Ich weiß nicht, warum Informationen über die Psychoanalyse manchmal so verhalten sind: Psychoanalyse helfe dabei, sich selbst besser kennenzulernen, Persönlichkeitsstrukturen zu verändern und die Beziehungen zu verbessern. Ja, auch. Oder: Ja, ganz besonders. Aber wenn Patienten mit einer heftigen Angststörung oder einer starker Depression im Internet nach Hilfe suchen, finden sie eher selten Aussagen wie: „Psychoanalyse kann Angststörungen therapieren“, oder „Psychoanalyse hilft effektiv bei Depressionen.“ Was meiner Meinung nach viel zu selten gesagt wird: „Durch eine Psychoanalyse können Sie Ihre so furchtbar quälenden Symptome verlieren.“ Muss nicht. Klappt vielleicht nicht immer. Aber es geschieht dennoch oft.
Zu zurückhaltend
In der Zeitschrift „Der Spiegel“ vom 18.12.1967 habe ich einen Beitrag gefunden, in dem der Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich interviewt wurde („TEUFEL NOCH MAL, DAS HABEN SIE NICHT GERN“, SPIEGEL-Gespräch mit Professor Alexander Mitscherlich über Psychoanalyse in der Bundesrepublik). Hier beschreibt Alexander Mitscherlich die Psychoanalyse aus meiner Sicht so zurückhaltend und bescheiden, wie sie auch heute oft beschrieben wird. Die Begriffe „Angststörung“ oder „Depression“ kommen in dem Artikel noch nicht einmal vor.
Angststörungen können mit der Psychoanalyse therapiert werden
Ein Patient mit quälenden Ängsten, Depressionen, Zwängen oder mit einer posttraumatischen Bestungsstörung wird vielleicht allein aufgrund seiner Google-Recherche eher den Weg zum Verhaltenstherapeuten als zum Psychoanalytiker finden. Unter „Psychoanalyse“ stellen sich viele immer noch hauptsächlich langsame Veränderungen vor. Die Vorstellung, Psychoanalyse sei eher etwas für „allgemeine, persönliche Probleme“, ist weit verbreitet. Ja, es geht einerseits langsam voran in der Psychoanalyse. Aber die Psychoanalyse kann genauso gut das liefern, was andere Therapien auch können: Sie kann manchmal erstaunlich rasch von heftigen Symptomen entlasten.
Therapie
Die Psychoanalyse kann auch „therapieren“ und sie kann akut Kraft geben. Viele Patienten, die eine Psychoanalyse machen, kennen wohl die Situation, dass sie voller Angst oder ohne Kraft in die Analysestunde kommen und sich nach der Sitzung wieder vital und deutlich angstfreier fühlen. Patienten mit schweren Symptomen, die stark leiden, kann ich nur ermutigen, auch an eine psychoanalytische Therapie oder Psychoanalyse zu denken. Sie ist nämlich aus meiner Sicht auch und ganz besonders „Therapie“.
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Dieser Beitrag erschien erstmals am 26.3.2014
Aktualisiert am 8.10.2015
Dunja Voos meint
Liebe Psychoanalyse Patientin,
haben Sie ganz herzlichen Dank, dass Sie hier Ihre Erfahrung geschildert haben. Ihnen alle guten Wünsche!
Herzliche Grüße,
Dunja Voos
Psychoanalyse Patientin meint
Ich kommentiere ungern irgendwelche Posts, aber hier ist es mir eine Herzensangelegenheit: Ich kann nur bestätigen, was hier geschrieben wurde. Ich habe trotz meines jungen Alters einen langen Leidensweg hinter mir und somit auch schon die anderen Therapieformen, Kliniken etc., aber erst die analytische Therapie (3x pro Woche im Liegen) konnte/kann mir effektiv helfen, so dass ich sogar Symptome verloren habe, mit denen ich mich längst abgefunden hatte. Ja, ganz richtig, ich habe sie verloren, nicht nur gedeckelt oder entgegengesetzt gehandelt. Und ich möchte noch vermerken, dass es nicht mal ein Jahr gedauert hat, das ist für mich nicht lange (im Gegensatz zu den jahrelangen für mich nur wenig hilfreichen Therapien – das hat sich im Ganzen echt summiert und steht in keinem Verhältnis!). Das war natürlich kein Spaziergang bis jetzt, aber es hat sich gelohnt. Ich bin noch nicht fertig, aber ich kann jetzt schon sagen, dass es sich bislang so was von sehr für mich gelohnt hat und empfehle es wirklich jedem weiter!
Matthias Scholz meint
Hallo!
Ein sehr interessanter Beitrag. Allerdings möchte ich anmerken, dass vielfach auch deshalb Unklarheiten in Bezug auf die Psychoanalyse entsehen, weil in Deutschland nun mal die Psychoanalyse KEINE psychotherapeutische Behandlungsform im Sinne der Psychotherapie-Richtlinie darstellt (vgl. Rüger et al. (2012), S. 26).
Die Psychotherapie-Richtlinie unterschiedet daher streng zwischen Psychoanalyse und Analytischer Psychotherapie. Insofern finde ich für Patienten sehr wichtig, von vorne herein bei den Bezeichnungen der Richtline zu bleiben. Freilich haben Sie recht, dass man (auch) nur wenig über die (nachgewiesene) Wirksamkeit der Analytischen Psychotherapie findet, hier besteht eine Informationslücke.
Zudem kann man sich bekanntlich über die Wirksamkeit der Psychoanalyse in Bezug auf die Wirksamkeit bei psychischen Störungen streiten. Ich persönlich würde dies zwar aus klinischer Sicht in bestimmten Fällen behjahen, genauso wie ich generell die Begrenzung auf drei Stunden pro Woche willkürlich finde und noch viel mehr eine Begrenzung auf 240 bzw. 300 Stunden, aber das ändert nichts an den Gegebenheiten.
Ich halte auch nichts davon, Analytische Psychotherapie über die genehmigte Stundefrequenz hinaus mit illegaler Zuzahlung der Patienten durchzuführen. Da muss man dann eben realistische Teilziele für eine 240-stündige Behandlung setzen (mit dem Problem der Teilzielsetzung auf 160 oder sogar 80 Stundenabschnitten – leider ja sehr unanalytisch),
Dessen ungeachtet ist mir ja klar, dass für uns (praktisch) die Unterschiede zwischen Psychoanalyse, Analytischer Psychotherapie und sogar tiefenpsychologisch-fundierter Psychotherapie bei weitem nicht so groß ist, wie es in der Richtline geschieht. Der Wissenschaftliche Beirat Psychothereapie sieht ja auch keine großen Unterschiede und schlägt daher eine einheitliche Verfahrensbezeichnung Psychodynamische Psychotherapie vor, jedoch fürchte ich, dass dessen Sichtweise sich nur wenig mit der unseren deckt.
Dass es um die Psychoanalyse und den daraus abgeleiteten (Richtlinien-) Psychotherapieverfahren nicht gut bestellt ist, gerade auch was deren Arbeitsweise, die Breite an individuell sinnvoll anzupassenden Behandlungsformen und die Bekanntnheit (bzw. auch Entkräftung von Vorurteilen) anbelangt, ist leider nichts Neuen. Diest würde eher politisches Engagement wie auch mehr Öffentlichkeitsarbeit fordern (aber da muss ich mir bei Kritik auch erst einmal an meine eigene Nase packen). Dennoch wird es nicht reichen, gelegentlicvh in intellektuellen Diskussionen in 3Sat oder im Kulturradio aufzutreten, sondern da muss man sicher auch mal ins Sat1 Frühstücksfernsehen …
Insofern finde ich aber z.B., dass Ihr Blog ein guter und richtiger Schritt raus in eine breitere Öffentlichkeit darstellt, den ich sehr begrüsse und würdigen möchte! Weiter so!
Rüger, U., Dahm, A. & Kallinke, D. (2011). Faber/Haarstrick. Kommentar Psychotherapie-Richtlinien. München: Urban & Fischer. (9. Aufl.)