Malignes Introjekt – was tun mit dem Bösen in uns?

„Sagen Sie mir bitte, wie ich es los werden kann!“, sagen manche. Man will ES – oder auch „Das“ genannt – nicht haben. Es scheint hartnäckig in der Psyche zu sitzen wie ein maligner Tumor. Mit gutem Willen kommt man nicht dagegen an. In manchen Lebensphasen erscheint es überstark, in anderen könnte man meinen, es sei weg: das sogenannte „maligne Introjekt“. Manche Psychoanalytiker meinen damit so etwas wie einen Fußabdruck z.B. der Mutter, den sie mit Gewalt in die Seele des Säuglings gesetzt hat. Vielleicht kennt sie jeder Mensch: die kritische Stimme, die sich meldet, wenn man etwas Schönes vorhat, wenn man einen Partner kennenlernt oder eine Prüfung bestehen will. Da ist ein innerer Angreifer, der sagt: „Du wirst schon sehen, was Du davon hast!“

Das innere Störende, Drängende und Bedrohliche kann extrem stark werden. Plötzlich fühlt man die rebellierende Mutter in sich. Bei einer Über-Identifikation fühlt man sich wie die Mutter. Es lässt sich nicht verhindern, dass man sich vielleicht bewegt wie sie. Vielleicht hat man einen ähnlichen Körper wie sie oder man hört in der eigenen Stimme ihre Stimme.

Manche spüren das vermeintliche „maligne Introjekt“ wie eine innere Gefahr, eine unbestimmte böse Kraft oder wie eine Mutter oder einen inneren Vater, die oder der in einem sitzt und sich weder verjagen noch bekämpfen lässt. „Integrieren“ solle man das Störende, heißt es, doch wie soll das gehen?

Es kann gehen, indem man sich immer wieder damit auseinandersetzt und es immer besser kennenlernt.

Man kann „es“ immer besser zuordnen, verorten oder auch Bilder oder Namen dafür finden, also es symbolisieren. Jeder kämpft anders mit seinen inneren Objekten, die ihn stören oder verfolgen, mit seinen „malignen Introjekten“. Andere wiederum sagen, dass es so etwas wie ein „malignes Introjekt“ gar nicht gibt. „Es ist, als wäre jemand da, der nach mir grabscht und mich quetscht, nur, weil er mir das Gute nicht gönnt.“ Dies ist schon ein gereiftes Bild. Bedrohlicher ist oft das Gefühl, das vorher da war: „Da ist irgendwie so eine innere (oder äußere) Kraft, die mich ergreift und mir schadet.“

Wenn das „Introjekt“ zum „Objekt“ wird, fühlen wir uns meistens erleichtert, weil wir dann ein greifbares, wenn auch phantasiertes, Gegenüber haben. Früher war dieses Gegenüber echt, z.B. war es unsere Mutter.

Ein Stück Material?

Man kann ja mal die Phantasie ein wenig spielen lassen: „Fötuszellen in Mutters Hirn“ – so betitelte der Deutschlandfunk (2013) seine Nachricht über die Studie von William Chan und Kollegen (2012), die männliche DNA im Gehirn von Jungs-Müttern fanden. Die Forscher des Fred Hutchinson Cancer Research Center (USA) vermuten, dass während der Schwangerschaft winzige DNA-Teile vom männlichen Fetus in das Blut der Mutter und dann in ihr Gehirn gelangt sind. Genetisches Material und Zellen werden während der Schwangerschaft zwischen Mutter und Kind ausgetauscht (Lo et al., 2000). Also gelangt mütterliches Material auch in das Kind. Da kann das Bild entstehen, dass das „maligne Introjekt“ tatsächlich irgendwie in einem sei wie die Gene der Mutter, die die Augenfarbe mitbestimmt haben, und dass man diesem Introjekt hilflos ausgeliefert sei.

Mikrochimärismus = Das Überleben fremder Zellen im eigenen Körper. Im Gegensatz zu früheren Vorstellungen ist die Plazenta anscheinend doch keine absolut dichte Grenze zwischen Mutter und Kind. Offensichtlich können darüber mütterliche Zellen ins Kind und kindliche Zellen in die Mutter gelangen.

„Ich habe oft Angst davor, dass die Seele des anderen in mich eindringen und mir schaden könnte“, sagt eine Patientin.

Todestrieb und Lebenstrieb

Babys haben Hunger. Und die meisten Babys haben einen unstillbaren Lebensdrang. Doch in jedem Menschen wohnt auch der Drang, zu zerstören – zum Beispiel, wenn er in Not ist. Oder es drängt ihn, zu sterben, wenn sein Leiden zu groß wird. Der Lebenstrieb ist meistens stärker als der Todestrieb/Zerstörungstrieb. Aber doch gibt es auch den zerstörerischen Trieb in uns – eine Lust, Dinge kaputtzumachen, wie wir sie bei Kindern stark beobachten können: Manche bauen ihre Sandkastentürme auf, um sie danach mit großer Lust zu zerstören.

Bei Erwachsenen zeigt sich diese Lust an der Zerstörung oft in fiesen Witzen oder in der Lust, sich brutale Filme anzuschauen. Auch die Sexualität ist eine Mischung aus Zärtlichkeit und Ansätzen von Gewalt. Wenn ein Unwetter oder Gewitter „große Verwüstung“ angerichtet hat, denken wir manchmal insgeheim: „Och, hätte ruhig noch schlimmer sein können.“

Der Zerstörungstrieb, der in uns ist, kann genährt werden. Wer in die Ecke gedrängt wird, wer viel Hass erfährt, sich nicht gesehen fühlt, der hat einen größeren Zerstörungstrieb als jemand, der in Ruhe gelassen wird, geliebt wird und der satt ist. Auch dieser Zerstörungstrieb als Reaktion auf eine innere Bedrohung kann als etwas Fremdes in einem selbst erlebt werden, das man nicht haben will – eben als ein „malignes Introjekt“, als käme es von irgendwo anders her. Insbesondere ein grausames Über-Ich kann uns innerlich so angreifen, dass wir uns ganz „schachmatt“ fühlen. Das eher „nicht-körperliche“ Über-Ich greift unser eher körperliches Ich an, sodass es auch zu Herzschmerzen, Bluthochdruck und anderen Symptomen kommen kann.

In einer Psychoanalyse kann das übermächtige grausame Über-Ich oft etwas mehr zur Ruhe kommen und gnädiger werden.

Eine Lebensaufgabe

Das Ringen um Gut und Böse, um „Fremd und Selbst“ in uns wird in vielen Lebensphasen immer wieder spürbar, zum Beispiel dann, wenn Entscheidungen oder Entwicklungsschritte anstehen. Alle Märchen und Mythen handeln von diesen Kämpfen. Der Weg zu einer neuen Partnerschaft ist oft besonders gepflastert mit inneren Kämpfen, weil er auch die Trennung von der alten Welt, insbesondere von den Eltern bedeutet. Das Modell des malignen Introjekts scheint manchmal hilfreich zu sein – man fühlt sich, als hätte man ein „gutes Selbst“, das Opfer von zerstörerischen Kräften geworden ist. Diese Kräfte scheinen manchmal untrennbar mit dem Selbst verbunden zu sein oder irgendwie in einem „drinnen“ zu sein.

Manchmal fühlt es sich an, als würde das Selbst bösartig von außen angegriffen, z.B. durch böse Gedanken der Mutter. Wenn ich regelmäßig gewaltsam gequält wurde, dann kamen die „Eindrücke“ vielleicht sogar physisch ursprünglich von außen und wurden Teil des Selbst. All dies genau zu differenzieren, ist oft extrem schwierig. Es fühlt sich zeitweise vielleicht alles wie ein böser Klumpen an – wie ein maligner Tumor, in dem normales und bösartiges Gewebe miteinander vermischt sind.

Ein kleiner Junge erzählte mir einmal, dass er viele innere Freunde hat, aber einer dieser Freunde sei immens böse. Er sei so stark, dass er sogar Steine zerschlagen könne. Man müsse höllisch aufpassen, denn diese Figur könne sich auch ganz schnell drehen und dadurch weitere Sachen kaputtmachen. Als ich ihn fragte, was er denn gegen diesen bösen Freund mache, sagte er: „Er vertraut mir jetzt. Ich muss ihn führen.“

Eine Allergie auf das Gute

Traumatisierte Menschen reagieren manchmal paradox: Auf einen guten Menschen reagieren sie sozusagen „allergisch“, weil Freundlichkeit, Berührungen und Zärtlichkeit in ihnen unangenehme Gefühle und Skepsis auslösen. Das „Gute“ scheint für manche Menschen etwas Unerträgliches, fast etwas Schlechtes zu sein. Sie finden es manchmal selbst befremdlich, dass sie das Gute angreifen müssen. Ihr oberstes Ziel ist es, sich zu schützen vor den neidischen Menschen da draußen bzw. vor der neidischen Mutter, die einst draußen war, jetzt aber im Inneren kritisch Wache hält. So möchte man sich quasi „impfen“ gegen den phantasierten Angriff, indem man schon von vornherein etwas tut, das einen wieder in ein schlechteres Gefühl oder in eine schlechtere Position bringt. Was unbewusst als Schutz gedacht ist, führt jedoch in eine Isolation.

Hier könnte man eine Verbindung zur körperlichen Abwehr herstellen. Das Modell vom „malignen Introjekt“ hat mit der Immunologie eine Menge gemeinsam. Zum Beispiel sind bei der Virus-Hepatitis (Leberentzündung) nicht nur die Viren das Problem, sondern es ist die körpereigene Abwehr, die sozusagen über das Ziel hinausschießt und das eigene Körpergewebe – in guter Absicht unbeabsichtigt – zerstört. Die körpereigene Abwehr ist nicht „böse“. Es kommt etwas von außen und das Immunsystem reagiert. Doch es reagiert zu sehr.

Wenn wir von dem malignen Introjekt überwältigt werden, sprich, wenn unser Körper wieder mit Kranksein und unsere Seele mit depressivem oder suizidalem Druck reagiert, dann haben wir das Gefühl, nichts im Griff zu haben. Wir meinen, es kommt innerlich eine Krake, die uns in Beschlag nimmt, ohne dass wir irgendetwas dagegen tun könnten. Manchmal kommt es daher, dass wir das „maligne Introjekt“ abgespalten haben. Es soll nicht zu uns gehören. Aber es ist doch ein Teil von uns. Wenn wir es wieder zu uns nehmen können, geht es uns unter Umständen besser. Es ist ähnlich wie im Traum: Wir sind unserem Traum ausgeliefert und doch „machen“ wir den Traum, wir sind in irgendeiner Weise daran beteiligt.

Zwischen handhaben und ausgeliefert sein

Je nachdem, in welcher Verfassung wir sind, können wir spüren, dass wir selbst das Schlechte in uns „machen“. Dann können wir aufhören damit. Manchmal aber auch spüren wir, dass das Schlechte in uns quasi tobt. Wir haben dann anscheinend oder scheinbar gar keinen Einfluss darauf. Wir können es jedoch beobachten. Wir können zurückweichen, auch, wenn wir meinen, wir würden dann sterben.

Manchmal ist es extrem hilfreich, nicht zu reagieren und zu schauen, was dann passiert. Einen Reflex zu unterdrücken, kann wie eine unmögliche Aufgabe erscheinen. Und doch kann es klappen: Man dachte, man würde sterben, wenn man nicht reagiert, aber der innere Feind brennt sozusagen aus und zieht sich zurück. Man findet sich auf einmal befreit wieder.

So kann es manchmal funktionieren – andere Male hilft vielleicht gar nichts, außer Abwarten oder Sterben. Ich könnte mir vorstellen, dass viele Herzinfarkte die Folge solcher Mechanismen sind, solcher inneren „Drücke“, die nicht mehr auszuhalten oder zu überleben sind. Dann wieder denke ich ans Yoga und an das beständige Üben und hoffe, dass die Ausdauer ihre gute Wirkung zeigt.

Der Begriff „malignes Introjekt“ wurde von dem Psychoanalytiker Hans Müller-Braunschweig (1926-2014) in den 1970er Jahren geprägt. (Siehe Müller-Braunschweig: „Zur Genese der Ich-Störungen“, Psyche 1970, Psychosozial-Verlag)

Der Psychoanalytiker Paul Williams schreibt hierzu; „Der Patient muß während des Prozesses, in dem Inkorporation und Identifizierung rückgängig gemacht werden, möglicherweise eine Phase der psychotischen Verwirrtheit ertragen. … damit der weiteren Zerstörung des psychischen Funktionierens Einhalt geboten und die Persönlichkeitsentwicklung wieder aufgenommen werden kann, muss dieser Fremdkörper, auf den der Patient nicht verzichten zu können glaubt, weil er ihn als Teil seines Selbst erlebt, entfernt werden.“
Williams, Paul:
Einverleibung eines invasiven Objekts
Psyche – Zeitschrift für Psychoanalyse, 2005, 59(49): 293-315

Jeffrey Eaton schreibt: „Chronic self-attack, including attacks on linking, blocks the growth of a sense of personal agency that would ordinarily allow a person to receive help and to cooperate in his or her own analytic transformation. According to W. R. Bion, some patients give evidence of living with an internal object that is ego-destructive and that operates as a projective identification rejecting object. Bion names this ego-destructive internal object an obstructive object.“
Frei übersetzt: Chronische Selbstzerstörung, einschließlich der Angriffe auf das Schaffen von Zusammenhängen, blockiert das Wachstum eines Sinnes für Autonomie. Dieser Sinn, selbst agieren zu können, würde dem Menschen helfen, Hilfe zu bekommen und an seiner eigenen Transformation in der Analyse mitzuarbeiten. Doch manche Patienten leben anscheinend mit einem inneren Objekt, das Ich-zerstörerisch ist und das funktioniert wie ein zurückweisendes Objekt, das ins Innenleben aufgenommen wurde (und auch in der Außenwelt immer wieder vorgefunden wird, z.B. in der Wahrnehmung, andere Menschen seien zurückweisend). Solch ein ichzerstörendes inneres Objekt nannte Bion ein ‚verstopfendes Objekt‘.
Eaton, Jeffrey L. (2005):
The obstructive Object
Psychoanalytic Review; New York Bd. 92, Ausg. 3, (Jun 2005): 355-372,
https://www.proquest.com/docview/195066796

Wird ein Kind körperlich gequält, wirkt das Körpergefühl weiter fort. Das Kind wird sich später selbst so behandeln, wie es einst von Vater oder Mutter behandelt wurde. Es wird sich auch Freunde suchen, die es ähnlich behandeln. Unbewusst hat sich das Kind den gewalttätigen, überkritischen und nicht wohlwollenden Elternteil zu eigen gemacht – der „schlechte Vater“ oder die „schlechte Mutter“ bzw. die Kraft, die von ihnen ausging, ist zum sogenannten „malignen Introjekt“ geworden (maligne = bösartig, Introjekt = etwas Hineingeworfenes). Manche sprechen auch vom „Täter-Introjekt“.

Daneben besteht auch noch das eigene „Böse“ und Aggressive, also die Seite in uns, die geweckt wird, wenn wir Hunger haben oder schlecht behandelt werden.

Die Dinge dürfen auf keinen Fall zu schön werden, denn dann meldet sich die strafende Instanz/das strenge Über-Ich/das maligne Introjekt oder wie immer man es nennen möchte. Man befürchtet den Neid des inneren bösen Objekts in einem und baut unbeabsichtigt einen Unfall, wird krank, ängstlich oder depressiv. So kann man das neidische Objekt in sich selbst zähmen. Hauptsache ist jedenfalls, dass man sich für die Glücksmomente bestraft. Das alles passiert meistens unbewusst. Die Betroffenen sagen nicht: „Oh, da habe ich die strafende Mutter in mir aufgenommen.“ Sondern sie können sich ihr Unglück nicht erklären – sie sind „wunschlos unglücklich“.

Bewusstwerdung heißt noch nicht „Ende des Kampfes“

Viele wollen „die böse Mutter“ in sich los werden. Im Märchen kann die „böse Hexe“ einfach verbrannt werden. Aber im echten Leben ist das nicht immer so leicht. Das Selbst kämpft immer wieder mit diesem Fremdkörper, diesem Introjekt – auf verschiedene Weise. Mal gewinnt das „nicht-fremde Selbst“, mal das „maligne Introjekt“, das wie ein Fremdkörper erlebt wird. Manchmal versuchen wir einfach, das maligne Introjekt irgendwie zu zähmen und zu beruhigen.

„Falls du irgend Laut oder Gebrauch der Stimme hast, sprich zu mir. Falls irgendeine gute Tat zu tun ist, die dir Erleichterung und mir Heil verschaffen könnte, so sprich zu mir.“
(Horatio spricht zum Geist von Hamlets Vater.)
William Shakespeare: Hamlet. Reclam 2014, 1. Akt, 1. Szene, S. 97)
„… denn es ist unverletzlich wie die Luft.“ (S. 99)

Beim „Malignen Introjekt“ ist es vielleicht ähnlich wie bei der Frage nach dem Traum: Einerseits „machen“ wir ihn, andererseits überkommt er uns und wir haben keine Chance, ihn zu steuern. Diese Frage hängt unter anderem von der Schlaftiefe ab: Je tiefer wir schlafen, desto weniger Macht haben wir über unseren Traum. Vielleicht hängt die Frage des „Malignen Introjekts“ sozusagen mit der Tiefe unserer Schwäche zusammen, in der wir uns gerade befinden. Je schwächer wir uns fühlen, desto stärker das maligne Introjekt.

Der Psychoanalytiker Peter Kutter schreibt in seinem Buch „Affekt und Körper: neue Akzente der Psychoanalyse“ (S. 149), wie sich so ein „malignes Introjekt“ anfühlen kann:

„Ein malignes Introjekt, das mit negativer Energie aufgeladen ist, bedroht das Selbst existenziell, will es beseitigen oder zerstören. Das Selbst wehrt sich – bei den gegebenen Macht-Ohnmacht-Verhältnissen an der Basis der Entwicklung – verzweifelt gegen die Übermacht des Introjekts und versucht sich zu behaupten, kämpft um sein Überleben. Im günstigsten Fall siegt es, im ungünstigsten Fall kapituliert es, gibt auf und unterwirft sich. Ein Kompromiss wäre die anhaltende Auseinandersetzung zwischen den beteiligten Instanzen mit wechselndem Ausgang.“

Vielleicht brauchen wir das schlechte Objekt in uns

Vielleicht ist es ja auch so, dass wir ein malignes Objekt in uns manchmal brauchen. Vielleicht ist es ähnlich wie mit dem Todestrieb – er ist in uns und wird zum Leben benötigt. André Green schreibt über die Angst vor der Leere, wenn das böse Objekt in uns verschwindet:

„Wenn das schlechte Objekt seine Macht verliert, scheint es keine andere Lösung zu geben, als es wieder erscheinen zu lassen, in Form eines anderen Objekts, das dem vorhergehenden wie ein Bruder ähnlich ist, und mit dem das Subjekt sich identifiziert, um seine Auferstehung herbeizuführen. Es geht weniger um die Unzerstörbarkeit des schlechten Objekts oder um den Wunsch, sich mit seiner Hilfe der Kontrolle zu versichern, als um die Furcht, daß sein Verschwinden das Subjekt in dem Horror der Leere zurückläßt, ohne daß jemals an seine Ersetzung durch das immerhin disponible gute Objekt gedacht würde. Das Objekt ist schlecht, aber es ist gut, daß es existiert, selbst wenn es nicht als gutes Objekt existiert.“
Andre Green: Analytiker, Symbolisierung und Abwesenheit im Rahmen der psychoanalytischen Situation. Über Veränderungen der analytischen Praxis und Erfahrung. D.W. Winnicott zum Gedächtnis. Psyche, 1975, 29(6), 503-541, https://www.psychosozial-verlag.de/53789

Was tun?

Wie Peter Kutter schreibt, ist der Kampf mit dem malignen Introjekt eine „anhaltende Auseinandersetzung … mit wechselndem Ausgang“. Bei der buddhistischen Nonne Pema Chödrön fand ich einen schönen Ansatz:

„Es geht darum, mit dem Kämpfen aufzuhören … Wie Milarepa den Ungeheuern, die seine Höhle besetzt hatten, sagte: ‚Wie schön, Euch Ungeheuer heute zu Besuch zu haben. Ihr müsst morgen wieder kommen. Wir sollten ab und zu ein Schwätzchen halten.‘ Wir beginnen, indem wir mit den Ungeheuern in unserem Geist arbeiten. Allmählich entwickeln wir genug Weisheit und Mitgefühl, um auch mit den Ängsten und Bedrohungen unseres Alltags vernünftig zu kommunizieren.
Die tibetische Yogini Macig Labdrön übte sich furchtlos in dieser Sichtweise. Sie sagte, dass es in ihrer Tradition nicht üblich sei, Dämonen auszutreiben. Sie würden mit Mitgefühl behandelt. Der Rat, den sie von ihrem Lehrer bekommen hatte und den sie an ihre eigenen Schüler weitergab, lautete: Geh auf das zu, was dich abstößt. Hilf denen, denen du glaubst, nicht helfen zu können. Und begib dich an Orte, die Du fürchtest.“
Drei Methoden für die Arbeit mit dem Chaos
Pema Chödrön, 29.7.2017
https://youtu.be/hWYx3lTe4f4

Verwandte Artikel in diesem Blog:

Link:

Paul Williams:
Invasive Objects: Minds under Siege
Routledge 2010
www.taylorfrancis.com/books/9781135844929
amazon

Peter Kutter
Affekt und Körper: Neue Akzente in der Psychoanalyse
Vandenhoeck und Ruprecht 2001

Dieser Beitrag erschien erstmals am 6.7.2012
Aktualisiert am 29.1.2024

2 thoughts on “Malignes Introjekt – was tun mit dem Bösen in uns?

  1. Dunja Voos sagt:

    Liebe Gabriele,
    vielen Dank für Ihren bewegenden Kommentar. Meiner Meinung nach hilft bei Problemen, wie Sie sie schildern, die Psychoanalyse („Analytische Psychotherapie“ in der Sprache der Krankenkassen) tatsächlich am besten. Ich empfehle da besonders gerne die hochfrequente Psychoanalyse im LIegen auf der Couch mit vier Terminen pro Woche. Aus meiner Sicht lassen sich die heilsamen Effekte der Psychoanalyse bei sehr schweren Störungen nicht online erreichen, weil die körperliche Anwesenheit von Patient und Analytiker in einem Raum unerlässlich ist. Auch Unterbrechungen der Analyse sind bei so schwerem Leiden oft schwer für die Betroffenen auszuhalten. Stationäre Aufenthalte können aus meiner Sicht nicht mehr als einen Impuls bieten und Motivation sein für eine oft langjährige Psychotherapie danach.
    Alle guten Wünsche!
    Dunja Voos

  2. Gabriele sagt:

    Beim Lesen Ihres Artikels „Komplexe PTBS“ habe ich mich so sehr angesprochen gefühlt, dass ich mich erstmal mit kaltem Wasser regulieren musste.
    Nach dem Lesen der Artikel
    – Typ-2-Trauma
    – Thought-Action-Fusion
    – Malignes Introjekt
    will ich nur noch laut „HIER“ schreien. Vor allem das destruktive Introjekt, die rasende Wut, die Vergeltung und alles vernichten möchte, Selbsthass und Schuld, vermiesen mir das Leben. Ich bin in analytischer Therapie (derzeit coronabedingt leider nicht engmaschig) und sehe wieder diesen riesigen Berg vor mir, den ich nicht mehr sicher bin, jemals überwinden zu können.
    Gibt es Therapiekonzepte (auch stationär), die Sie für die o.g. Merkmale empfehlen würden?
    Danke vorab und viele Grüße

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