Die Angst, laut loszuschreien, hat viele Ursachen. Das kannst Du tun.

Die Angst, einfach laut losschreien zu müssen, ist nicht selten. Die Impulse können sehr stark sein, ähnlich wie bei einem Tourette-Syndrom. Diese Angst kann bei psychischen Belastungen vorkommen, insbesondere dann, wenn Du z.B. frühtraumatisiert bist. Vielleicht hast Du schon früh medizinische Behandlungen, Gewalt oder die Vojta-Therapie über Dich ergehen lassen müssen. Das waren Situationen, in denen Du als Baby enorm unter Druck warst und laut schreien musstest. Du hörtest Dich selbst dabei schreien. Gerade in angespannten, auch in stillen Situationen, können Dir Bilder vom Schreien in den Kopf kommen oder Du hast das Gefühl, gleich selbst laut losschreien zu müssen. Dieser Drang entsteht möglicherweise häufig in Situationen, in denen Du schlecht wegkommen würdest: in Aufzügen, Seilbahnen, in einer ruhigen Situation mit Kind oder Partner, im Flugzeug, während der Moderation einer Fernsehsendung oder im Hörsaal. Etwas will sich Gehör verschaffen – DU willst Dir Gehör verschaffen.

Die Angst, sich zu blamieren und für verrückt erklärt zu werden, ist dabei oft riesig. Wenn Du vielleicht schon lange unter übermäßigem Anpassungsdruck, Überlastung, Wut und unerfüllten Veränderungswünschen leidest, kann der Drang, laut loszuschreien, groß werden. Der Schrei ist unsere ureigentümlichste Sprache. Manchmal lässt der Druck zum Schrei nach, wenn man über die eigenen Bedürfnisse und Gefühle sprechen kann. Manchmal reicht es auch schon, die eigenen Gedanken ernstzunehmen und mit sich selbst in einen inneren Dialog zu treten.

Wer schwere Traumata erlebt hat, der hat früher wahrscheinlich wirklich laut geschrien, ohne gehört worden zu sein. Ein spezielles Trauma haben aus meiner Sicht Menschen, die als Baby die Vojta-Therapie erhalten haben. Bei dieser – aus meiner Sicht – Form von Gewalt schreien die Babys entsetzlich. Wenn wir davon ausgehen, dass es ein Körpergedächtnis gibt bzw. ein „Embodiment“, dann wird verständlich, warum Betroffene bei Anspannung das Gefühl haben können, gleich laut losschreien zu müssen. Was immer an die frühen Körpererfahrungen erinnert, kann zu diesem Gefühl des Schreiens führen – das kann bereits schon ein langes verkrampftes Sitzen am Schreibtisch sein.

Tipps bei akuter Schreiangst:

  • Stelle Dir vor, in ein Kissen zu schreien
  • Überlege, was Du gerade dachtest und wie Du Dich fühltest
  • Überprüfe Deine Körperhaltung – warst Du gerade lang „eingezwängt“?
  • Balle Deine Fäuste, um Deine Anspannung dorthin zu leiten
  • Halte Dir Deinen Ellbogen vor Nase und Mund und atme kurz dort hinein
  • Lasse Deinen Phantasieraum größer werden. Stelle Dir vor, Du hättest eine große Wiese vor Deiner Tür oder stelle Dir vor, im Wasser zu schwimmen und unter Wasser auszuatmen
  • Mache Pranajama-(Atem-)Übungen, z.B. die Ujjayi-Übung
  • Überlege, was Du Dir vorstellst, befürchtest, fühlst und wünschst und wie Du es sagen kannst
  • Versuche Dir vorzustellen, in welcher anderen Situation Du jetzt gerne wärest oder wo Du einmal hin möchtest
  • Die Arme eng an den Körper und etwas nach hinten zu drücken kann ein Gefühl von „Halt“ vermitteln
  • Stelle Dir vor, Du hast ein Gegenüber, dass Dich ernst nimmt und Dich gleichzeitig frei lässt. Dieses Gegenüber kannst bereits Du für Dich selbst sein. Manchmal können schon Tagebuchschreiben oder eine heiße Dusche helfen.

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Dieser Beitrag erschien erstmals am 17.9.2012
Aktualisiert am 18.4.2024

3 thoughts on “Die Angst, laut loszuschreien, hat viele Ursachen. Das kannst Du tun.

  1. Dunja Voos sagt:

    Liebe/r „Psychotherapie“,

    vielen Dank für Ihren Kommentar, mit dem Sie vollkommen Recht haben. Ich habe den Beitrag daraufhin ergänzt.

    Dunja Voos

  2. Die Angst laut loszuschreien kann m.E. aber auch im Kontext einer Zwangsstörung auftreten: hier haben die Betroffenen ja oft die Angst, etwas sozial Unübliches oder Tabuisiertes zu tun … wenn es zu Zwangshandlungen kommt, um diesen Impuls zu unterdrücken, wäre eine solche Diagnose also auch zu überlegen. Im Rahmen einer Psychotherapie ist es oftmals auch wichtig, Differenzialdiagnosen zu überlegen …

  3. violinista sagt:

    Glücklicherweise begnüge ich mich in derlei Situationen mit dem Kopfkino, das ja schon aufregend genug ist. Daher ist die Angst davor, tatsächlich mal etwas Verrücktes zu tun während eines Konzertes, auch nicht besonders ausgeprägt. Also ich denke: in Maßen ist die Veranlagung, sich solche Dinge auszumalen, eher amüsant. Den pathologischen Zustand hingegen stelle ich mir tatsächlich kritisch vor.

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