Beta-Elemente nach Bion: die unreifen psychischen Elemente in uns

Der Psychoanalytiker Wilfred Ruprecht Bion (1897-1979) nannte noch unverarbeitete Teile in der Psyche „Beta-Elemente“ und reifere Stücke „Alpha-Elemente“. Wenn wir mit unseren Sinnen etwas wahrnehmen – seien es Eindrücke aus unserem Körperinneren oder Reize von außen – entsteht erst einmal so etwas wie ein unreifes Gefühl. Da ist irgendwie was, aber wir können es noch nicht klar denken. Dieses Gefühl von „Irgendwie-Etwas“ könnte man als Beta-Element bezeichnen. Besonders Säuglinge sind wahrscheinlich häufig überwältigt von „Beta-Elementen“, also nicht handhabbaren Eindrücken und Gefühlen.

Die Mutter verwandelt die unerträglichen Beta-Elemente in erträgliche psychische Häppchen (Alpha-Elemente). Indem sie das Baby zum Beispiel stillt, macht sie aus dem „Hungermonster“ einen kleineren Hunger, bis das Baby schließlich satt ist.

Wenn die Mutter ihr Kind tröstet, dann macht sie den Riesen-Kummer kleiner und erträglicher. Sie findet die Worte, die ihr Kind noch nicht finden kann. Nachdem das Kind den Kummer zusammen mit der Mutter verarbeitet hat, kann es darüber nachdenken und darüber sprechen. Es sind Alpha-Elemente entstanden.

Das sagen Bion und Kollegen über die Beta-Elemente:

  • „Beta-Elemente. Dieser Ausdruck repräsentiert die früheste Matrix, aus der vermutlich Gedanken entstehen.“ Bion: Elemente der Psychoanalyse, Suhrkamp 1992, S. 52
  • Beta-Elemente sind „unverdaute Fakten“. Bion 1962: Learning from Experience. Karnac Books, 1984
  • „Beta-Elemente bilden das Material für konkretes Denken.“
    Helen Schoenhals: Bions Raster leicht gemacht. In: PsA-INfo Nr. 48, 1997: S. 30
  • „Beta-elements are somatic and inchoate emotional sense impressions.“
    „Beta-Elemente sind somatische und rudimentär emotionale Sinneseindrücke.“
    James S. Grotstein: A Beam of Initense Darkness, Karnac, 2007: S. 68
  • „Beta-Elemente sind nach Bion ’sensorische Reize‘ (‚Sense Data‘).
    Alpha-Elemente sind psychisch verfügbare Elemente, die ‚Sinn machen‘.“
    A Theory of Thinking, Second Thoughts, 1967, pp. 100-120 und: The Dictionary of the Work of W.R. Bion von Rafael E. Lopez Corvo, Karnac Books 2005: S. 262
  • Der Psychoanalytiker James Grotstein (einst Analysand von Bion) sagt, dass die Beta-Elemente, die nicht in einen Denkapparat gelangen können, als untransformierte Beta-Elemente „irgendwohin“ projiziert werden (Anmerkung: z.B. ins Innere/Unbewusste oder nach außen). Grotstein nennt diese Beta-Elemente dann „geschwächte/verminderte („degraded“) Alpha-Elemente“.
    Grotstein: A Beam of Intense Darkness, Karnac 2007: S. 67

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Dieser Bietrag wurde erstmals veröffentlicht am 9.7.2015
Aktualisiert am 27.3.2023

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