wie sie sich auszudrücken haben.
Bezogen auf die ICD-11 wird argumentiert, die ICD-10 Autismus-Typen gäbe es nicht mehr und entsprechend gäbe es nur noch ein Spektrum bzw. Kontinuum auf dem sich eine Person befände. Deshalb sei es unangebracht Menschen weiterhin in Typen zu unterteilen.
Ich hatte diesen Zusammenhang auch schon in der Vergangenheit recherchiert und die Kontinuumhypothese ist ja nicht nur etwas, was für Autismus spezifisch wäre, sondern bei anderen Störungen wird mitunter auch davon ausgegangen, dass es keine „Schubladen“ gibt, mittels derer man einzelne Personen bzw. deren Störung voneinander abgrenzen könnte. Stattdessen ist die Störung entsprechend stark oder eben weniger stark auf einem Kontinuum ausgeprägt.
Vielleicht trifft das auf vieles im Leben zu. Man kann Menschen eben nicht vermessen oder gar mathematisch exakt beschreiben. Deshalb ist die Argumentation bezogen auf die ICD-11 für mich ebensowenig schlüssig. Denn die ICD ist ja ein Kodiersystem und wenn man dort unter „Mental, behavioural or neurodevelopmental disorders“ nach schaut, ist dort ASS wiederum in Typen/Klassen (6A02. …) kodiert. Also hat man auch dort in diesem System Schubladen im weitesten Sinne.
Am schlüssigsten ist es da für mich, anzuerkennen dass die ICD eben ein Kodiersystem ist, das dazu dient, entsprechend der Schublade plus Code Zahlungen der Kassen zu ermöglichen. Das wäre eine pragmatische Sicht auf die Dinge.
Viele Grüsse
modean
Sehr guter Artikel zum Aspberger Syndrom. Ich bin selbst praktizierende Therapeutin und arbeite seit 10 Jahren mit Kindern im Autismusspektrum in Kalifornien. Ich bin gerade dabei eine website mit erziehungsratschlaegen fuer Eltern ins Leben zu rufen. Schau doch auch mal auf meiner Seite vorbei wenn du Lust hast.
Grusse aus Thousand Oaks, CA!
Hallo,
ich finde es nicht gut, dass Autismus im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen genannt wird.
Autisten haben einfach nur eine andere Funktion des Gehirns. Sie nicht krank.
N.B.
Aspies sind keine Behinderten! Hochfunktionale Autisten sind diejenigen, die nicht nur in der Lage sind Probleme aus unüblichen Blickwinkeln zu betrachten und dadurch Erkenntnisse gewinnen, die ein „normaler“ Mensch nie erwerben könnte. Außerdem kann nur ein Autist „an der im Weg stehenden Wand“ vorbei zu denken.und damit ganz neue und effektive Lösungen präsentieren. Als Entwickler von Hard- und Software in einem Elektroniklabor dachte ich fast zwei Jahrzehnte lang ich sei einfach leistungsfähiger und qualifizierter als mein Umfeld.
Heute ist mir klar, daß ich nur eine besondere Gabe in meine Wiege bekommen habe, die es mir leicht macht andere Blickwinkel zu nutzen und an Wänden vorbei zu denken, So gesehen ist Asperger Autismus keine Behinderung sondern eine Bereicherung für die Gesellschaft. Und wenn man nach über 50 Jahren gelernt hat wie Mimik/Gestik/Tonfall und angemessene Wortwahl (oder auch Mund halten) funktionieren, dann fällt man unter „Normalen“ (fast) nicht mehr auf. Manchmal kommt der Autist trotzdem noch durch. Und das ist gut so!
Ich bin selbst vom Asperger-Syndrom betroffen und lese es gar nicht gerne, Asperger-Autisten seien behindert oder gar „krank“, was auch daran liegt, dass ich nach wie vor zwischen „Autismus“ und dem „Asperger-Syndrom“ unterscheide. Wenn der „Gott der Autisten“ Tony Attwood der Auffassung ist, Menschen mit Asperger-Syndrom profitierten mehr von ihren „Einschränkungen“ als dass sie unter ihnen leiden, so ist das dessen Meinung. Ich – und meine Mitmenschen – sehen das anders. Schon die Bezeichnungen „Autie“ und „Aspie“ sprechen dafür, dass autistische Menschen nicht ernst genommen werden.. Kein Wunder, führen einige Organisationen diese unmöglichen Bezeichnungen im Namen.
Kein Diabetiker würde sich als „Diabeti“ bezeichnen lassen, kein Mensch, der unter rheumatischen Beschwerden leidet, dürfte es schätzen, „Rheumii“ genannt zu werden.
Sehr interessant. Ich erinnere mich sehr gut daran, während meiner Zivildienstzeit, vor knapp fünfzehn Jahren, mehrere autistische Menschen näher kennengelernt zu haben.
In Erinnerung geblieben ist mir, wie unterschiedlich sie alle waren, trotz desselben Krankheitsbildes.
Ich kann mir vorstellen, dass es sehr viele Menschen gibt, die mit dem Asperger-Syndrom leben und leiden, aber nie die richtige Behandlung erfahren, weil es einfach nicht bemerkt bzw. diagnostiziert wird.
Es gibt zwei sehr sympathische Blogs einer hochbegabten Frau, die erst spät – durch die Asperger-Diagnose bei ihrem Sohn – selbst als betroffen diagnostiziert wurde und sehr reflektiert über sich und ihre Leben schreibt:
http://meineweltistanders.wordpress.com/
und
http://aspergerfrauen.wordpress.com/