Wie sprichst Du eigentlich mit Dir? Finde die liebevolle Stimme in Dir und entwickele sie weiter.

„Sag mal – wie sprichst Du eigentlich mit mir?“, fragen wir den anderen aufgebracht. Doch wie sprichst Du eigentlich mit Dir selbst? Hast Du eine gute innere Stimme in Dir? Vielleicht fällt es Dir leicht, zu anderen freundlich zu sein und ihnen Mut zuzusprechen. Doch Du selbst quälst Dich vielleicht mit strengen Sätzen.
Wenn wir mit unseren Kindern sprechen, sind wir manchmal erschrocken, wenn wir uns selbst reden hören. Wir sagen die Sätze, die wir selbst nie hören mochten. Unsere Eltern, Geschwister, Großeltern und Lehrer beeinflussten unsere innere Stimme. Wenn uns etwas misslingt, sagen wir uns: „Ich hab’s ja gleich gewusst!“ Wir ziehen und zerren an uns in Gedanken.
Manchmal führen Schuldgefühle dazu, dass wir so strafend mit uns sprechen. In angespannten Situationen sind wir manchmal angewiesen auf gute Stimmen, die von außen kommen. Wir brauchen manchmal einen anderen Menschen, der uns sagt: „Du schaffst das! Du machst das doch gut!“ Wenn wir dann wieder alleine sind, hilft es uns, wenn wir uns daran erinnern, wie uns der andere Mut machte. Wir können dann innerlich seine Sätze wiederholen – wir haben eine „Repräsentanz“ von dem guten anderen Menschen in uns.
Besonders, wenn wir geschwächt und krank sind, kann es helfen, wenn wir uns liebevoll zureden. Als ich einmal eine Neuronitis vestibularis hatte, sagte ich mir immer wieder: „Ok, jetzt kommst Du gaanz langsam mit dem Kopf nach oben. Gut machst Du das. Und jetzt einen Schritt vor den anderen, ganz langsam. Jaa, sehr gut.“ Ich begleitete jeden meiner Schritte mit einer geduldigen Stimme. Es war fast meditativ. Vielleicht sprichst Du in der Schwäche auch so mit Dir.
Wenn wir in der Kindheit, als Heranwachsende und als Erwachsene häufig genug mit Menschen zusammen sind, die uns Gutes wollen und uns freundlich behandeln, dann übernehmen wir diese Art für uns selbst: Wir blicken liebevoll auf uns, wir sind geduldig mit uns selbst, wir sprechen freundlich mit uns. Wir haben uns die freundliche Art des anderen zu eigen gemacht. Und so erhalten wir eine freundliche „Selbstrepräsentanz“.
Beobachten, was wir uns selbst sagen
Es ist interessant, wenn wir uns selbst genauer beobachten. Wie sprichst Du mit Dir selbst? Was sagst Du zu Deinem Körper, zum Beispiel zu Deinem schmerzenden Magen? Sich das einmal bewusst zu machen, heißt, den Automatismus zu stoppen. Wenn wir unseren Kindern automatisch etwas gesagt haben, was wir selbst nie hören wollten, stehen wir oft hilflos vor diesem Vorgang. Doch können wir uns einmal fragen, welcher Glaube oder welche Angst hinter diesem oder jenem Satz steckt. Wir können das, was wir von unseren Kindern und von uns selbst glauben, in Frage stellen.
Durch innere Erkundung treten wir aus unseren festen Mauer heraus und können sehen, wie dieses Mauersteinchen dahingekommen ist, wo es so fest steckte. Vielleicht heißt dieses Mauersteinchen: „Reiß dich zusammen!“ Wenn wir es genau betrachten, können wir es vielleicht aufhübschen oder ersetzen. Dann können wir uns zum Beispiel sagen: „Du darfst diese Situation verlassen – sie war doch sowieso nicht das, was Du gesucht hattest.“ Und wir können diese gute innere Stimme immer wieder aufsuchen und in uns sprechen lassen. Dann können wir hören, wie wir zu uns selbst so etwas sagen wie: „Ach Schätzchen, Du musst Dich doch nicht so quälen.“
„Hör auf deine innere Stimme!“ – doch auf welche?
„Hör auf die Stimme, sie macht dich stark, sie will dass du’s schaffst, also hör was sie dir sagt“, singt Mark Forster (Youtube). Doch das ist nicht immer so einfach, denn oft haben wir viele Stimmen in uns. Gäbe es nur eine, wäre es ja gut – oder schlecht, je nachdem. Die Stimme, die manchmal am lautesten zu uns spricht, will vielleicht gerade nicht, dass wir es schaffen – zum Beispiel, weil wir uns schuldig fühlen und uns irgendwie selbst bestrafen wollen oder weil wir den Neid von Eltern und Geschwistern nicht auf uns ziehen wollen. Unsere Innenwelt ist oft voller Stimmen. Manchmal haben wir das Gefühl, wir müssten uns unbedingt für eine Stimme entscheiden, damit Ruhe ist, aber dann bleiben Zweifel. Bei der „wahren“ Stimme – der Intuition – geschieht die Entscheidung eher leicht; alles ist dann klarer und die Entscheidung ist stabiler.
Wenn wir ganz alleine sind, wenn wir auf dem Feld im Wind stehen, dann können wir sie oft wieder besser hören: die Stimme, die unsere Entwicklung fördert. Von Eckhart Tolle gibt es ein wunderbares, sehr lustiges Video, in dem er erklärt, warum wir unseren Gefühlen nicht unbedingt trauen können. Die Intuition komme im Gegensatz zum „Gefühl“ eher leise daher, friedvoll, ruhig, frei von Negativität und vom Denken unabhängig.
„Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust“, sagen wir manchmal. Wir können uns nicht entscheiden. „Mach dir doch eine Liste“, sagen manche und vergessen dabei, dass einzelne Punkte der Liste ein eigenes Gewicht an Gefühl haben. Oft bestehen die zwei Stimmen aus Gefühl und Verstand. Oder aus dem, was wir selbst denken und dem, was in unserer Vorstellung jemand anders denken würde. Es kommt darauf an, für welche Stimme wir uns entscheiden. 51% pro oder kontra reichen für eine Entscheidung.
Den Körper mitentscheiden lassen
Wie fühlt sich der Bauch an, wenn ich an meinen Herzenswunsch denke? Wie fühlt sich der Bauch an, wenn ich an meine Sorgen im Zusammenhang mit diesem Wunsch denke? Wie fühlt es sich an, wenn ich daran denke, das Haus zu kaufen, an dem mein Herz hängt? Und was passiert mit dem Körper, wenn ich an die finanziellen Nöte denke, die damit verbunden sind? Wenn’s nur den Hauch einer Chance gibt, dass der Herzenswunsch in Erfüllung geht, lohnt es sich, sich für den Gedanken zu entscheiden, der den Bauch weich werden lässt.
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Links:
Muhammad Tuhin
The Secret Psychology of Your Inner Voice
June 25, 2025
www.sciencenewstoday.org/…
Vironika Tugaleva
The Art o Talking to Yourself: Self-Awareness Meets the Inner Conversation
Soulux Press 2018
www.amazon.com/…
Tomlinson, Brian
Talking to Yourself: The Role of the Inner Voice in Language Learning
Applied Language Learning, v11 n1 p123-54 2000
eric.ed.gov/?id=EJ609883
R May, E Svanholmer et al. (2019)
Self-help guide to talking with voices
openmindedonline.com/…
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 28.7.2012.
Aktualisiert am 28.12.2025
One thought on “Wie sprichst Du eigentlich mit Dir? Finde die liebevolle Stimme in Dir und entwickele sie weiter.”
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meine Mutter fluchte stets „verdamm mich nochmal“ wenn ihr etwas nicht gelang. wie eine selbstverfluchung. ich habe es unbewusst abgewandelt in „verdammt nochmal“. was jedoch auch nicht gut ist, denn mein kleinkind formuliert meine worte nun auch wenn ihm was nicht passt.