
Wenn Patienten in der Psychoanalyse nicht sprechen, wird es manchmal schlicht als „Widerstand“ bezeichnet. Manchmal können Patienten nicht sprechen, weil sie dissoziiert sind und sich in einer Art Starre befinden. Manchmal aber können sie auch nicht sprechen, weil sie eine Art „Phobie“ gegenüber ihren eigenen Phantasien, Gedanken und Assoziationen haben. Wird ein Gedanke gedacht und ausgesprochen, folgt schon der nächste. Das darf bei manchen Patienten nicht sein. Der Psychoanalytiker André Green (1927-2012) hat für diese Phobie den Begriff „Zentrale Phobische Position“ geprägt.
Bloß keine Verbindungen!
Green benutzt den Begriff „zentral“, um zu betonen, dass der Patient sich in einem bedrohlichen Zustand befindet, der dadurch bedingt ist, dass bedeutungsvolle Zusammenhänge hergestellt werden könnten zwischen Teilen der Psyche, die bisher unverbunden waren.
Die Themen bedrohen den Patienten nicht nur, weil das strafende Über-Ich sich melden könnte, sondern auch, weil das Ich erschüttert wird, wodurch die große Angst entsteht, verrückt zu werden:
„I have chosen the adjective ‚central‘ to delineate this phobic position in order to emphasise that the patient is revealing a state of threat caused by the consequence of establishing meaningful links between a number of themes in the patient’s mind. These themes are threatening not only for the sanctions of the superego but also for the ego’s organisation therefore the fear of becoming mad.“ André Green, 2000: The Central Phobic Position: A New Formulation Of The Free Association Method. International Journal of Psychoanalysis, 2000, 81 (3): 429-451: S. 435)
„Unter der Bezeichnung »zentrale phobische Position« beschreibt der Autor (Andre Green) einen Geisteszustand in der analytischen Sitzung, der durch eine an Manifestationen des Negativen gebundene Störung des Assoziationsgeschehens gekennzeichnet ist.“ (Heißt: Das Negative hat sich so stark manifestiert, dass das Assoziationsgeschehen gestört ist.)
„Die Destruktivität konzentriert sich auf die eigenen psychischen Prozesse des Subjekts“ (Heißt: Der Betroffene greift seine eigenen psychischen Vorgänge an.)
„… und realisiert dabei eine Verleugnung der psychischen Realität des Patienten durch sich selbst.“
„Die zentrale phobische Position sucht durch Unterbrechung des Assoziierens die Potenzierung der verschiedenen Traumen in der Geschichte des Patienten zu vermeiden.“ (Heißt: Das freie Assoziieren wird unterbrochen, damit sich das Schlimme nicht potenziert.)
Andre Green:
Die zentrale phobische Position – mit einem Modell der freien Assoziation.
Übersetzt von Brigitte Große
Psyche 2002, Zeitschrift für Psychoanalyse, 56(5):409-441
Verwandte Artikel in diesem Blog:
Link:
André Green:
Die zentrale phobische Position
Psyche, 2002, 56(5), 409-441
Dieser Beitrag erschien erstmals am 2.9.2018
Aktualisiert am 27.10.2019
Schreibe einen Kommentar