Klagelieder können unser Leid kanalisieren

Wir wissen nicht, wohin. Unser Schmerz begleitet uns wie ein beständiges Hintergrundgeräusch. Wir spüren ihn in unserem Leben immer wieder. Anders als bei vielen körperlichen Gebrechen können andere diesen Schmerz jedoch nicht sehen. Wenn wir „schon wieder“ über unseren Schmerz sprechen wollen, schütteln die anderen verständnislos den Kopf. Zu lange geht das nun schon so. Doch wie können wir unsere inneren Schmerzen kanalisieren? Kürzlich las ich die Überschrift: „Es fehlt uns an Klageliedern“.
„Ich lege mich einfach ins Bett“, sagt eine Frau. „Ich greife zum Alkohol“, „Ich gehe joggen, esse Schokolade, bekomme Migräne“, sagen andere. Manche sagen: „Ich singe dann.“ Im Leben kommen wir immer wieder zu Schmerzpunkten. Die Geburt ist eine Situation größten Schmerzes. Manche Frauen sagen: „Ich habe meinen Schmerz irgendwie hinausgeschrien.“ Nur wenige haben das Glück, das „Tönen“ (Afonesis) zu erlernen. Mit gezielten Tönen begleiten sie ihren Schmerz. „Endlich hatte ich etwas an der Hand, mit dem ich meinem Schmerz eine Richtung geben konnte“, sagt eine Frau.
Vom Jammern und Klagen
Wenn wir dem Schmerz keinen Ausdruck verleihen dürfen, wenn wir niemanden finden, der uns wirklich zuhört und aushält, dann sind wir mit unserem Leiden überfordert. Das einzige, das uns dann nur übrig bleibt, ist das „Jammern“. Doch zum echten Wehklagen haben wir wenig Gelegenheit. Dabei lässt sich im Stöhnen und Klagen meditieren. Manchen hilft Beten, um ihr Leid an jemanden zu richten. Manche lesen die Bibel, um sich zu trösten – zum Beispiel die Psalmen, das Buch Hiob oder die Klagelieder Jeremias (Schlachter-Bibel.de). Wer Yoga erlernt, lernt vielleicht auch das Chanten, eine Art Sprech-Gesang, der eine oft einlullende Frequenz hat. Auch das kann bei vielen das Leiden zumindest etwas erleichtern.
Beispiele von klagenden Liedern:
- Bei Liebeskummer: Brahms: Einförmig ist der Liebe Gram 1891
- Bach: „Ich elender Mensch, wer wird mich erhören?“ Johann-Sebastian-Bach-Stiftung, Sankt Gallen, Youtube und bachstiftung.ch
- Schubert: Der Leiermann, 1827
- Bach: „Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen, Angst und Not sind der Christen Tränenbrot“, Youtube
Wer sich im Leid befindet, der kann ein Lied davon singen. Auf Twitter kann das Abendgebet unter #twomplet („Komplet“ auf Twitter) tröstlich sein, denn hier kann man seine Leiden vortragen und sie in ein Gebet einbetten. Das Leid zu kanalisieren, kann beruhigend und tröstend wirken – vor allem dann, wenn man alleine ist und niemandem „sein Leid klagen“ kann.
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Dieser Beitrag erschien erstmals am 22.12.2016
Aktualisiert am 13.6.2025
2 thoughts on “Klagelieder können unser Leid kanalisieren”
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Ach das freut mich, liebe Fischmondfahrt! :-))
hervorragend gesungen!!! Danke für den link, Dunja!