Können Körperhaltungen im Schlaf nächtliche Panikattacken auslösen?

„Ich wache nachts öfter auf, bekomme Herzrasen und dann eine furchtbare Panikattacke.“ Viele Menschen mit Angststörungen kennen plötzliche Panikattacken in der Nacht. Es gibt viele Erklärungen: zu schwere Kost am Abend, vorbewusste Gedanken im Halbschlaf, beängstigende Träume, sexuelle Konflikte, körperliche Ursachen wie Schilddrüsenfunktion, Medikamente oder Unterzuckerung werden häufig genannt. Doch was kaum berücksichtigt wird ist die Frage nach der Körperhaltung.

Viele Traumata geschehen oft in bestimmten, wiederholten Körperhaltungen (besonders deutlich wird dies zum Beispiel bei der Vojta-Therapie). Der Körper merkt sich möglicherweise diese Haltungen und die Gefühle, die damit verbunden waren. So kann es sein, dass du nachts im Schlaf dieselbe Körperhaltung einnimmst, die du während des Traumas eingenommen hattest. Infolgedessen könnte es sein, dass du mit Herzrasen und Panikgefühlen aufwachst. Wenn du einmal auf diesen Zusammenhang achtest und dich beim Aufwachen fragst: „Wie liege ich hier?“, dann kann es sein, dass du mehr verstehst.

Wir wissen, dass Gerüche, einzelne Laute oder Worte, Bilder und Geräusche an Traumata erinnern können und dann im Betroffenen starke Angst auslösen. Diese Einflüsse werden „Trigger“ genannt. Doch auch Reaktionen im eigenen Körper, Körperhaltungen und bestimmte Bewegungen können als Trigger wirken. Obwohl wir Erinnerungen im Kleinkindalter hatten, können wir uns später nur bewusst an solche Begebenheiten erinnern, die wir ab einem Alter von drei oder vier Jahren erlebten. Bewusste Erinnerungen hängen auch mit der Sprachentwicklung und somit mit der Entwicklung zum bewussten Denken zusammen.

Auch unbewusste Erinnerungen beeinflussen uns

Viele nähren sich von schönen Kindheitserinnerungen, andere denken fast nur mit Schrecken an ihre Kindheit zurück. Kindheitserinnerungen bestimmen oft zu einem großen Teil unser Lebensgefühl. Doch wenn die Kinderzeit schon so wichtig war, wie wichtig muss dann die Babyzeit gewesen sein? An unsere Babyzeit haben wir keine bewussten Erinnerungen. Wir konnten noch nicht sprechen. Doch was unsere bewussten Erinnerungen nicht wiederzugeben vermögen, das können manchmal unsere „unbewussten Erinnerungen“ zeigen. Wir stellen z.B. in unserer Umwelt Situationen her, die der frühen Situation ähnelten.

Körper vor Sprache

Der Körper spielt in den ersten Lebensmonaten und -jahren eine immens wichtige Rolle, gerade, weil uns noch die Worte und die Möglichkeit zum Nachdenken fehlen. Körpererfahrungen können einen Säugling schier überwältigen. Die Körpererfahrungen, die wir als Baby machten, sind wahrscheinlich in unserem Körper gespeichert. Wir bevorzugen unter anderem deshalb bestimmte Geschmacksrichtungen, weil die Ernährung der Mutter in der Schwangerschaft und Stillzeit einen Einfluss auf uns hatte.

Wenn wir psychisch unter Druck geraten, dann fühlt es sich auch körperlich so an, als übte jemand Druck auf uns aus: Die Muskeln werden angespannt und üben Druck auf uns aus. Dieser Zustand der Anspannung erinnert möglicherweise an sehr frühkindliche Zustände der Anspannung und an frühe Gewalt oder medizinische Eingriffe. Vielleicht könnte dies die unterschiedlichen Reaktionsweisen auf Druck bei Menschen erklären: Je schlimmer unsere Körpererfahrungen als Baby waren, desto dramatischer erscheinen uns die Erfahrungen als Erwachsene. Unter dem Stichwort „Embodiment“ lassen sich psychologische Artikel und Studien finden, die sich mit den Zusammenhängen von Körpererfahrung und Erinnerung befassen.

Körperhaltungen

Wenn Babys Gewalt erfahren, wäre es logisch, dass auch die Körperhaltung eine Rolle spielte, die sie während der Gewalterfahrung eingenommen hatten. Wird diese Körperhaltung im Erwachsenenalter wieder eingenommen, kann dies vielleicht zu Panikattacken, Atemnot, Erbrechen oder Durchfall führen. Auf diese Idee kam ich seit meiner Arbeit an meinem kritischen Buch zur Vojta-Therapie bei Babys.

Diese Vojta-Therapie etablierte sich in den 1960er Jahren. Seither gibt es also Kinder, die alle paar Stunden gezielte Gewalt erfuhren. In Gesprächen mit Betroffenen lassen sich immer wieder Zusammenhänge herstellen zwischen unerträglichen psychischen Zuständen, Körperhaltungen und körperlichen Eindrücken. Es ist gut vorstellbar, dass allein die Körperhaltung ähnliche Ängste auslösen könnte wie damals, als das Baby im Griff der Mutter/des Vaters/des Therapeuten war.

Dieser Erinnerungsmechanismus trifft auch auf andere Reize zu: bestimmte Jahreszeiten, Wochentage, Uhrzeiten, Außentemperaturen, Raumdüfte, weiche oder harte Liege-Unterlagen und Tageslicht sind vielleicht manchmal mit eine wichtige Mit-Ursache für unerklärliche Panikattacken oder Körperreaktionen. Hier kannst du durch sensible Beobachtung einiges herausfinden.

Und was kann man tun? Wie bei allen schwerwiegenden psychischen Problemen kannst du alleine zunächst meistens nur wenig tun. Wichtig ist das Wissen um diese Zusammenhänge, damit sie einem überhaupt erst einmal auffallen. Allein das Beobachten dessen, was ist, kann zu Veränderungen führen. Du kannst beständig versuchen, neugierig auf dich selbst zu sein, unangenehme Gefühle auszuhalten und vielleicht selbst auch Zusammenhänge herzustellen. Oft kann eine Psychoanalyse helfen, oder auch Zen-Meditation.

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Links:

Remy C. Martin-Du Pan et al. (2004):
The role of body position and gravity in the symptoms and treatment of various medical diseases.
Swiss Med Wkly 2004: 134: 543-551
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/15551157/
„A right lateral position results in a lower sympathetic tone than lying on the left side …“
(übersetzt von Voos:) „Das Liegen auf der rechten Seite reduziert den Tonus des sympathischen Nervensystems …“

Shelley R. Adler (2011)
Sleep Paralysis
Night-Mares, Nocebos, and the Mind-Body Connection
Rutgers University Press

Dr. med. Dunja Voos:
Tritt aus dem Schatten deiner Angst:
Tiefe Ängste verstehen, greifbar machen und überwinden.
Dein 7-Schritte-Programm, Humboldt-Verlag
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 12.3.2017
Aktualisiert am 15.8.2025

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