
Sehr häufig haben wir Gedanken, die wir gar nicht bewusst denken („Thoughts without a thinker“, Bion). Sie schweben einfach in uns herum, vielleicht als unbewusste Phantasie. Vielleicht sind sie noch nicht ausgegoren. Die Gedanken brauchen einen Raum, in dem sie gedacht werden können: Sie brauchen einen Denkraum und natürlich einen Denker, der sie denkt.
Es können nur Gedanken gedacht werden, die auch reif genug sind, um gedacht zu werden. In seinem Buch „Elemente der Psychoanalyse“ beschreibt der Psychoanalytiker Wilfred Bion (1897-1979), dass es aus seiner Sicht einen Denkapparat gibt und Gedanken, die sich in diesem Denkapparat bewegen. Denkstörungen können seiner Ansicht nach einmal in einem unterentwickelten Denk-Apparat oder in unterentwickelten Gedanken ihre Ursache haben.
Bion unterscheidet ein „primitives Denken, das bei der Entwicklung des Denkvermögens aktiv ist von einem Denken …, das für die Verwendung von Gedanken erforderlich ist. Das Denken, das bei der Entwicklung von Gedanken angewandt wird, unterscheidet sich von dem Denken, das erforderlich ist, um Gedanken zu verwenden, wenn sie bereits entwickelt sind.“
(Bion: Elemente der Psychoanalyse, suhrkamp 1992, S. 66)
Bion hat die Theorie, dass „… thoughts must be distinguished from thinking, originate before thinking and require a mind to think them.“
„Gedanken müssen vom Denken unterschieden werden. Sie entstehen vor dem Denken und brauchen einen Geist, der sie denkt.“
James Grotstein (1925-2015): A Beam of Intense Darkness – Wilfred Bion’s Legacy to Psychoanalysis, Karnac Books 2007, S. 207: A Theory of Thinking.
Mit Gedanken etwas machen
Gedanken werden nicht immer gedacht. Bion spricht davon, dass eine psychotische Person etwas mit ihren Gedanken tut, anstatt sie zu denken. Er macht darauf aufmerksam, „wieviel Disziplin und Mühe jeden Menschen ein gewisses Maß an kohärentem Denken kostet.“ (Bion: Elemente der Psychoanalyse, suhrkamp 1992, S. 61)
„Ich schlage vor, den Apparat für das Denken vorläufig durch das Zeichen ♂ ♀ zu repräsentieren.“
(Bion: Elemente der Psychoanalyse, suhrkamp 1992, S. 62)
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 9.7.2015
Aktualisiert am 10.11.2019