„Niemand hält mir den Rücken frei. Manchmal lassen sich die Dinge kaum noch schultern. Überhaupt kann mein Rücken mich ganz schön be-drücken. Aber jeder hat sein Kreuz zu tragen. Es wird sich schon wieder einrenken.“ Schmerz und messbarer Schaden gehen dabei oft getrennte Wege. Es gibt Menschen mit objektiv schlimmen Röntgenbildern denen es gut geht und solche mit stärksten Rückenschmerzen, die im Röntgenbild oder im MRT-Bild nur geringe oder gar keine Auffälligkeiten aufweisen.
Schmerz und Knochenschaden hängen oft nur wenig zusammen. Viel häufiger sind Muskeln, Sehnen und das Bindegewebe am Schmerzprozess beteiligt.
Wärme, Massagen, Gespräche
Unsere Sprache zeigt, wie sehr sich das seelische Befinden im Rücken ausdrückt: Das „steckt uns noch in den Knochen“ oder wir meinen, wir müssten uns für unseren Vorgesetzten „verbiegen“. Oftmals helfen Physio- oder Psychotherapeuten besonders gut, weil sie ein offenes Ohr haben und sich Zeit nehmen. Schon die Gelegenheit, endlich einmal zu erzählen und zu weinen, entspannt und entlastet.
Vielen Patienten geht es mit der guten alten Massage noch am besten, weil ihnen endlich jemand einmal über den Rücken streicht. Die Streichelrezeptoren werden aktiviert, die Muskeln können sich entspannen und der Schmerz lässt nach.
„Falsche Haltung“ in Verbindung mit Kummer macht den Schmerz
Da gibt es Musiker, die mit ihrer schiefen Körperhaltung alt werden und kaum an Rückenschmerzen leiden. Da schmiedet der Schmied sein Leben lang mit großer Hingabe, doch Rückenschmerzen sind für ihn nur gelegentlich ein Thema. Wer kennt das nicht: Sitzt man am Rechner, um die Steuererklärung zu erledigen, kann man sich leicht verspannen. Sucht man sich am Computer jedoch den nächsten Urlaub aus, nimmt es einem der Rücken kaum krumm. Rückenschmerzen können durch Fehlhaltungen entstehen. Aber nicht jede Fehlhaltung führt zu Rückenschmerzen. Es scheint oft so, als würden sich erst Kummer und Ärger mit der „Fehlhaltung“ zusammen zum Schmerz vereinen.
Welche Hexe hat geschossen?
Der „Hexenschuss“ kommt wie aus heiterem Himmel. Eine falsche Bewegung und nichts geht mehr. Vorbei sind Kummer, Sorgen und Konflikte – ähnlich wie beim Zahnschmerz dreht sich alles nur noch um diesen einen körperlichen Schmerz. Dennoch sollte man den psychosomatischen Anteil nicht aus den Augen verlieren. Manchmal hilft es, sich zu fragen, was denn vorher war. Gab es Konflikte mit dem Partner? Bestehen sexuelle Probleme? Bereitet die „böse Schwiegermutter (diese alte Hexe)“ oder „die neue Geliebte“ Probleme? Viele Erkrankungen heißen nicht umsonst so, wie sie heißen. Die Symbolsprache drückt viel Wahres aus. Wie gut ist es da doch, wenn der Doktor mit der „Spritze“ kommt und den Schmerz nimmt. Manchmal sind solche Erklärungen vielleicht weit hergeholt, manchmal treffen sie jedoch auch erstaunlich gut zu. Ist der Schmerz/der Stress/der Kummer vorbei, lässt sich vielleicht mit einem gewissen Schmunzeln auf so manchen „Hexenschuss“ zurückblicken.
Nicht nur „rein psychisch“
Wie so oft, lässt sich kaum sagen, ob Rückenschmerzen „rein körperlich“ oder „rein psychisch“ bedingt sind. Immer sollte das ganze Geflecht angeschaut werden. Ein empfehlenswertes Buch zum Thema Rückenschmerzen hat die Psychoanalytikerin und Körperpsychotherapeutin Dr. Helga Pohl geschrieben („Unerklärliche Beschwerden?“). Die Autorin hat die „Sensomotorische Körpertherapie nach Dr. Pohl ®“ entwickelt. In ihrem Körpertherapie-Zentrum hilft sie täglich vielen Menschen, deren Rückenbeschwerden als rein „psychosomatisch“ bezeichnet wurden. Unter anderem mit einer speziellen Anleitung zur Selbsthilfe gelingt es der Therapeutin, dass sich verspannte Muskeln wieder bewusst steuern lassen.
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Buchtipp:
Dr. Helga Pohl:
Unerklärliche Beschwerden?
Chronische Schmerzen und andere Leiden
körpertherapeutisch verstehen und behandeln
MensSana-Verlag bei Knaur, 2010, amazon
Links:
Sarah E. Lamb et al.:
Group cognitive behavioural treatment for low-back pain in primary care: a randomised controlled trial and cost-effectiveness analysis.
The Lancet, Volume 375, Issue 9718, Pages 916 – 923, 13 March 2010
doi:10.1016/S0140-6736(09)62164-4
Professor Sarah E (Sallie) Lamb, Warwick University, Great Britain
Prof. Dr. rer. biol. hum. Dipl. Psych. Michael Pfingsten:
Rückenschmerzen und Psychologie
Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie 2010; 11 (Pre-Publishing Online)
(PDF)
Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am: 10.2.2011
Aktualisiert am: 22.12.2018
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