„Gibt es das wirklich, dass manche Menschen glauben, sie haben einen Engel auf der einen und einen Teufel auf der anderen Schulter, die ihnen unterschiedliche Sachen sagen?“, fragt das Kind. „Manche Menschen stellen sich das so vor. Der Engel und der Teufel sind Symbole. Sie machen es dem Menschen leichter, über manche Dinge zu sprechen.“ – „Ich sage lieber: Ich habe zwei Meinungen. Symbole sind Denkverschwendung. Die muss mein Denken ja erstmal erschaffen. Da denke ich lieber direkt“, sagt das Kind.
Kurze_Geschichten
Der Nikolaus kommt
Als Kind ist es ein schöner Traum. Wie aus Geisterhand erschaffen, kommt nachts der Nikolaus. Er macht alles heimelig. Das Kind stellt sich vor, dass es sich zusammen mit Mutter und Vater über den Besuch des Nikolauses freut. Alles wurde wie von selbst an diesem Morgen gemacht. Es ist, als hätte ein anderer einfach gut für die Familie gut gesorgt. Matt und müde stehen die Eltern mit tiefen Augenringen daneben. [Weiterlesen…] Infos zum Plugin Der Nikolaus kommt
Langeweile
Es ist so zäh. Die Tür geht auf. Müde Augen begegnen sich. Beide denken: „Nicht schon wieder.“ Doch die Pflicht, sie ruft. [Weiterlesen…] Infos zum Plugin Langeweile
Kette des Guten
Erst ist man auf der Suche. Vielleicht sein halbes Leben lang. Oder länger. Und dann trifft man auf einen Menschen, der ist gut. Der nimmt sich Zeit, der nimmt einen ernst, der lehrt, sich selbst zu verstehen. Da gibt es keine „brutale Ehrlichkeit“, sondern vorsichtiges Fragen, vorsichtiges Interesse. Dann tritt noch ein guter Mensch in das eigene Leben. Und dann noch einer und noch einer. Keine Angst, es ist auszuhalten, denn der schlechten Menschen gibt’s genug. Aber das Gute, es ist wie eine Kette. Ein Glied reiht sich an das andere. Irgendwann wird man gehalten und aufgefangen vom Guten. In Freiheit. Und Sicherheit. Das späte Glück, die späte Familie ist da. [Weiterlesen…] Infos zum Plugin Kette des Guten
Vojta-Therapie aus Sicht des Babys
Das Kind, es ist noch ein Baby. Ein sehr kleines Baby. Viel zu klein, um einen genaueren Orientierungssinn zu haben. Und doch beginnt es immer dann zu schreien, wenn die Mutter die Einfahrt hochfährt. Das Baby, es weiß genau, was jetzt kommt. Es wird entkleidet. Und auf den Bauch gelegt. Dann wird es gequetscht. Von einem anderen Bauch. Ein erwachsener Bauch legt sich über das Baby. Eine Hand hält seinen Kopf. Das Baby, es fühlt sich gezwungen, sich hochzudrücken. Sein Schambein drückt gegen die Liege. [Weiterlesen…] Infos zum Plugin Vojta-Therapie aus Sicht des Babys
Die Glocke
Das Kind, es ist längst erwachsen. Und doch lebt es in der Glocke seiner Kindheit. Dort war die Luft verpestet und die Suppe versalzen. Das Kind, es lebt mit seinem Körper in einem Wackelpudding. Es steht fest wie ein grünes Ampelmännchen. Es hat den schwabbeligen Bauch der Mutter vor Augen und den Gürtel des Vaters im Ohr. Es riecht das Verbrechen. Es lebt noch in der Glocke. Aber es erkennt seine Wünsche. Es findet die Tür zu seinem Inneren. Und verweilt. Es findet die Tür nach draußen. Das Mädchen, es tritt heraus. Und kann sich bewegen. [Weiterlesen…] Infos zum Plugin Die Glocke
Die Freude. Eine Fata Morgana.
Sie freute sich auf’s Wiedersehen. Die Freude in ihrem Herzen hüpfte wie ein kleines Kind. Endlich war es so weit. Sie stieg in ihr Auto und lauschte der schönen Musik. Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Sie träumte. Sie näherte sich der Freudenquelle. Dann waren es nur noch zwei Kilometer. Und die Freude, sie tropfte langsam aus einem Loch, das sie nicht finden konnte. Dann sah sie ihn wieder. Und ihr Freudenschiff ging unter ohne Aussicht auf Halt. [Weiterlesen…] Infos zum Plugin Die Freude. Eine Fata Morgana.
Wenn ich schwimmen gehe
„Wieviele Bahnen schwimmst du?“ Ich dusche heiß. Ich laufe über das nasse Gras durch die kalte Luft. Ich tauche ins warme Wasser. Ich sehe, wie die Sonne darin glitzert. Ich höre, wie ich unter Wasser ausatme. Ich spüre, wie meine Beine mich schieben, wenn ich kraule. Ich sehe die Kugeln der Trennseile an mir vorbeiziehen. Rot und weiß. [Weiterlesen…] Infos zum Plugin Wenn ich schwimmen gehe
Die neidische Mutter
Das Kind ist längst erwachsen. Längst hat es das Nest verlassen. Und doch: Sie sitzt auf der Schulter, sie kontrolliert. Die Mutter taucht immer wieder auf, wenn das Kind sich weiterentwickeln will. Sie taucht auf, wenn das Kind sich einem Mann nähert, wenn es schön aussehen will, wenn der Geldregen kommt. Sie weiß alles besser und durchkreuzt ihre Pläne. Sie weist zurecht, sie weckt den Zweifel. Doch plötzlich ist die Mutter nicht mehr die Schönste im ganzen Land. Das Kind, es ist nicht länger angefasst, nicht länger angepasst. Die Mutter als Schrecken löst sich auf wie Rumpelstilzchen, wenn man es bei seinem Namen nennt.
End of Story. Eine lange Kurzgeschichte.
Geboren worden
Vergewaltigt worden.
Einsam leben.
Einsam sterben.
End of story.