„Das Strukturniveau ist gering integriert“, liest man in Psychotherapieberichten. Hier fehlt die Information, worin das „Niveau“ integriert ist, um den Satz zu verstehen. Und es stellt sich auch die Frage: Kann ein Niveau überhaupt irgendwo integriert sein? Diese sprachliche Ungenauigkeit sorgt manchmal für Verwirrung. Was ist gemeint? Ein Niveau wird eigentlich durch Höhenangaben näher beschrieben: Es gibt ein hohes, mittleres und unteres Niveau.
„Ich kenne mich gut/wenig gut/gar nicht“
Der Begriff „Strukturniveau“ beschreibt eigentlich, wie gut (auf welchem Niveau) bestimmte Fähigkeiten oder Eigenschaften in die Persönlichkeit „integriert“ sind. Zum Beispiel können Selbstanteile (z.B. chronischer Neid oder andere Gefühle, Charakterzüge etc.) gut, mäßig oder wenig in die Persönlichkeit „integriert“ sein. Das bedeutet, der Betreffende kennt sich selbst mit seinen Selbstanteilen gut, mäßig oder wenig. Er hat es in unterschiedlichem Ausmaß geschafft, seine Anteile zu „integrieren“, also sozusagen bewusst oder bewusst als etwas Eigenes zu bejahen, anzunehmen und wahrzunehmen.
Die Persönlichkeitsstruktur
Bei „Struktur“ denkt man auch an „Persönlichkeitsstruktur/Charakterstruktur“. Jemand ist „zwanghaft strukturiert“ sagt man, wenn jemand morgens seine 10 Bleistifte anspitzt und fein säuberlich nebeneinander legt.
In der Persönlichkeitsstruktur kann aber auch etwas fehlen. Der Begriff „Ich-strukturelles Defizit“, kann z.B. bedeuten, dass jemand ein schwaches „Über-Ich“ hat, dass er also ständig andere schlecht behandelt, ohne sich schuldig zu fühlen. Ziel der Psychoanalyse ist es dann, an diesen „Ich-strukturellen Defiziten“ zu arbeiten.
(In: Inauguraldissertation von Bernhardine Menke: Die Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik (OPD-2): Strukturniveau und psychiatrische Diagnose. Münster, 2011: S. 20, http://d-nb.info/1017643253/34)
Strukturbestandteile der Persönlichkeit
Die Persönlichkeit des Menschen hat eine Struktur. Diese Struktur besteht aus verschiedenen Bestandteilen. Diese Bestandteile sind z.B. Fähigkeiten, Eigenschaften oder Verhaltensweisen. Strukturbestandteile sind nach Falk Leichsenring (2006, Lehrbuch der Psychotherapie) sowie Wolfgang Wöller und Johannes Kruse (2010) z.B. die Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung und Selbststeuerung, der Abwehrmechanismen, die Fähigkeit zur Objektwahrnehmung sowie die Fähigkeiten in Bezug auf Objektbeziehungen, Kommunikation und Bindung.
Fachsprachen sind nicht immer korrekt.
Und so muss man auch diese Formulierung hinnehmen:
„Das Strukturniveau des Patienten ist insgesamt zu bewerten als:
- gut integriert
- gut bis mäßig integriert
- mäßig integriert
- mäßig bis gering integriert
- gering integriert“
Quelle: http://berichtonline.dcomnet.com
Schließlich gibt es noch das „Desintegrierte Strukturniveau“: Hier wird die Persönlichkeit nicht als zusammenhängend erlebt. Negative Affekte herrschen vor, es gibt häufig das Gefühl von Überflutung; außerdem kommt es zu starken Dissoziationen, Spaltungen und Projektionen.
Verwandte Artikel in diesem Blog:
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Psychische Integration
OPD-Achsen
Frühe Störung
Achse V des DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders): Funktionsniveau
Links und Literatur:
Arbeitsblatt zur Bestimmung des Strukturniveaus
(nach Rudolf, für die Praxis modifiziert von Boessmann und Remmers)
http://berichtonline.dcomnet.com/bo401-v2/index.php?/bericht_user/Fachinformation/Psychodynamisches-Fachwissen/Strukturniveau
Rudolf, Gerd (2002):
Struktur als psychodynamisches Konzept der Persönlichkeit.
In: Rudolf, G., Grande, T. & Henningsen, P. (Hrsg.): Die Struktur der Persönlichkeit.
Schattauer, Stuttgart 2002.
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