„Du hast das Trauma überlebt“, sagt der Psychotherapeut. Doch warum hilft mir dieser Satz nicht? Weil die Schmerzen akkumulieren. Es taucht immer wieder das schreckliche Gefühl auf, an Körper und Seele gepackt und niedergedrückt zu werden. Es kommt das Gefühl, sich umbringen zu müssen (nicht zu wollen!), weil das Lebensgefühl so unaushaltbar erscheint. Auch dieses Gefühl will immer wieder aufs Neue überlebt werden und ich frage mich: Wie lange kann ich das noch aushalten? Ein tiefer Zweifel legt sich über alles. Das Lächeln ist nur vorgeschoben, Unterhaltungen werden mit Mühe geführt, die Zähne mit hohem Kraftaufwand geputzt. Weiterlesen
Sich vom Hass zu befreien, heißt nicht, alles niederzuschlagen. Es heißt nicht, sich zu rächen. Es heißt nicht, laut herumzuschreien oder jemandem gegen das innere Gefühl gezwungenermaßen zu vergeben. Sich vom Hass zu befreien, fängt oft damit an, dass ich mir erlaube, ihn zu zeigen – und zwar mit meiner Mimik. Wie oft sind wir damit beschäftigt, unsere Wut und unseren Hass hinter einem Lächeln zu verbergen. Keiner soll merken, wie es in uns drinnen aussieht. Doch obwohl wir glauben, es würde uns gelingen, tut es das nicht. Die anderen können auf einer bestimmten Ebene wahrnehmen, wie es uns geht. Unsere unwillkürliche Gesichtsmimik und Körperhaltung zeigen es.Weiterlesen
Wie wir andere erleben, vor allem wie wir Autoritäten oder auch „den Staat“ erleben, hängt eng damit zusammen, wie wir unsere Eltern erlebten. Hatten wir verständnisvolle Eltern, die zu uns ein gutes emotionales Band knüpfen konnten? Konnten wir uns auf unsere Eltern verlassen, fühlten wir uns geborgen und hatten sie eine gute Mentalisierungsfähigkeit? Konnten wir das Denken und Handeln unserer Eltern nachvollziehen? Gab es schreckliche Familiengeheimnisse? Wenn wir Eltern hatten, denen wir überwiegend nicht trauen konnten, die gefühlskalt und unberechenbar waren oder gar Gewalt ausübten, dann wurden wir skeptisch. Wer als kleines Kind gewaltsame oder erdrückende Eltern hat, der muss innerlich Einiges verdrehen, damit er die Jahre der Abhängigkeit dort aushalten kann. Weiterlesen
„Das, was Du machst, ist ja gar keine Psychoanalyse. Dafür mûsste man einen neuen Namen erfinden“, höre ich manchmal. Ich denke, in der Psychoanalyse geht es darum, zu verstehen, die Wahrheit zu suchen und eine befriedigende Beziehung herzustellen. Heute hat man erkannt, dass das, worunter viele Patienten leiden, frühe Traumatisierungen sind – sie fanden oft schon im vorsprachlichen Bereich statt. Die Psychoanalyse als eine Therapie der Worte, als „Redekur“, reicht da oft nicht mehr aus. Psychodynamische Konflikte treten in den Hintergrund, weil fast unaushaltbare seelisch-körperliche Zustände das Hauptproblem sind. „Wer gefoltert wurde, wird nicht mehr heimisch in dieser Welt“, sagte einst der Schriftsteller Jean Améry, der im Zweiten Weltkrieg schwer gefoltert wurde und sich schliesslich das Leben nahm.Weiterlesen