Folgen der Vojtatherapie als Baby: „Ach könnten wir viele uns doch zusammentun“

Ausbildungen sind nicht möglich. Wegen der Angst. Partnerschaften nicht möglich. Aus Angst. Kinderwünsche bleiben unerfüllt. „Wenn ich nur daran denke, dass mir jemand nahe kommt, dass er mich berührt, dass er neben mir liegt, geht gar nichts mehr“, sagen sie. So fühlen sich unzählige Vojta-Kinder. „Mein Psychotherapeut geht aber kaum darauf ein“, sagen sie. Weil kaum jemand begriffen hat, was Vojta mit den Kindern macht. Die Vojta-Therapie kann man nicht „liebevoll“ ausführen: Das Kind hat Panik, es ist mitunter dem Kreislaufkollaps nahe, es schreit, es will sich befreien. Es ist eine Festhaltetherapie. Diese – aus meiner Sicht – grausame Therapie hinterlässt möglicherweise tiefste Wunden.

Die meisten Eltern bleiben stumm. Viele Betroffene können sich nicht bewusst an die Therapie erinnern. Von manchen anderen, die sich noch erinnern können, wurde sie wie eine Vergewaltigung erlebt. Doch sie haben keine Lobby. Sie gehen nicht zur Polizei. Sie haben keine Stimme. Sie haben ihre Stimme als Baby verschrien und verloren. „Ach könnten wir viele uns doch zusammen tun. Und allen sagen, wie schlimm es ist“, höre ich immer wieder von Betroffenen. Auf Facebook habe ich eine Gruppe erstellt für Menschen, die als Kind die Vojtatherapie erhielten und heute unter den Folgen leiden: https://www.facebook.com/groups/vojtatherapie

Buchtipp:

Dunja Voos:
Vojta-Therapie bei Babys – ein Aufschrei
Hilfe bei einem speziellen Trauma

Selbstveröffentlichung, 9.2.2021
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Dieser Beitrag wurde erstmals veröffentlicht am 11.3.2018
Aktualisiert am 30.3.2024

12 thoughts on “Folgen der Vojtatherapie als Baby: „Ach könnten wir viele uns doch zusammentun“

  1. Dunja Voos sagt:

    Lieber Holger,
    vielen Dank für diesen berührenden Beitrag. Ich wünsche mir, dass sich hier Betroffene zusammenfinden können. Mich würde interessieren wie es Ihnen heute geht.
    Viele Grüße,
    Dunja Voos

  2. Holger75 sagt:

    Hallo in die Runde,
    ich wurde als Kind/Jugendlicher bis ich 16 war täglich 4 mal behandelt. Hinzu kamen Dehnübungen für den Arm. Ich habe eine Halbseite Spastik In den Ferien und am Wochenende waren es meist 5 Einheiten täglich. Wir hatten ja Zeit.. Das heist 2-3 Sunden täglich Krankengymnastik. In der Schule für Körperbehinderte, war ich ,so viel ich weiß, der einzigste Schüler der derart intensiv behandelt wurde. Anordnung des Kinderarztes. Täglich einmal in der Schule. So bald aber ein Kind krank war, wurde ich ein zweites Mal behandelt.
    Vor der Schule, in der Schule und dann sofort wenn ich nach Hause kann und am Abend.. Wenig Zeit zum Spielen. Immer wieder raus gerissen. Selbst auf Klassenfahrten war die Therapeutin dabei. Andere Klassenkameraden/innen hatten eine Befreiung von den Eltern bekommen. Also hatte die Therapeutin viel Zeit für mich, die sie auch nutzte( Zu meinem Wohle natürlich).:Erst mit 16 hatte ich den Mut mich durchzusetzen und die Einheiten wurden reduziert. Mit 19 war dann entgültige Schluss, da ich zur Ausbildung in eine andere Stadt zog .

    Wer hat ähnliche Erfahrungen machen müssen? Ich hatte einen Ausbildungskollegen der bis er 22 war täglich mit Vojta genervt wurde.

  3. Dunja Voos sagt:

    Ganz herzlichen Dank! Ich freue mich sehr über Ihre Nachricht und Ihr Vorhaben, meine Informationen weiterzugeben. Ich freue mich immer, auf Menschen zu treffen, die für die Hypothese offen sind, dass die Vojta-Therapie psychisch möglicherweise wirklich sehr schaden kann.

  4. aufeinNeues sagt:

    Hallo Frau Dr. Voos, bin eher durch „Zufall“ auf Ihren Blog-Artikel zur Vojta-Therapie gestoßen und entsetzt über deren lebenslange psychischen Folgen. Da ich selbst in kontinuierlicher physiotherapeutischen Behandlung bin, habe ich gerade Ihr Buch bestellt und werde es nach dem eigenen Lesen an meine Physiotherapie-Praxis weiter reichen. Möglicherweise ist vielen Physiotherapeuten gar nicht bewusst und in ihrer Ausbildung nicht vermittelt worden, welche Folgeschäden aus der Vojta-Therapie bei Babys entstehen können.
    Vielen Dank für Ihre Aufklärung darüber.

  5. Dunja Voos sagt:

    Liebe Silke,
    vielen Dank für Ihren bewegenden Kommentar! Ja, Sie beide hatten keine Chance. Überhaupt wird die Vojta-Therapie bei Babys meistens in dem Gedanken durchgeführt, etwas Gutes zu tun und das Schlimmste zu verhindern. Dass durch diese Form der Physiotherapie möglicherweise schwerste psychische Traumen entstehen, wird bis heute oft noch nicht bedacht. Da diese – ich nenne es – „Gewaltanwendung“ am Kind bereits im vorsprachlichen Bereich stattfindet, hat das Kind keine Chance, diese Erfahrung durch bewusste Erinnerungen oder Worte zu verarbeiten. Es bleibt mit seiner psychischen Überflutung alleine und leidet später möglicherweise unter teilweise furchtbaren psychischen Zuständen, die sich nicht in Worte fassen lassen und die es den Betroffenen verunmöglichen, eine nahe Beziehung zu führen. Ich hoffe, dass ich mit meinem Buch („Vojta-Therapie bei Babys – ein Aufschrei“, das im Februar 2021 erscheinen wird) Hypothesen liefern und Erfahrungen beschreiben kann, die zum Nachdenken und vielleicht sogar zu systematischer Forschungsarbeit anregen.
    Viele Grüße,
    Dunja Voos

  6. Silke sagt:

    Also doch !!! Nach einer wahren Odysee meiner Tochter ( jetzt 14 Jahre ) in ihrer Verhaltensauffälligkeit zu helfen wird gerade sehr viel klar.
    Auch meine Tochter bekam sehr früh ( 5.Lebenswoche ) Vojta Therapie, 5 x am Tag alle 3 Stunden und das 1 ganzes Jahr lang plus Kontrolltermine bis sie 5 Jahre alt war. Schwerstgradige Muskeltonusstörung mit Gesichtsskoliose und Atlasblockade (HWS) .Auch sie war bereits extrem früh wortgewandt und konnte sehr früh sprechen.
    Während der Therapie wurde ich oft belächelt und für überfürsorglich gehalten als ich versuchte mir Luft zu machen und immer wieder mit Ärtzen in Konflikt geriet.
    Bis zum Eintritt der Pubertät erlebten wir Angststörung, soziale Störungen, verschiedene Verhaltenauffälligkeiten, Probleme in der Schule sowie Mobbing in der Grundschule, oppositionelles Verhalten, etc. Immer haben wir uns Hilfe gesucht sei es bei der Familienhilfe oder Ärzten. Und genau hier kann ich meine Erfahrung mit anderen teilen. Auch ich habe die Erfahrung gemacht das ich immer wieder die Vojta Therapie erklären musste.

    Mittlerweile ist meine Tochter 14 Jahre alt. Durch die Pubertät ( die ja eh eine Herausforderung ist ) veränderten sich einige Verhaltensweisen sehr und ich dachte das es daran lag. Auf einmal zog sie sich immer mehr zurück, wollte nicht mehr kuscheln oder sich von mir anfassen lassen….konnte allerdings auch nicht benennen woher das kommt. Fand sie selbst komisch.
    Irgendwann im letzten Jahr kamen dann somatische Auffälligkeiten dazu unter der sie sehr zu leiden hatte. Meiner Tochter wurde von einer Psychologin der stationäre Aufenthalt in einer Psychosomatischen Kinder- und Jugendklinik angeboten. Der Psychotherapeut war top….hatte aber von Vojta keine Ahnung. Auch hier musste ich das erklären. Ich gab Auskunft über Vojta. Das die Problematik meiner Tochter in irgendeiner Weise mit mir als Mutter zu tun hat hatte er bereits vermutet.

    Über die anschließende Arbeit mit der ambulanten Jugendhilfe ( die gerade gestartet ist )kommen wir nun endlich zu einem Ergebnis.Es wird gerade klar das die Therapie das Urvertrauen und die Seele meines Kindes dermassen zerstört hat das ich für sie gefühlt immer der „Angreifer / Täter“ sein werde ohne das sie sich dessen bewusst ist. Daher unsere Spannungen und Probleme.
    Bindungstrauma, Beziehungstrauma und Wahrnemungsverzerrung. Jetzt passt es alles irgendwie.
    Nun habe ich verstanden was passiert ist und versuche wieder etwas zu bewältigen was mich überfordern wird.

    Meine Tochter möchte in eine Wohngruppe weil sie meine Anwesenheit und Nähe nicht aushalten kann. Sie selber weiss nicht genau woran es liegt…..sagt das sie mich liebt und ist selbst sehr unglücklich über ihre Gefühlswelt.

    Auch ich verteufel nach wie vor diese Therapieform und hoffe das diese mittlerweile kaum noch praktiziert wird. Nur zu gerne würde ich anderen helfen damit sie so etwas nie durchmachen und erleben müssen. Aber vor allem die KINDER !!! Leider gibt es wirklich für dieses Thema viel zu wenig Informationen, Angebote zur Bewältigung, Hintergrundinformationen, Studien, Selbsthilfegruppen,etc.

    Ich kann nur jedem Elternteil raten hört auf euer Bauchgefühl. Gebt euch nicht den Ratschlägen von Ärtzten und Therapeuten hin die da meinen das Kind vergisst alles und bekommt nichts mit. Es bekommt alles mit……..

    Jetzt Jahre später möchte ich die Uhr zurück drehen und neu anfangen bzw. nach meinem Bauchgefühl entscheiden. Niemals würde ich die Therapieform wählen jetzt wo ich weiss was das für die Kinder und die Beziehung zu Mitmenschen macht. Damals war es mein erstes Kind und ich war zu jung und habe mich von den Ärzten einschüchtern lassen. Die Prognose meiner Tochter war schlecht. Aussage der Ärzte ….“wird diese Form der Therapie nicht gemacht,wird Ihre Tochter zu 80 % gehbehindert sein und dauerhaft bleiben. Genauso wie die Bewegungseinschänkung der Halswirbelsäule!“

    Gerne würde ich meine eigentliche Tochter kennenlernen und schauen wie ihr eigenes Bindungsmuster ist und was ihr Wesen wirklich ausmacht. Ich würde rückblickend in Kauf nehmen, daß meine Tochter behindert ist und nicht diesen Preis zahlen müsste der Wahrscheinlich ihr ganzes Leben bestimmen wird. Im nachhinein ist es echt fies aber………wir hatten beide keine Chance !!

    Liebe Grüße Silke

  7. Dunja Voos sagt:

    Liebe Ute,
    wie berührend, dass Sie das so ehrlich schreiben können. Ich kenne sehr viele Mütter, die die Vojta-Therapie verteidigen, teilweise, weil sie sich so schuldig fühlen. Ich finde es auch wertvoll für meine eigenen Befragungen, dass mir inzwischen schon einige Mütter erzählten, dass sie meine Beschreibungen bestätigen können.
    Psychotherapien helfen hier meiner Meinung oft deswegen nur unzureichend, weil die meisten Psychotherapeuten gar nicht fragen, ob ein Patient die Vojta-Therapie erhalten hat. Viele Psychotherapeuten kennen sie nicht und viele kennen auch die möglichen Zusammenhänge zu den heutigen Problemen nicht. Viele Patient*innen berichten, dass sie sich wie „vergewaltigt“ fühlen. Es ist wichtig, einen Psychotherapeuten oder Psychoanalytiker zu finden, der für körperliche Erfahrungen in der vorsprachlichen Zeit offen ist. Das Schuldgefühl kann ich so gut nachvollziehen und es ist auch wertvoll für die Beziehung zum Kind – Sie gehen nicht darüber hinweg. Sie wollten eben helfen und man tut im Augenblick eben immer nur das, was einem am besten erscheint. Hinterher ist es immer leicht, es „besser zu wissen“. Ihnen von Herzen respektvolle Grüße, Dunja Voos

  8. Ute sagt:

    Ich lese mit Grauen über die Folgen der Vojta-Therapie, die ich meiner kleinen Tochter, mittlerweile 30 Jahre, im Alter von wenigen Wochen bis fast zu einem Jahr zugemutet habe. Sie hatte einen extremen Schiefhals und das galt als aussichtsreichste Therapie. Es war eine Tortur, die ich viel zu spät abgebrochen habe.
    Heute verhält sie sich genauso wie von vielen beschrieben. Sie hat keinen Partner, erträgt keine Berührungen von mir. Allerhöchstens eine Umarmung zur Begrüßung. Ist sehr kontrolliert und wortgewandt. Hat sehr früh sprechen gelernt.
    Wie kann man diesen Kindern helfen? Sie war jahrelang in Psychotherapie, aber ich habe nicht den Eindruck, dass es half. Sie lebt 400 km weit weg und hat selbt eine Therapie begonnen, nicht ahnend woher ihre Probleme rühren.
    Als Mutter fühlt man sich unendlich schuldig.
    Traurige Grüße
    Ute

  9. Tamina sagt:

    PS: Aber gerade deshalb müssen wir uns alle zusammentun und Fürsprecher gewinnen. Allzuoft sind es die Opfer die Veränderungen und eine Stimme erkämpfen müssen. Ich bin dabei.

  10. Tamina sagt:

    Hallo zusammen,

    ich bin selbst betroffen und der Beitrag spricht mir traurigerweise aus der Seele. Die folgen auf mein ganzes Leben sind massiv und sogar existenziell und es sind genau die, die hier genannt sind. Ich habe die Therapie bis in die Pubertät erhalten und dachte schon damals. I“ch kann ja ach gar nicht zur Polizei gehen. Ich glaubte alles was meine Eltern sagten und dachte, das glauben auch Polizisten. ( “ Das ist die beste Therapie für dich, wegen ihr kannst du alles was du kannst…) und ich dachte, selbst wenn Beamte meinem Erleben glauben würden, ist es eine erlaubte Therapie, nichts daran ist strafbar. Also war Hilfe nirgends möglich. Und ich dachte oft, ich bin falsch, wenn doch alle alle auf der Welt sage. Es ist die beste Therapie und nicht schlimm. heute denke ich, wir haben weniger als keine Stimme, so wie die Situation ist. Uns und unser Problem gibt es offiziell nicht. Das tut so furchtbar weh, zusätzlich zu allen Folgen.

    Ich habe bis vor kurzem über Monate recherchiert und durchforstest, was mir in den Sinn kam. Selbsthilfegruppen habe ich keine einzige gefunden. Da ich nicht einmal den Namen der Therapie hören kann, ohne in Flashbacks zu geraten und mich meist zu Tode schäme, wenn ich drüber reden soll. würde ich dort wohl eher nicht hingehen können. Aber ich wollte wissen, ob es sie gibt, weil allein das Wissen mir gezeigt hätte. Ich bin nicht allein und es wird gesehen. Leider fand ich keine. Aber andererseits war es zu erwarten, In der breiten Öffentlichkeit, gibt es ja gar keine Folgen und Probleme, nirgends. Wie sollen dann so Gruppen entstehen und wenn es den meisten Opfern gehtwie mir. Trat sich auch keiner eine zu gründen.

    Liebe traurige Grüße, Tamina

  11. Dunja Voos sagt:

    Liebe Sofasophia, da müsste ich mal recherchieren, ob es Selbsthilfegruppen gibt. Herzlichen Dank für den Kommentar!

  12. Sofasophia sagt:

    Ich habe noch nie davon gehört, und darum soeben ein bisschen recherchiert. In der Theorie klingt es „einleuchtend“, fast wie eine Art „körperliche Konditionierung“ irgendwie. Gerade darum kann mir vorstellen, dass das ganz schön heftige Auswirkungen haben kann.
    Selbst wenn es Menschen gibt, denen diese Therapie geholfen hat, reagiert doch jeder Mensch unterschiedlich und das viele Leid würde doch nicht rechtfertigen, so die Therapie einigen Wenigen vielleicht tatsächlich geholfen hat. Ob es Selbsthilfegruppen gibt?

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