
Manchmal fühlen wir uns zu etwas „getrieben“. Ohne „Atem-Antrieb“, ohne Hunger und Durst ist kein Leben möglich. Wir kennen unzählige Triebe. Manchen müssen wir unbedingt nachkommen, z.B. dem „Trieb“, uns bei starker Müdigkeit ins Bett zu legen und zu schlafen. Doch wie lässt sich ein Trieb beschreiben? Für alle, die’s ursprünglich lieben, hier die Definition von Sigmund Freud: (Text & Bild: © Dunja Voos)
„Unter einem ‚Trieb‘ können wir zunächst nichts anderes verstehen als die psychische Repräsentanz einer kontinuierlich fließenden, innersomatischen Reizquelle, zum Unterschiede von ‚Reiz‘, der durch vereinzelte und von außen kommende Erregungen hergestellt wird. Trieb ist so einer der Begriffe der Abgrenzung des Seelischen vom Körperlichen. … Die Quelle des Triebes ist ein erregender Vorgang in einem Organ und das nächste Ziel des Triebes liegt in der Aufhebung dieses Organreizes.“
Sigmund Freud: Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie, Reclam, Stuttgart 2010: S. 50/51
Der „Trieb“ geht vom Körper aus
Der innere körperliche Reiz verursacht eine psychische Vorstellung (Repräsentanz). Wir haben eine Vorstellung von unserem Körper. Das heißt: Wir können uns psychisch vorstellen, wo’s körperlich juckt. Wenn der Magen leer ist („Reiz“), dann verspüre „ich“ Hunger und habe eine Vorstellung von Mangel, zum Beispiel die Vorstellung von einem „Loch im Bauch“ (psychische Repräsentanz). Wenn zu viel Stresshormone im Körper sind, dann kann ich Wut verspüren (psychische Repräsentanz). Ein Trieb baut sich auf und verlangt nach Abfuhr.
Der Trieb erwächst aus einer Körperregung, die sozusagen in die Psyche gelangt und darauf drängt, befriedigt zu werden. Man giert nach Essen, will Wut loswerden oder mit dem Partner schlafen.
Umwege
Nicht alle Triebe können immer und sofort „ausgelebt“ werden – das verbietet uns unsere Kultur (siehe Sigmund Freud: „Das Unbehagen in der Kultur“, Link zu Gutenberg.Spiegel.de). Triebe werden daher oft verdrängt oder sublimiert.
„Sublimation“ bedeutet, dass der Trieb so befriedigt wird, dass auch die Gesellschaft mit meinem Verhalten leben kann. Wenn wir wütend oder erregt sind, können wir uns abregen, indem wir im Orchester eine Beethoven-Symphonie spielen. Kinder, die gerne mit Dreck oder Kot spielen würden, können diesen Trieb ersatzweise befriedigen, indem sie z.B. mit Fingerfarben malen. Diese Ersatzhandlungen heißen „Sublimationen“.
„Sublimation“ (sub = lateinisch für „unter“, limes = „Grenze“) ist eine „Umleitung“ auf dem Weg zur Triebbefriedigung. Es bleibt wohl meistens eine Art „schlechtere Wahl“, die man trifft, um in der Gesellschaft nicht anzuecken.
Es gibt viele Triebe
Wir kennen unzählige Triebe. Der Psychoanalytiker Wilfred Bion (1897-1979) nannte z.B. auch den „Wahrheitstrieb“ und den „Wisstrieb“ – das heißt, dass sich die Menschen nach der Wahrheit sehnen und diese durch Neugier herausfinden wollen. Der Psychoanalytiker Harold Searles (1918-2015), der viel mit Psychotikern arbeitete, beschrieb auch noch den Trieb, einen anderen verrückt zu machen und der Dichter Friedrich Schiller (1759-1805) erklärte, wie wichtig der „Spieltrieb“ für die menschliche Entwicklung ist.
„Von 1894-1911 dominiert der Dualismus Sexualtriebe versus Ich-(bzw. Selbsterhaltungs-)Triebe; von 1915-1920 sind es Sexual- vs. Aggressionstriebe und ab 1920 ist es Lebens- versus Todestrieb.“ Freuds Triebtheorie. (Mertens/Waldvogel: Handbuch psychoanalytischer Grundbegriffe, Kohlhammer-Verlag 2008)
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 23.2.2013
Aktualisiert am 22.5.2019
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