Ohne den Segen der Mutter

Die Mutter lässt nicht los. Sie hat Angst vor dem Verlassenwerden. Jeder Schritt des Kindes eine Bedrohung. Das Kind, es schielt nach der Mutter. Es spürt ihre Angst. Es muss sich heimlich entwickeln. Es klettert eine Etage höher. Die Mutter bemerkt es. Und gerät in Rage. Das Kind will die Mutter schützen. Es zeigt ihr mutig: „Schau her, ich bin eine Stufe höher gekommen, aber ich freue mich nicht daran. Ich bleibe bei Dir.“ Das Kind sitzt eingesperrt mit der Mutter im Turm. Es heißt Rapunzel.

Es wartet so sehr auf die Mutter. Es wartet auf eine Mutter, die sagt: „Meinen Segen hast Du. Geh‘ mit den anderen in die Welt.“ Eines Tages begreift es: So eine Mutter wird es nie haben. Je weiter es kommt, desto stärker wird ihr Widerstand. Das Kind fühlt sich schuldig mit jedem Schritt. Es ist kein schönes Gefühl. Eines Tages sagt es zur Mutter: „So soll es sein.“ Es geht hinaus mit den anderen. Die anderen, sie warten schon lange. Endlich.

Verwandte Artikel in diesem Blog:

Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 19.12.2022
Aktualisiert am 1.8.2023

2 thoughts on “Ohne den Segen der Mutter

  1. Dunja Voos sagt:

    Danke Ihnen, liebe/r Vergissmeinnicht, für die Rückmeldung :-)

  2. Vergissmeinnicht sagt:

    Danke… das ist wunderbar geschrieben. Ich kenne dieses Gefühl, dass die Mutter nicht loslässt. Es ist so schrecklich. Aber ich darf trotzdem gehen, auch wenn sie es mir nie erlauben wird.

Schreibe einen Kommentar