Chronischer Schlafmangel kann zu Übergewicht führen

Übergewichtige Menschen wissen meistens genau, wie eine gesunde Ernährung aussieht. Es ist nicht die Unwissenheit, die zu Übergewicht führt, sondern der Mangel an erfreulichen Momenten, an guten Beziehungen, an Wärme, Erholung, Schlaf oder auch einfach Geld. Wenn Du selbst betroffen bist, hattest Du möglicherweise auch eine schwierige Kindheit. Frühkindliche Traumata können später zu psychischen Schmerzen führen, die so groß sind, dass scheinbar nur Essen sie zu lindern vermag. Durch das Essen bekommst Du das, was Dir gut tut: Wärme, Trost, Stressdämpfung und Energie. Du fühlst Dich für den Augenblick vielleicht weniger allein, wenn Du etwas „zu Dir“ nimmst.

Es geht nicht um die Frage: „Was machen die Dicken falsch, dass sie so dick sind?“ Es geht um Fragen wie: „Was belastet mich so sehr? Was raubt mir den Schlaf?“

Wenn wir an Schlafmangel leiden, sind wir anfällig für Übergewicht sind (Short Sleep Duration and Weight Gain: A Systematic Review, Patel und Hu, 2008). Wenn wir nicht ausreichend schlafen, holen wir uns unsere Energie aus dem Essen. Doch auf genügend Schlaf zu achten ist leichter gesagt, als getan. Wer im Schichtdienst arbeitet, kann nicht einfach sein Berufsleben umkrempeln; wer kleine Kinder hat, kann sie nicht einfach aus dem Weg räumen. Und wer aufgrund von Ängsten oder Schmerzen nur wenig Schlaf findet, der kann nicht auf Kommando gut schlafen.

Wichtig ist jedoch das Bewusstsein für die Zusammenhänge. Achte auf Deine Müdigkeit und treibe keinen Sport, wenn Du zu erschöpft bist dazu. Allein das Wissen darum, wie wichtig der Schlaf ist, kann zu Veränderungen führen.

Das, was wir mit dem Kaffee verbinden, macht dick

Es ist natürlich nicht der Kaffee selbst, der dick macht. Aber mit Kaffee assoziieren wir so viel: Wenn wir uns ein Tässchen Kaffee machen, können wir auch heiße Milch dazugeben. Und natürlich Zucker. Vielleicht ein Schokolädchen oder ein Stückchen Kuchen dazu. Und Sahne. Kaffee kann das Verlangen nach Milch und Süßigkeiten verstärken, weil wir Kaffee oft mit diesen guten Sachen zusammen zu uns nehmen. Wer also seine Ernährung umstellen möchte, der wird erstaunt sein, wie es wirkt, wenn man sich „einfach“ einen guten kaffee macht, vielleicht mit milch, doch statt kuchen kann man ein schälchen nüsse dazu nehmen. Und auch hier wieder kannst Du einmal darauf achten, ob Du mit dem Kaffee nur Deine Müdigkeit wegbekommen möchtest. Wenn Du Dich hinlegen kannst – und seien es nur fünf minuten -, wirst Du merken, wie Du in dem Moment des Ausruhens auf Essen als Energiequelle verzichten kannst.

Adipositas ist das medizinische Wort für starkes Übergewicht, oder auch „Fettleibigkeit“ (lateinisch: adeps = fett). „Adipositas permagna“ notieren Ärzte, wenn sie die „richtig Dicken“ meinen („permagnus“ = „sehr groß“). Diese Diagnose erhält man ab einem Body Mass Index von 40. Ab einem Body-Mass-Index (BMI, Körpergewicht in kg/m² Körperlänge) von 25 gilt man als übergewichtig, ab einem Wert von 30 als „fettleibig“ (= adipös). Traumata und infolge dessen Schlafmangel sind wichtige Ursachen des Übergewichts (Midei and Matthews, 2011).

Es ist nicht das Sechs-Gänge-Menü in Gesellschaft, das dick macht, sondern jenes in Einsamkeit.

Verwandte Artikel in diesem Blog:

Studien:

Midei AJ und Matthews KA (2011):
Interpersonal violence in childhood as a risk factor for obesity:
a systematic review of the literature and proposed pathways
DOI: 10.1111/j.1467-789X.2010.00823.x
Obesity Reviews 2011, 12: e159-e172

Koball, Afton M. et al. (2011):
Eating when bored: Revision of the emotional eating scale with a focus on boredom
Health Psychology, Oct 17, 2011, No Pagination Specified. doi: 10.1037/a0025893

Schlafmangel fördert Adipositas (2007)
Ärztezeitung 13.3.2007

Petra Warschburger (2008):
Psychosoziale Faktoren der Adipositas in Kindheit und Adoleszenz
Handbuch Essstörungen und Adipositas pp 259–264
https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-540-76882-1_42

Hungerhormon (Ghrelin) vertreibt auch Angst und Depression
https://www.wissenschaft-aktuell.de/artikel/Hungerhormon_vertreibt_auch_Furcht_und_Depressionen_1741015585055.html

B Kuntz, T Lampert (2008):
Sozioökonomische Einflussgrößen der Verbreitung von
Übergewicht und Adipositas in Deutschland

https://edoc.rki.de/handle/176904/726;jsessionid=6861AE0E3794E36C615E2AEB132C6485

James A. Levine et al. (2005):
Interindividual Variation in Posture Allocation:
Possible Role in Human Obesity

Science 28 January 2005:
Vol. 307. no. 5709, pp. 584 – 586
Abstract

Bereits kleine Bewegungen können beim Abnehmen helfen:
„If obese individuals adopted the NEAT-enhanced behaviors of their lean counterparts, they might expend an additional 350 calories (kcal) per day.“

NEAT = Non-Exercise Activity Thermogenesis
James A. Levine, der NEAT-Forscher (2005)

Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am: 30.10.2011
Aktualisiert am 5.2.2024

11 thoughts on “Chronischer Schlafmangel kann zu Übergewicht führen

  1. Ostseefloh sagt:

    Liebe Dunja Voos,

    Schlafmangel und Dauerstress haben mich dick gemacht. Schon mein Leben lang. Jede der unzähligen Diäten war Stress – und mit Traurigkeit verbunden – aber auch Sport in übermüdetem Zustand (Dank chronischem Schlafmangel quasi ständig) oder im Zeitstress. Dabei habe ich immer beobachtet, dass schlanke Menschen in meiner Umgebung „viel“ und sorglos essen, dabei auch mal eine Mahlzeit (ungeplant) knapper oder ausfallen lassen und viele davon sich nicht für Sport interessieren. Dieses Muster begegnet mir seit 27 Jahren Leidensgeschichte mit Übergewicht. Bisher war ich echt zu doof, um das auf mich anzuwenden – ich kämpfe und strampel immernoch…

    Herzliche Grüße
    Iris Ostseefloh

  2. Guten Tag Frau Dr. Voss,

    mit großer Aufmerksamkeit und Interesse habe ich Ihren Artikel gelesen. Als selbst betroffene, was das Thema Übergewicht angeht, fand ich ihn außerordentlich informativ. Vor allem der Punkt Schlafmangel hat mich aufhorchen lassen. Als Krankenschwester im Schichtdienst, dachte ich immer ich bilde mir das nur ein, dass wenn ich zu wenig Schlaf bekomme, mein Körper in Sachen Gewicht verrückt spielt. Über die Jahre hinweg konnte ich beobachten, dass ich bei Schlafdefizit tendenziell zunehme, auch wenn ich beim Essen diszipliniert bin.

    VG Bianca

  3. christina sagt:

    Liebe Frau Dr. Voss,
    ich möchte mich aufrichtig bei Ihnen bedanken zu diesem Thema.
    Lieder gibt es immer noch nicht genügend Informationen bei einer dissoziativen Identitätsstörung und Übergewicht und Übergeicht nach sexuellem Missbrauch in Therapie.
    Immerhin bin ich mächtig stolz, das ich es geschafft habe mein Gewicht von 138 kg auf 88 kg zu reduzieren.

    Es war Kampf, ein unendlicher Kampf und wie gesagt, ich habe erkannt, diese Schlafstörungen und Flash Backs führten und führen immer noch dazu, das ich esse, esse mich warm und erlebe dann erst einmal ein wohliges sattes Gefühl.

    Es ist nur von kurzer Dauer und ich bin dankbar, das ich dann 3 Hunde habe, die mir immer wieder sagen, lasse mal den Kühlschrank zu und laufe mit uns durch Wald und Feld.

    Danke, das Sie mir und meinen Seelchen immer wieder eine große Hilfe sind, ich glaube ich habe es noch niemals gesagt,,, Danke das es Sie gibt..
    Bleiben Sie behütet.. Christina mit Seelchen…

  4. Katharina B. sagt:

    Ich bin ebenfalls mit zwei Dutzend Kilos zuviel unterwegs. Mit Programmen wie dem berühmten WW kann ich nichts anfangen. Auf den guten Weg gebracht haben mich Aufmerksamkeitstechniken in Zusammenhang mit Essen, sowie Body-Feedback und Medidation. Und ganz, ganz viel Selbstmitgefühl und Selbstliebe.
    Der wichtige Schritt ist, von den Selbstvorwürfen wegzukommen („Wieso hast du jetzt diese Schokolade gegessen und erst noch die ganze Tafel wenn du doch genau weisst, dass du abnehmen solltest….“) und hin zum (analytischen) Selbstmitgefühl: „Was hat mich so traurig/einsam/elend gemacht, dass ich so viel Schoki zum Trost essen musste, damit es mir besser ging?“
    Ein weiterer Schritt ist zu lernen auf das zu achten, was man isst, wie man es isst, den Geschmack, den Geruch… Man isst dadurch viel bewusster und langsamer. Und hört auf, tagsüber hundert kleine Sachen in den Mund zu stopfen (wie die Brötchenreste des Kleinen, das halbe Joghurt, das er stehen liess,….)
    Gute Ressourcen finden sich hier: http://www.arbor-verlag.de/thema/achtsam-essen

  5. Robby sagt:

    Zitat
    „Stress im Berufsleben, Einsamkeit, Beziehungsstörungen, sexueller Missbrauch in der Kindheit und viele psychosoziale Faktoren mehr können entscheidende Ursachen des Übergewichts sein“

    Die angeführten Faktoren mögen ja durchaus die Ursache für übermäßige Nahrungsaufnahme sein, sind es aber dennoch nur mittelbar.
    Die ‚Transformation‘ von bspw „Einsamkeit“ in die entsprechende Reaktion (nämlich „Essen“) ist ja nicht zwangsläufig und unabwendbar. Nicht jeder der einsam ist neigt zu Fettleibigkeit.
    In meinem Verständnis ist die Kosten / Nutzen Abwägung übermäßigen Essens (mit) ausschlaggebend. Der Lustgewinn (oder Unlust-Vermeidungs-Gewinn) überwiegt doch offenbar eindeutig die Kosten die sich aus solchen Gewohnheiten ergeben.
    Insofern fände ich es sinnvoll die von Fettleibigkeit betroffenen flankierend an den entstehenden Kosten etwaiger Adipositas-Folgebehandlungen zu beteiligen.

  6. Der NEAT-Ansatz ist aber, wenn ich das richtig verstanden habe, bloße Theorie?
    Mehr alltägliche Bewegung zu realisieren, ist wegen der alten Gewohnheiten schwierig – eine Frage der Motivation und des Umfelds.
    Sportvereine bieten wenig an, wo Übergewichtige sich wohlfühlen.
    Bedingt wäre Qi-Gong zu empfehlen; ich vermute es jedenfalls.
    Konzepte, die die Selbstkontrolle erleichtern, kommen auch an die Grenzen des Machbaren…
    Zur Wirksamkeit von Psychotherapie und -Analyse bei Adipositas liegen m.W. noch nicht einmal Daten vor.
    Relativ sicher lässt sich aber belegen, dass das Interesse an dem Thema verhältnismäßig gering ist.
    Was den Ansatz, mit Selbsthilfegruppen wirksame Veränderungen zu ermöglichen, betrifft: Der ist völlig in Vergessenheit geraten, lange, bevoer er den Kinderschuhen entwachsen ist.
    Da wäre noch vieles möglich, wenn es gewollt wäre.

  7. Dunja Voos sagt:

    Liebe Silke,

    ja, das mit dem Kleinkind kenn ich auch. Ich glaube, in dieser Zeit bleibt einem fast nichts anderes übrig, als die mütterlichen Rundungen an sich zu akzeptieren. Für Schlaf und Bewegung ist dann später wieder mehr Zeit ;-).

  8. Silke Jäger sagt:

    Liebe Dunja,
    ich habe mit Ineresse gelesen, dass Schlafmangel zu erhöhtem Appetit führt. Seitdem habe ich diesen Aspekt einmal bei mir beobachtet und stelle genau das bei mir fest: Zu wenig Schlaf zerstört meinen Biorhythmus, ich kann nicht richtig frühstücken, weil ich zu müde bin und habe im Laufe des Tages einen völlig chaotischen Appetit gekoppelt mit einer Unlust auf gesunde Lebensmittel. Von Spaß beim Kochen kann keine Rede sein und dadurch schmeckt das Essen auch nicht besser. Schokoriegel und Co. gehen in dieser Situation wirklich besser.
    Da mein Schlafmangel häufig mit unterbrochenen Nächten durch ein kleines Kind verursacht ist, fühle ich mich jedoch etwas hilflos bezüglich der Ursachenbekämpfung und setze darauf, dass die Zeit es richten wird. Von per magna bin ich zum Glück noch sehr weit entfernt. :-)

  9. Dunja Voos sagt:

    Liebe Lotta,

    ich bin überzeugt, dass die Operation der schlechteste Weg ist und dass diese oft durchgeführt wird, obwohl noch viele andere Wege gegangen werden könnten. Die Verlockung, sofort etwas „Einschneidendes“ zu tun, ist natürlich groß. Doch ob man sich danach auf längere Sicht wirklich erleichtert fühlt, ist fraglich.

    Dunja

  10. Dunja Voos sagt:

    Liebe Lotta,

    ich bin überzeugt, dass die Operation der schlechteste Weg ist und dass diese oft durchgeführt wird, obwohl noch viele andere Wege gegangen werden könnten. Die Verlockung, sofort etwas „Einschneidendes“ zu tun, ist natürlich groß. Doch ob sich die Patienten hinterher auch auf längere Sicht wirklich so erleichtert fühlen, ist fraglich.

    Dunja

  11. lottchen79 sagt:

    Also ich bin sicher, dass Adipositas einiges mit der Psyche und auch mit Vorsorge zu tun hat. Doch was macht man, wenn es schon passiert ist. Ich kann in meiner Situation keinen Sport treiben und durch FDH oder Vermeidung psychischen Stresses kann man auch nicht wirklich 50kg abnehmen. Ich habe auf der Seite adipositasmuenchen.de Informationan zu operativen Behandlungen gelesen und bin der Meinung, dass ab einem bestimmten Stadium fast nichts anderes mehr hilft.
    LG Lotta

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