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Aktuelle Seite: Startseite / Begriffe / Thomas Galli: Was die Kriminologie von der Psychoanalyse lernen kann

Thomas Galli: Was die Kriminologie von der Psychoanalyse lernen kann

26.07.2017 von Dunja Voos 1 Kommentar

Die Zusammenhänge zwischen Psychoanalyse und Kriminologie sind zu vielfältig und komplex, um sie in einem Beitrag wie dem vorliegenden auch nur annähernd andeuten zu können. Spontan könnte man etwa daran denken, der Frage näher nachzugehen, inwieweit die Psychoanalyse als Form von Therapie und medizinischer Heilkunst geeignet ist, Straftäter zu „heilen“, das heißt ihre Straffälligkeit zu reduzieren. Berücksichtigt man allerdings die Erkenntnis, die insbesondere Sigmund Freud in „Das Unbehagen in der Kultur“ ausgearbeitet hat, dass eine Kultur mit ihren Normen vom Einzelnen immer auch den (oft schmerzvollen) Verzicht einfordert, auf das Ausleben seiner Triebe zu verzichten, dann wird klar, dass das, was wir Kultur nennen, zumindest auch auf dem Leid der Individuen aufbaut. (Ein Gastbeitrag von Thomas Galli, Bild von Diana K. Weilandt)

Das Soziale und das Individuum

Jemand, der Normen bricht und Straftaten begeht, leidet dagegen nicht zwingend unter psychischen Problemen. Einen Menschen ausschließlich aufgrund seiner Straffälligkeit einer Psychoanalyse zu unterziehen könnte somit – auch wenn eine solche Analyse nur bei einem mehr oder weniger freiwilligen Mitwirken des „Patienten“ funktionieren kann – auch kritisch als Missbrauch einer Heilmethode betrachtet werden, die den Konflikt des Sozialen mit dem Individuum zugunsten des Sozialen aufzulösen versucht.

Das Über-Ich als Instanz der Verbote

Mit Hilfe der Psychoanalyse soll unter anderem ein zu mächtiges und die individuelle Entfaltung unterdrückendes und krankmachendes „Über-Ich“ (als psychische Instanz der Verbote der Außenwelt) in einem gesunden Maß in das „Ich“ integriert werden, das es handhaben kann. Insbesondere ist dafür Voraussetzung, dass die zugrundeliegenden Konflikte zwischen „Über-Ich“ („Du darfst nicht …“) und „Es“ („Meine Natur fordert …“) dem Patienten bewusst (gemacht) werden. Ein aus Sicht der Gesellschaft nicht ausreichend entwickeltes „Über-Ich“ zu kompensieren, ist dagegen (auch) Zweck der Strafe, aber eben nicht der der Psychoanalyse.

Fruchtbare Beiträge für die Kriminologie

In einem anderen, hier nur sehr grob anzudeutenden Sinn jedoch kann die Psychoanalyse sehr fruchtbare Beiträge für die Kriminologie liefern. Das betrifft die Psychoanalyse weniger als medizinische Behandlungsform, sondern vielmehr als eine Art zu denken, als philosophischen, aber auch empirischen Ansatz, den Menschen und seine Welt zu verstehen und zu erklären, um die Interessen von Individuum und Gesellschaft in ein für beide Seiten möglichst gesundes Verhältnis zu bringen.

Unverstandene Konflikte entfalten eine unheilvolle Wirkung

Insbesondere eine Grundannahme liegt dem psychoanalytischen Ansatz zu Grunde, die nicht nur in der Betrachtung des Individuums, sondern auch in der Analyse der Gesellschaft, insbesondere im Hinblick auf einen möglichst sinnvollen Umgang mit „der Kriminalität“ hilfreich sein könnte. Dies ist die Annahme, dass innere Konflikte eine unheilvolle Wirkung entfalten und immer stärker eskalieren können, wenn sie nicht gesehen und auch in ihren Ursachen nicht verstanden werden. Das gilt auch für soziale Konflikte, die sich aus widerstreitenden Interessen von Mitgliedern oder Gruppen von Mitgliedern einer Gesellschaft ergeben. Wenn diese Interessen nicht klar artikuliert werden, und die Ursachen der Konflikte nicht analysiert und verstanden werden, dann werden diese Konflikte in aller Regel stärker, schädlicher und ungesünder. Der Ausgleich widerstreitender Interessen folgt dann den Gesetzen der Macht, nicht dem Grundsatz des Wohls der gesamten Gesellschaft. Die Folge kann unter anderem eine zunehmende Kriminalität und eine daran „krankende“ Gesellschaft sein.

Tiefere Ursachen für Straftaten sind derzeit kaum von Interesse

Die Schlussfolgerung aus diesem Gedanken für die Kriminologie und insbesondere für die Kriminalpolitik kann nur lauten, dass jede Straftat zumindest auch vor dem Hintergrund betrachtet werden muss, welche tieferen Ursachen und welche sozialen Konflikte (um Ressourcen, um Chancen, um Wirkungsmacht, um Gleichberechtigung usw.) ihr zugrunde liegen. Das geschieht derzeit kaum. Die letzte Ursache einer Straftat wird meist im „freien“ Willen des Täters gesehen und verortet.

Die (auch) sozialen Ursachen mögen im Urteil angedeutet sein, sie spielen auf gesellschaftlicher und vor allem kriminalpolitischer Ebene aber kaum eine Rolle und werden kaum im Sinne eine Veränderung etwa der Verwendung von Ressourcen für die Zukunft selbstkritisch reflektiert. So verschwinden die Erkenntnismöglichkeiten über soziale Konflikte und ihre Ursachen und die Möglichkeiten, diese zu beheben, hinter hohen Mauern und Stacheldraht. Die Konflikte werden nicht gesehen, nicht verstanden, nicht erklärt, sondern mit Macht und großem Aufwand ins soziale Unbewusste verdrängt.

Eine solche Verdrängung kann beim Individuum nicht funktionieren und bei einer Gesellschaft erst recht nicht. Der Schaden wird so nicht kleiner, sondern größer.

Das also scheint mir mit das Wichtigste zu sein, was Kriminologen und Kriminalpolitik von der Psychoanalyse lernen können: genauer hinsehen, nicht verdrängen, analysieren, nicht illusionieren, wissen, nicht glauben. Es heißt, Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung akzeptieren. Das muss das Individuum, ob es will oder nicht, für alles, was in ihm ist und wirkt, und das muss eine Gesellschaft, für jedes Einzelne ihrer Mitglieder, und wir alle gemeinsam für das, was auf gesellschaftlicher Ebene passiert und nicht passiert. Wir können dieser Verantwortung nur gerecht werden, wenn wir uns immer wieder fragen: „Was steckt dahinter?“

Die Frage sei daher als Abschluss dieser kurzen Überlegungen erlaubt: Wenn es doch, bei näherer Betrachtung, offensichtlich ist, dass Gefängnisse nicht die Orte sein können, um Menschen zu integrieren und ihre Straffälligkeit zu reduzieren (und damit „die Kriminalität“ zu senken), warum gibt es sie dann noch? Was steckt dahinter?

Autor dieses Beitrags ist Dr. jur. Thomas Galli, geboren 1973. Er war Leiter der Justizvollzugsanstalten Zeithain und Torgau. Heute ist er als Rechtsanwalt in der Kanzlei Dr. Galli & Riedl in Augsburg tätig.

Auswahl von Büchern von Thomas Galli

Thomas Galli:
Die Schwere der Schuld
Ein Gefängnisdirektor erzählt
Das Neue Berlin – Eulenspiegel Verlagsgruppe, 2016
www.eulenspiegel.com


Thomas Galli:
Die Gefährlichkeit des Täters
Das Neue Berlin – Eulenspiegel Verlagsgruppe, 2017
www.eulenspiegel.com

Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 25.7.2017

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Kategorie: Begriffe, Psychoanalyse

Leser-Interaktionen

Kommentare

  1. Melevaspirit meint

    01.08.2017 um 18:52

    Was ich sehr fragwürdig finde ist, dass die Gefängniswärter ihre Launen an den Gefangenen auslassen können und das nicht hinterfragt wird, es ist Teil der Strafe .

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