Traumdeutung: Typische Träume und Traumquellen nach Sigmund Freud

Auf einmal bist Du nackt – obwohl Du von vielen Menschen umgeben bist. Doch dann merkst Du: Es ist nur ein Traum. Sigmund Freud hat in seinem Buch „Die Traumdeutung“ (1900) einige typische Träume beschrieben – hierzu gehört der „Verlegenheitstraum“ der Nacktheit. Im Traum schämen wir uns vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Möglicherweise erscheinen die umstehenden Menschen im Traum seltsam unbeteiligt. Manchmal sind die anderen auch nicht zu sehen und wir fühlen im Traum nur, dass sie da sind. Nach Freud kann es sich dabei um eine Wunscherfüllung handeln – im Traum können wir wie als Kind nackt herumlaufen, ohne uns schämen zu müssen. Interessant dabei ist, dass es sich bei den Außenstehenden oft um „Viele fremde Leute“ handelt (Freud: Das Traummaterial und die Traumquellen, Projekt Gutenberg).
Vielleicht genießen wir diesen Traum und verarbeiten im Schlaf unsere Erregung oder zumindest die Erektion (siehe z.B. Mels van Driel, 2014) bzw. den erhöhten vaginalen Blutfluss (VBF, Fisher C. 1983), die regelmäßig zu Anfang der Rapid-Eye-Movement-Phase (REM-Phase) auftreten können. Die Erektionen im Schlaf bzw. der erhöhte vaginale Blutfluss sind jedoch nur unregelmäßig mit sexueller Erregung oder sexuellen Träumen verbunden. Die Frage im Traum kann auch lauten: Wer ist Exhibitionist, wer ist Beobachter? Vielleicht wollen wir selbst gerne andere nackt sehen und fühlen uns bei diesem Wunsch ertappt und beobachtet.
Vom Fliegen und Fallen
Als Kinder träumten wir vielleicht öfter vom Fliegen und Fallen. Interessant dabei ist, dass die Flugträume sich oft in niedriger Flughöhe abspielen (siehe hier im Blog: Warum ist die Flughöhe relativ gering?). Vielleicht mochten wir es, von unserem Vater durch die Luft gewirbelt zu werden und dabei eine Mischung aus Schrecken und Lust zu empfinden. Unsere Sinne wurden dadurch enorm stimuliert – gerade der Gleichgewichtssinn und die Bewegungssensationen spielten dabei eine große Rolle. Beim Einschlafen und im Schlaf nehmen wir mitunter auch unseren Körper in besonderer Form wahr und verträumen ihn sozusagen.
„Nicht selten sind bei diesen an sich harmlosen Bewegungsspielen auch sexuelle Empfindungen wachgerufen worden“, schreibt Freud (1900: „Das Traummaterial und die Traumquellen“, Projekt Gutenberg).
Wenn im Traum unsere Nächsten sterben
„Träume vom Tod teurer Personen“ (Freud) kennst du vielleicht auch. Je älter wir werden, desto häufiger träumen wir davon, dass bereits verstorbene Menschen wieder leben (Yoshioka et al. 2024). Neben dem konkreten Erleben können sich Träume auch aus Kindheitserinnerungen und Wunscherfüllungen zusammensetzen. Als Kind hätten wir den cholerischen, alkoholkranken Vater vielleicht gerne tot gesehen. „In der Beziehung zwischen Eltern und Kindern liegen mehr als nur ein Anlaß zur Feindseligkeit verborgen“, schreibt Freud (Projekt Gutenberg).
Manchmal träumen wir vielleicht, dass alle unsere bisherigen Prüfungen ungültig wären und wir das Abitur nachholen müssten. Man wendet im Schlaf vergeblich ein, dass man ja schon „seit Jahren praktiziere, Privatdozent sei oder Kanzleileiter“ sei (Sigmund Freud, Traumdeutung, Das Traummaterial und die Traumquellen, Projekt Gutenberg). Diese Träume haben nach Freud möglicherweise mit dem Thema „Reife“ zu tun (Matura = lateinisch „Reife“, österreichisch: Abitur). Damit sei mitunter auch die sexuelle Reife gemeint, so Freud und Wilhelm Stekel (1868-1940) (siehe Projekt Gutenberg).
Zahnreizträume
Vielleicht hast Du schon einmal geträumt, dass Du Dir Zähne selbst gezogen hast oder sie einfach herausgefallen sind. Das „Herausreißen der Zähne“ hängt nach Freud nicht selten mit der Vorstellung von der Masturbation zusammen. Freud beschreibt ein Beispiel: „Er befindet sich bei einer ‚Fidelio‘-Vorstellung im Parkett der Oper, neben L., einer ihm sympathischen Persönlichkeit, deren Freundschaft er gern erwerben möchte. Plötzlich fliegt er schräg hinweg über das Parkett bis ans Ende, greift sich dann in den Mund und zieht sich zwei Zähne aus.“ (Freud: Die Traumarbeit – Die Verdichtungsarbeit, Projekt Gutenberg)
Traumquellen – so setzt sich der Traum zusammen
Wir lassen viele Elemente aus unserem Wachleben in unserem Traum zu einem Element verschmelzen – das nennen Traumforscher „Verdichtung“. Wir träumen von „Tagesresten“, die bis zu etwa drei Tagen zurückliegen können, und wir „verschieben“ – das heißt, wir träumen nicht vom konkreten Original, sondern von etwas anderem, wobei wir aber oft wissen, dass es das konkrete Erinnerungsstück darstellen soll. Wir verknüpfen und vermischen Kindheitserlebnisse mit aktuellen Erlebnissen und nehmen Körpersensationen, Umweltgeräusche und weitere Außenreize mit in unseren Traum auf.
Wenn wir uns an unsere Träume erinnern wollen, kann es hilfreich sein, sich beim Aufwachen ruhig zu verhalten, denn Bewegungen wischen den Traum sozusagen weg. Auch ein Notizbüchlein neben dem Bett hilft bei dem Vorhaben, mehr über seine Träume zu erfahren.
Die Bestandteile eines Traums bzw. die Traumquellen sind nach Sigmund Freud unter anderem: Psychische Reize (z.B. Ängste, Konflikte), körperliche Reize (z.B. Schmerzen, Atemnot, Hautempfindungen), äußere Reize (wir bauen den Wecker in den Traum ein), Erinnerungen aus der Kindheit, Tagesreste (Erlebnisse des letzten Tages, die uns vielleicht während des Tages völlig unbedeutend erschienen) und Wünsche (Träume seien Wunscherfüllungen, so Freud). Außerdem sei der Wunsch, weiter zu schlafen, eine häufige Traumquelle, sodass der Traum z.B. Schmerzempfindungen verarbeite. Der Traum sei der Hüter des Schlafes, sagte Freud (was ich irgendwie immer unlogisch fand).
Verwandte Artikel in diesem Blog:
- Die Traumdeutung von Sigmund Freud (Buchtipp)
- Traumarbeit nach Sigmund Freud: Wie wir unseren Traum zusammenbauen
- Traum-Ich
- Tagesreste: Im Traum findet sich Bedeutsames vom Tag
Links:
Wilhelm Stekel (1927):
Zahnträume
Die Sprache des Traumes
Verlag von J.F. Bergmann
München, 1927: Seiten 180-186
link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-642-92286-2_22
Mels F. van Driel (2014)
Sexual Medicine History
Sleep Related Erections Throughout The Ages
The Journal of Sexual Medicine, Volume 11, Issue 7, July 2014, Pages 1867-1875
www.sciencedirect.com/…
Max Hirshkowitz and Markus H. Schmidt (2005):
Sleep-related erections: Clinical perspectives and neural mechanisms
Sleep Medicine Reviews, Vol. 9, Issue 4, August 2005: Pages 311-329
www.sciencedirect.com/…
Fisher C et al. (1983):
Patterns of female sexual arousal during sleep and waking: Vaginal thermo-conductance studies
Archives of Sexual Behavior, Vol. 12, pages 97-122 (1983)
link.springer.com/article/10.1007/bf01541556
Wolfgang Leuschner (2011)
Einschlafen und Traumbildung
Brandes & Apsel 2011
Sigmund-Freud-Buchhandlung
Yoshioka, Y. (2025):
Typical dreams among Japanese people: Gender and age differences.
Dreaming, 35(1), 86–99
doi.org/10.1037/drm0000267
psycnet.apa.org/record/2024-59373-001
VG-Wort Zählpixel im ersten Absatz (ccef5b8827874a6996e11382fc81b038)
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 12.7.2015
Aktualisiert am 15.8.2025
One thought on “Traumdeutung: Typische Träume und Traumquellen nach Sigmund Freud”
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.
Träume sind Schäume.
Die Aussage über Träume ist ja sehr verschieden. Manche, wie Siegmund Freud glauben, dass sie einen Teil unseres Selbst widerspiegeln. Andere, vor allem Hirnforscher, halten sie für eine Art Entladungsvorgang unseres Gehirns, der keine Bedeutung hat.
Unabhängig der verschiedenen Meinungen, habe ich die Beschäftigung mit meinen Träumen, den schönen wie den unangenehmen, stets als sehr bereichernd empfunden.
Vielen Dank für diesen Beitrag. Mich ermutigt er immer wieder, auf meine Träume zu schauen. Darüber hinaus habe ich nochmal ein, zwei andere Gedanken zu meinen Bildern bekommen.
Lieben Gruß
Peter