29 Wie werde ich Psychoanalytiker*in? Arbeiten nach dem Kostenerstattungsverfahren
Manche Psychoanalytiker und Psychotherapeuten haben keinen Kassensitz, das heißt, die Krankenkassen übernehmen nicht so selbstverständlich die Kosten wie bei einem Vertragspsychotherapeuten (ein Vertragspsychotherapeut hat Verträge mit den gesetzlichen Krankenkassen geschlossen). Psychologen oder Ärzte mit abgeschlossener Psychoanalyse- bzw. Psychotherapie-Ausbildung können jedoch nach dem „Kostenerstattungsverfahren“ mit den gesetzlichen Krankenkassen zusammenarbeiten.
Meiner Erfahrung nach kommen Anträge zu bestimmten Zeiten sehr gut durch, während es zu anderen Zeiten sehr schwierig ist. Woran das liegt, kann ich nicht sagen. Bei manchen Kassen geht es relativ leicht, bei anderen erscheint es fast unmöglich. Doch wie so oft hilft auch hier Dranbleiben und der persönliche Kontakt zum Sachbearbeiter.
Kostenerstattung – so gehe ich vor
- Wenn ein Patient anruft, erkläre ich ihm, dass die Kassen die Kosten nur dann übernehmen, wenn er keinen Vertrags-Psychotherapeuten gefunden hat, der ihm in naher Zukunft einen Therapieplatz zur Verfügung stellen könnte.
- Es ist wichtig, dass der Patient die Namen der Therapeuten, die keinen Platz anbieten konnten, aufschreibt und auch das Datum notiert, an dem er beim Kassen-Psychotherapeuten angefragt hat.
Die Kassen fordern, dass sich die Patienten zunächst an die Terminservicestelle (Tel. 116 117) wenden. Dort erhalten sie rasch einen Termin zu einer Psychotherapeutischen Sprechstunde. Der Psychotherapeut, der die Sprechstunde durchführt, stellt jedoch nur fest, ob eine Psychotherapie notwendig ist. Nach dem Sprechstunden-Termin geht für die Patienten die Suche oft von vorne los.
- Dann lade ich den Patienten zu einem Vorstellungsgespräch ein, das er selbst zahlt. Manche Therapeuten bieten die Kennenlernstunde kostenlos an, allerdings ist dies sowohl psychologisch als auch aus wettbewerbsrechtlichen Gründen schwierig – der ärztliche/psychologische Psychotherapeut soll eigentlich ein Mindesthonorar (ca. 40 €) veranschlagen. In dieser ersten Sitzung kann man feststellen, ob man sich eine Zusammenarbeit vorstellen kann.
- Seit dem 1.4.2018 ist es für den Patienten Pflicht, eine „Psychotherapeutische Sprechstunde“ bei einem Vertragspsychotherapeuten in Anspruch zu nehmen. Dieser schätzt ein, ob eine Psychotherapie notwendig ist und welches Verfahren empfehlenswert ist. Zu den Verfahren gehören die Verhaltenstherapie = VT, die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie = TfP, die Analytische Psychotherapie = AP sowie die Systemische Therapie.
- Wenn der Privat-Psychotherapeut die Psychotherapie als notwendig erachtet, ist eine „Psychotherapeutische Sprechstunde“ bei einem Kassentherapeuten eigentlich nicht mehr notwendig, denn auch der Privat-Psychotherapeut ist ein fertig ausgebildeter Psychotherapeut mit entsprechendem Wissen.
- Dennoch ist es leichter, eine Psychotherapie in einer Privatpraxis zu beantragen, wenn bei dem Patienten eine „Psychotherapeutische Sprechstunde“ bei einem Kassentherapeuten stattgefunden hat. Dann bringt der Patient das Ergebnis dieser Sprechstunde, das sogenannte Formular „PTV 11“ (PTV = „Psychotherapievereinbarung“) mit zum Erstgespräch beim Privattherapeuten.
- Ich arbeite mit einem kassentherapeutischen Kollegen zusammen, zu dem ich die Patienten zur „Psychotherapeutisichen Sprechstunde“ schicken kann, wenn die Kasse so ein PTV-11-Formular verlangt (wie gesagt: eigentlich muss das nicht sein).
- Der Patient soll in einer Liste die Adressen der Kassen-Therapeuten eintragen, die in naher Zukunft (innerhalb der nächsten drei Monate) keinen Therapieplatz frei haben.
- Diese Regelung ist oft fraglich, denn die Patienten suchen sich nicht selten ihren Privatpraxis-Psychotherapeuten aus, bevor sie tatsächlich Kassentherapeuten angerufen haben, einfach weil sie z.B. die Homepage des Privat-Psychotherapeuten sympathisch finden. Doch welche Therapeuten sollen sie dann in die Liste eintragen? Viele Patienten rufen dann tatsächlich noch bei Kassentherapeuten an, regelrecht in der Hoffnung, dass diese keinen Platz frei haben, weil sie ja zum Privat-Psychotherapeuten gehen wollen.
- Der Patient stellt einen Antrag auf Kostenerstattung. Hier gebe ich dem Patienten einen selbst erstellten formlosen Vordruck mit: „Hiermit beantrage ich, dass die Kosten, die mir durch die Psychotherapie bei Frau Dr. X. entstehen, erstattet werden.“
- Offiziell muss sich der Patient selbst um den Kostenerstattungsantrag kümmern. Da das aber kaum einem Patienten zuzumuten ist, lasse ich mir vom Patienten die notwendigen Formulare geben (unterschriebener Antrag, Adressliste der ablehnenden Therapeuten, evtl. PTV 11, Schweigepflichtsentbindung, evtl. „Abtretungserklärung“, damit ich mit den Kassen direkt abrechnen kann) und stelle dann den Antrag bei der Krankenkasse. Ich lege einen Kostenvoranschlag bei (z.B. über vier probatorische Stizungen und 12 Sitzungen Kurzzeittherapie plus Berichterstellung).
- Schon im ersten Gespräch müssen genügend Informationen zusammenkommen, um eine vorläufige Diagnose zu stellen und die Therapie gut begründen zu können.
- Es ist sinnvoll, sich noch einmal die Punkte zur Ärztlichen Schweigepflicht der Musterberufsordnung durchzulesen. Die Entbindung von der Schweigepflicht ermöglicht die einfachere Kommunikation mit den Krankenkassen und ärztlichen/psychologischen Kollegen.
- Zeugnisse beilegen. Die Krankenkassen fordern Eignungs-Nachweise des privatärztlich tätigen Psychotherapeuten an. Daher lege ich jedem Antrag auch meine Approbationsurkunde sowie meine Zeugnisse über die Zusatztitel „Psychotherapie“ und „Psychoanalyse“ bei.
Patientenbericht. Es kann sinnvoll sein, schon beim ersten Anschreiben an die Kasse einen ausführlichen Patientenbericht mitzuschicken. Dieser kommt in einen formlosen Extra-Umschlag an den (Medizinischen) Dienst der Krankenkassen (entspricht dem „Bericht an den Gutachter“ bei normalen Kassenanträgen).
Hier am besten bei den Krankenkassen fragen, was sie genau brauchen. Manchmal soll der Bericht anonym sein, nur mit Patienten-Chiffre versehen (erster Buchstabe von Nach- und Vornamen plus Geburtsdatum, sechsstellig), manchmal will der MDK auf dem Bericht die kompletten Patientendaten sehen.
Die Antragsschritte kann man genauso gehen wie bei „Kassen-Psychotherapien“ auch. Beantragt werden können zum Beispiel 2-4 probatorische Sitzungen, eine Kurzzeittherapie I und II (je 12 Sitzungen) oder eine Langzeittherapie (60 Sitzungen).
Die Krankenkasse muss auch im Kostenerstattungsverfahren binnen drei Wochen eine Zu- oder Absage schicken bzw. eine Nachricht, ob der MDK eingeschaltet werden soll. Bei MDK-Einschaltung muss binnen 5 Wochen ab Antragstellung eine Zu- oder Absage vorliegen (§ 13 Abs. 3a SGB V). Sind die Fristen ohne Nachricht der Krankenkasse abgelaufen, gilt die Therapie als genehmigt.
Oft melden sich die Krankenkassen nur bei dem Patienten, nicht beim Therapeuten! Das sage ich dem Patienten, damit er sich bei mir meldet, sobald die Therapie genehmigt ist. Ich selbst rufe nicht beim Patienten an.
- Wird der Antrag auf Kostenerstattung nicht genehmigt, kann der Patient Widerspruch einlegen. Auch formuliere ich selbst in der Regel den Widerspruch.
- Rechnungen schreiben. Wird die Therapie genehmigt, stelle ich am Ende des Monats entweder dem Patienten die Rechnung oder aber ich schreibe der Krankenkasse eine Rechnung und lege ein formloses Schreiben bei, dass der Patient damit einverstanden ist. Dieses Schreiben („Abtregungserklärung“) ist vom Patienten zu unterschreiben. Es kann z.B. so formuliert werden:
„Ich erkläre mich damit einverstanden, dass meine Psychotherapeutin Frau Dr. XX im Rahmen des Kostenerstattungsverfahrens für Psychotherapie Rechnungen direkt an die Krankenkasse stellt.“ - Manchen Kassen kann ich die Rechnung monatlich stellen, andere bitten darum, erst am Ende eines Quartals abzurechnen. Möchte der Patient sich selbst kümmern, überweist der Patient mir das Honorar und reicht meine Rechnung selbst bei der Krankenkasse ein, die ihm dann das Geld auf sein Konto überweist.
Auf Facebook gibt es eine Kostenerstattungsgruppe für Psychotherapeuten.
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Dieser Beitrag erschien erstmals am 17.9.2014
Aktualisiert am 17.8.2025