Thought-Action-Fusion: Wenn Gedanken schon wie Taten sind

Gedanken (mehr „worthaft“) und Phantasien (mehr „bildhaft“) können sich so mächtig und grenzenlos anfühlen, dass es einem vorkommt, als hätte man schon längst gehandelt oder etwas mit seinen Gedanken in der Außenwelt bewirkt. Der Gedanke wird oft von einem drängenden Gefühl begleitet. Wenn ich sexuelle Gedanken oder Phantasien habe und dazu ein Gefühl der Erregung, dann kann es sein, dass ich mich schäme, obwohl ich doch aktiv gar nichts getan habe – es ist, als würde schon durch meine Gedanken und Gefühle etwas geschehen. Diese Gleichsetzung von Handeln und Tun nennen Psychologen „Thought-Action-Fusion“. Das Bindeglied ist oft ein starkes Gefühl, das sowohl beim Denken/Phantasieren als auch beim Handeln ähnlich ist.

In der Bibel findet man den Satz: „Doch ich sage euch: Schon wer eine Frau mit begehrlichen Blicken ansieht, der hat im Herzen mit ihr die Ehe gebrochen.“ (Matthäus 5:27-48) Auch dies lässt an Thought-Action-Fusion denken – auch, wenn nur „im Herzen“ die Ehe gebrochen wurde. Nicht wenige streng Gläubige und Menschen mit Zwangsstörungen haben Angst vor solchen inneren Regungen und Gedanken. Doch sie zu unterdrücken, macht sie nicht weg. Besser ist es, sie bewusst wahrzunehmen und zu wissen: Man muss nicht automatisch handeln. Es gibt auch noch den Verstand.

„Ich bin dein Liktor, und ich geh‘
Beständig mit dem blanken
Richtbeile hinter dir – ich bin
Die That von deinem Gedanken.“
Heinrich Heine, Ein Wintermährchen

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Buchtipp:

Herman Beland:
Die Angst vor Denken und Tun
Psychosozial-Verlag 2014

Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 19.3.2019
Aktualisiert am 8.5.2023

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