Menschen mit schweren psychischen Störungen, z.B. mit der „Borderline-Störung“, fühlen sich mitunter brüchig. Sie wuchsen oft bei Eltern auf, die wenig einfühlsam mit ihnen umgingen oder nicht erkennen konnten, was sie brauchten. Nicht selten hatten die Eltern selbst nicht die Chance, psychisch zu reifen. In den Familien ging es laut zu, es wurde geschrien, es herrschte Chaos und Hysterie, die Sprache war wenig differenziert, es gab vielleicht Alkoholismus, sexuelle Übergriffe sowie psychische und körperliche Gewalt. Die Eltern konnten vielleicht kaum über sich selbst und das Kind nachdenken. (Text & Bild: © Dunja Voos)
Psychische Schwäche schimmert durch
Ein hoher Bildungsgrad kann psychische Schwäche nur teilweise ausgleichen. Häufig aber wurden die Eltern selbst nicht gefördert und haben ein relativ niedriges Bildungsniveau. In so einer extrem unsicheren Umgebung aufzuwachsen, ist für ein Kind meistens eine furchtbare Erfahrung. Es fühlt sich psychisch stark verunsichert und lebt in großer chronischer Angst. Als Erwachsene leiden die Betroffenen oft unter heftigen Angststörungen und dem Gefühl, sich auf niemanden verlassen zu können.
Beruhigend
Instinktiv hielten sich viele Betroffene schon als Kinder an gebildeten, psychisch reifen Menschen fest. Die fehlende innere Struktur kann durch die Struktur der Gesünderen zumindest etwas „aufgefüllt“ werden. Wenn die Betroffenen mit Menschen zusammen sind, die ihnen emotionale Sicherheit bieten, die selbst psychisch weitgehend gesund, ruhig und besonnen sind, die gebildet sind und die versuchen, zu verstehen, hat dies oft eine beruhigende Wirkung auf die Betroffenen.
Ansteckend
Wenn Menschen mit einer Borderline-Störung jedoch Straßenbahn fahren oder gar in die Psychiatrie kommen, kann das für sie eine psychische Katastrophe sein: Die „niedrige Struktur“ der anderen Menschen, die ebenfalls innerlich so schwach sind, reißt die Betroffenen quasi mit herunter. Oftmals ist die Angst vor dem Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel eng verbunden mit der Angst, vielen psychisch schwachen Menschen zu begegnen.
Innere Sicherheit erlangen
Kaum etwas ist für viele Borderline-Patienten wichtiger, als mit „guten Menschen“ zusammen zu sein. Manchmal erhalten sie auch die Diagnose „abhängige Persönlichkeitsstörung“. In einer Psychoanalyse kann es möglich werden, selbst nachzureifen und die reifen Strukturen des Analytikers selbst anzunehmen, so wie das Kind einer reifen Mutter sich selbst zu einem stabilen Menschen entwickeln kann. Ausschau halten nach Menschen, die einem gut tun und die einem die eigene Entwicklung ermöglichen sowie Bildung zählt zu den wichtigsten Faktoren, damit Menschen mit einer Borderline-Störung selbst zu mehr innerer Sicherheit und Ruhe finden.
Tala meint
Dankeschön :-)
Dunja Voos meint
Liebe Tala,
das kann ich gut nachvollziehen. Ich achte in meinen Beiträgen immer darauf, dass ich schreibe: „manche Patienten mit dieser Störung …“ oder „die Patienten haben oft …“ oder „es kommt nicht selten vor, dass die Betroffenen …“. Das tue ich, um zu verdeutlichen, dass man eben die Betroffenen nicht über einen Kamm scheren kann. Ich habe diesen Beitrag auf diesen Gesichtspunkt hin nochmals überprüft und überarbeitet. Vielen Dank für Ihren Hinweis!
Viele Grüße, Dunja Voos
Tala meint
Hallo Dunja,
ich bin mit Borderline diagnostiziert und kann mich damit gar nicht identifizieren. Zwar hatte ich eine sehr instabile Mutter, das Problem war jedoch eher übergriffiges und abhängiges Verhalten. In Psychiatrien hatte ich nie Probleme mich abzugrenzen. Mir gefällt nicht, dass in dem Artikel alle Borderliner über einen Kamm geschert werden. Viele Grüße
Tala
Dunja Voos meint
Liebe Kati,
ich freue mich sehr über Ihren Kommentar, vielen Dank!
Ja, es ist normal, dass man an viele Dinge erst nach sehr langer Zeit rankommt :-)
Ich wünsche Ihnen einen guten Weg mit viel Mut und Vertrauen.
Herzliche Grüße,
Dunja Voos
Kati meint
Liebe Frau Voos,
herzlichen Dank für diese vielen wertvollen Beiträge!! Ich lese Ihren Blog „rauf und runter“, oft auch um mich selbst wieder zu beruhigen. Weil ich mich hier so verstanden fühle!!! Ich denke oft – genau so fühle ich mich!
Seit 2014 bin ich in analytischer Therapie und ich fühle mich ganz oft am Rande des Wahnsinns!! Durch Ihren Blog konnte ich mich immer mal wieder zumindest ein kleines bisschen runterholen, sofern ich mich nicht zu sehr verstrickt hatte. Ich erkenne mich in der Borderline Symptomatik teilweise wieder, auch wenn ich diese Diagnose selbst nicht habe, vielleicht auch deshalb weil meine Therapeutin kein Freund von vielen Diagnosen ist.
Im Moment bin ich gefühlsmäßig auf Achterbahnfahrt, mein Antidepressivum habe ich abgesetzt, gleichzeitig geht die Therapie dem Ende zu nach 300 Stunden (nächstes Jahr im April), fühle mich dermaßen instabil. Auch habe ich das Gefühl, dass ich erst jetzt nach so langer Zeit an gewisse Dinge ran komme, ist das normal??
Aber ich bin meiner Therapeutin auch enorm dankbar, dass sie „das“ mit mir ausgehalten hat, ich dachte so oft,ich habe sie zerstört, sie bricht jetzt die Therapie ab! Aber sie hat wirklich „alles“ mit mir ausgehalten und das schätze ich sehr!!
Es ist wirklich sehr wertvoll, diese Arbeit, die Sie und auch alle anderen Analytiker leisten,!
Vielen lieben Dank dafür!!
Herzliche Grüße
Kati